Kapitel 7- Vergeben und Vergessen?

1K 45 6
                                    

Ich hätte nicht gehen dürfen, ich würde meinen besten Freund nie wieder sehen. Wie konnte ich ihn so im Stich lassen? Ich lehnte an einem Baum, direkt hinter der Mauer, aber es war mir egal. Sollten sie mich doch holen, es gab eh nichts dass mich an dieses Lager band. Nichts für dass es sich lohnte zu leben, oder? Was war mit Bellamy? Ich fühlte etwas, hatte Gefühlte für ihn, starke Gefühle. Aber er hat mich verletzt und es schmerzte, sehr sogar. Der Waldboden unter meinen Füßen war hart und ich saß auf irgendetwas spitzem, aber ich ignorierte es einfach. Meine Gedanken lenkten mich so sehr von der Umwelt ab, dass ich gar nicht spürte wo ich war. Das Bild von meinem Freund ging mir nicht aus dem Kopf. Wie Murphy am Seil hing und baumelte. Der Lärm, welcher an diesem Tag das Lager erfüllte, dröhnte immer noch in meinen Ohren. Der Blick von Murphy hing an mir und aus seinem Mund kam Blut. Ich zitterte, als ich wieder den Moment durchlebte, ich hatte so fürchterlich Angst um ihn. Er war immerhin mein bester Freund, nicht weniger und nicht mehr, oder? Beste Freunde küssten sich ja eher wenig? Aber wenn man in so einer Lage ist, denke ich, ist es normal. Murphy war wütend und ich konnte ihn verstehen, ich war auch wütend. Ich spürte wie sich meine Hände zu Fäusten formten. Fast hätten sie ihn umgebracht, nur weil sie ihn nicht mochten, weil er sie kontrollieren konnte und sie das nicht mochten. Murphy war ein guter zweiter Anführer, ich hab auf ihn gehört, meistens. Ich musste schwach grinsen, bei dem Gedanken, wie ich ihn manchmal nerven konnte, ohne dass er mir böse war. Wir kannten uns einfach schon zu lange und hatten zu viel erlebt. Viel zu viel. Die Erlebnisse auf der Erde wollte ich am liebsten vergessen, den ganzen Schmerz einfach verdrängen. Aber er war da irgendwo draußen, falls er noch lebte. Alleine und er hatte sicher Angst, klar war er stark, aber was sollte der Junge schon gegen Grounders tun können? Das alles nur wegen Bellamy, er hatte ihn gehängt und verbannt. Wegen ihm litt ich nun hier. Warum tat er das? Ein Anführer tat etwas anderes, beschützte seine Freunde und verbannte sie nicht. Langsam glitt meine Hand zu meinem Messer und hielt die Schneide in der Hand. Durch die Wut, die in mir aufstieg, drückte ich die Hand fest zusammen und das Messer bohrte sich in meine Hand. Der Schmerz war nicht zu spüren, es war einfach nicht damit zu vergleichen wie verletzt ich war. Ich konnte Bellamy nicht hassen, aber ich konnte ihm nicht einfach verzeihen. Aber er war es gar nicht. Nicht alleine, Clarke war es. Sie hatte Murphy das ganze vorgeworfen und bezweckt dass er gehängt und verbannt wurde. Nicht Bellamy oder Murphy waren an dem Tod der jungen Charlotte schuld. Alles war Clarkes Schuld. Ich öffnete die Faust und hielt das Messer locker in der Hand. Mein Blick wanderte zu der Hand. Zwei blutige Risse waren zu sehen und das Blut tropfte langsam von meiner Hand auf den staubigen Boden. Dunkelrote Punkte waren auf dem Waldboden zu erkennen und ich tropfte ein Muster. Mit den Augen folgte ich den Tropfen, wie sie sich langsam von meiner Hand lösten und fielen. Dann gegen den Boden knallten und einen Fleck hinterließen. Nur kurz betrachtete ich das Symbol für die Unendlichkeit, welches die Bluttropfen ergaben. Wir werden für immer hier sein, immer wieder wird es Tote geben, immer wieder wird irgendjemand dafür zur Rechenschaft gezogen. Und wir müssen damit leben, ob wir wollen oder nicht. Auch wenn es Clarke war, die Murphy beschuldigt hatte. Es war Bellamy, der nichts dagegen unternommen hatte und mich leiden ließ. Ich schloss die Augen, ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ein Geräusch, hinter mir. Ich drehte mich um und schoss, ohne wirklich zu sehen, was es war. Das Messer wirbelte durch die Luft und blieb in einem Baum stecken. Ich würdigte dem Dunkelhaarigen keinen Blick, seit Tagen schon hatte ich mit ihm kein Wort gewechselt, nur wenn ich musste. Das wollte ich nicht ändern. Schweigend erhob ich mich, tappte einfach bei ihm vorbei und zog das Messer aus dem Baum, um es in meinen Gürtel zu stecken. Ich spürte seinen Blick auf mir und im Augenwinkel sah ich, wie er mich musterte und meine Hand ansah. Ich wischte das Blut von meiner Hand und drehte ihm den Handrücken zu, um die Schnitte zu verbergen. Ich wollte wieder langsam bei ihm vorbei gehen, um ins Lager zu gehen, da hielt er mich an. „Chloe bitte, das kann nicht so weiter gehen", kam es von ihm und ich lauschte seiner Stimme. Ich bin ihm immer so weit aus dem Weg gegangen, dass ich kaum noch seine unverkennbare Stimme wahrnehmen konnte. Er hielt mich am Arm fest und drückte mich gegen den Baum hinter mir, als ich versuchte mich aus seinem Griff zu befreien. Ja er war stark, richtig stark, also ließ ich es einfach. Sagte aber nichts. Ich sah ihn nicht mal an, sondern hatte den Blick zu Boden gerichtet. Ich wollte nicht in seine haselnussbraunen Augen schauen. Ich wollte einfach nicht wissen was er fühlte. Zufriedenheit, weil er endlich Murphy beseitig hatte? Stolz, weil er mich verletzen konnte? Er war vielleicht sogar glücklich, dass ich ihm nicht mehr an der Backe hing, aber wieso war er dann hier und hielt mich fest? „Warum tust du dir weh?", fragte er leise und drehte vorsichtig meine Hand um, damit der die Handfläche sehen konnte. Lag da Sorge in seiner Stimme? Doch ich verdrängte den Gedanken. Warum ich mir wehtat? Er tat mir weh, er hatte mich so verletzt, nein, sogar noch mehr als nur das. „Du tust mir weh", kam es sehr leise aus meinem Mund. Meine Stimme war kratzig, ich hatte lange nicht mehr gesprochen, war auch kaum notwendig. Murphy war weg und all die Leute, die hier waren, hatten dazu beigetragen. Mit solchen Leuten wollte ich nicht reden. Er ließ die Hand los und hob damit mein Kinn, um mir in die Augen zu sehen. Kurz überlegte ich die Augen zu schließen, doch dann sah ich direkt in seine Augen. Sie waren immer noch so wunderschön, braun und warm. Nichts Derartiges lag in seinem Blick, kein Stolz und keine Zufriedenheit. Sorge. Sorge um mich. Seit Tagen hatte ich ihn nicht mehr angesehen, nicht mehr seine zerzausten Haare gesehen, welche ich so mochte. Bellamys Hände ließen mich ganz los und ich nahm mein Messer. Er trat einen Schritt zurück, um mir Freiheit zu lassen und sah das Messer an. Ich nahm das Messer in die rechte Hand und ignorierte das schwache Brenne, als die Schnitte aus das Leder trafen. „Was erwartest du jetzt von mir?", erkundigte ich mich leicht verzweifelt. Was dachte er? Dass ich ihn jetzt freudig umarmte und wieder sein Schatten war, der ihm überall hin folgte. „Ich hab nur das getan, was die Leute wollten", verteidigte sich Bellamy und ich zischte, „Sie würden mich sonst nicht akzeptieren!" Darum ging es ihm also, dass ihm alle akzeptierten. „Ich hab dir blind vertraut und dich als Anführer gesehen", kam es leise von mir und ich schüttelte den Kopf. „Du hast mich verletzt", erklärte ich ihm und hob das Messer auf Brusthöhe, er folgte mit seinen Augen der Bewegung. Bevor er irgendetwas sagen konnte, stach ich mir das Messer in die linke Hand. „Was tust du d...?", zischte Bellamy entsetzt und sah auf meine Hand. Das Messer schnitt gut, war ganz einfach durch meine Handfläche gedrungen und beim Handrücken wieder herausgekommen. Es brannte und schmerzte schrecklich, ich hatte einfach die Zähne zusammen gebissen. „Das ist im Vergleich zu dem, wie du mir wehtust", sagte ich leise, „Nichts." Ich bemerkte wie sich die Atmung von Bellamy verschnellerte, er versuchte sich zu beruhigen. „Was ich", kam es von ihm, doch ich drehte mich weg und zog das Messer heraus. Ich sah ihn nicht mehr an, als ich mich bei ihm vorbeidrängte, um die Tränen in meinen Augen zu verbergen. Nicht der Schmerz der Wunde sorgte dafür, sondern Bellamy, ich konnte ihm einfach nicht verzeihen, nicht nach all dem. Ich wollte die Hand vorsichtig bewegen, doch es schmerzte fürchterlich, also ließ ich es einfach und betrat das Lager. Die Mauer war aus massiven Holzstämmen und war stabil, außerdem gab es ein Tor, welches sich öffnen ließ. Ich überquerte einfach die Lagerlichtung und betrat die Raumkapsel, welche als Schlafplatz vieler diente. Niemand schlief, es war auch hellichter Tag. Ich bahnte mir den Weg durch die Schlafplätze und ignorierte die Blicke, der paar Leute, die herinen waren. Monty und Jasper waren herinnen und sahen mich an. „Was ist denn passiert?", erkundigte sich Monty etwas besorgt und sah auf meine Hand. Monty war ganz nett eigentlich. Er hatte die Arbeit liegen gelassen, er versuchte mithilfe der Armbänder eine Verbindung zur Ark herzustellen. „Nichts", blockte ich ab und riss ein Stück meiner Decke ab um es mir fest um die Hand zu wickeln. Dabei ignorierte ich einfach den Schmerz und befestigte es, indem ich es versuchte zusammen zu binden. Monty stand langsam auf und kam auf mich zu, langsam nahm er mir die beiden Enden des selbstgemachten Verbandes zusammen. Ich sah ihn an und nickte. „Danke", kam es leise aus mir heraus und ich drehte mich weg. Mit ihm hatte ich noch nie so viel geredet, obwohl es nur zwei Worte waren. Anscheinend hatte Jasper die Augen überdreht, denn Monty lachte leise, als er sich wieder seiner Aufgabe hingab. Mein Schlafplatz war ganz hinten in der Kapsel, eigentlich recht unvorteilhaft, ich konnte mich schwer rausschleichen, wobei es mir schon oft gelungen war, um einfach frische Luft zu schnappen. Dabei hatte ich nie das Lager verlassen. Dadurch, dass die linke Hand jetzt ziemlich wehtat, spürte ich den Schmerz auf der rechten Hand kaum noch. Ich sah auf meinen Schlafplatz, welcher am Boden direkt an der Mauer war. Direkt daneben war die Hängematte von Murphy aufgehängt, darin hatte er immer geschlafen. Doch sie hing nur noch an einem Ende, jemand hatte das andere abgeschnitten und die Hängematte auf die Seite gelegt. „Wer war das?", fragte ich laut, lauter als ich in den letzten Tagen je gesprochen hatte. Ich drehte mich um und sah die beiden an, sie schienen etwas verwirrt. „Was?", fragten sie nach, sie hatten nicht kapiert, dass ich die Hängematte meinte. Ich stieß einmal kurz die Luft aus. „Wer hat die Hängematte abgeschnitten?", zischte ich, weil ich schon wütend war, ich konnte mir vorstellen wer es war. Die beiden Nerds wechselten kurz einen Blick und Jasper antwortete dann: „Connor." Ich schnaubte, klar war es Connor, immerhin hatte er Murphy auch aufgehängt. „Ich bringe ihn um", stammelte ich vor mich hin und befestigte die Hängematte einfach erneut. Irgendwann würde ich ihn umbringen, er hatte es verdient. Beim Aufhängen der Matte, schmerzte meine Hand erneut und ich fluchte leise vor mich hin. Aber ich was selbst Schuld, jemanden zu vertrauen, dessen Vertrauen man nicht haben kann. Sobald sie hing, legte ich mich einfach hinein und schloss die Augen. Soll Connor nochmal versuchen die Hängematte abzuschneiden.

��B�!��-�p'

The 100 - ChloeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt