Alles war rotorange, alles schien als würde es brennen, als ich den Rand der Klippe erreichte wo er zuletzt war. Die Sonne ging gerade auf und färbte alles unnatürlich rot. Die Nacht über bin ich den ganzen Weg hier her gegangen, ich war nicht so sehr müde, aber ganz hell wach war ich auch nicht. Aber er war nicht hier, was nicht sehr überraschend war, immerhin waren schon einige Tage vergangen, daher war es unwahrscheinlich dass er noch hier rumlag. Langsam ging ich in die Hocke und betrachtete genau den Fleck an dem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Bitte lebe noch. Er konnte mich doch nicht mit all den Problemen alleine lassen. Murphy wusste doch wie sehr ich ihn brauchte, er war meine zweite Hälfte. Wie viel wir schon erlebt hatten und wie lange wir uns schon kannten. Ich glaub ich war damals zwölf Jahre alt gewesen und seitdem hatten wir so ziemlich jeden Scheiß gemeinsam gemacht. Ich grinste. Schon seit Tagen hatte ich nicht mehr gelächelt und er schaffte es selbst wenn er nicht hier war. Bewundernswertes Kerlchen. Ich vermisste ihn, wie er mich neckte und wie er mich so lieb nervte. Ich stieß die Luft aus und richtete mich wieder auf. Die Sonne färbte mein Haar leuchtend rot und auch meine Wunde an der Hand strahle richtig. Unübersehbar. War vielleicht nicht sehr vorteilhaft, weil man dadurch meine Schwäche sofort sehen konnte, aber ich hatte zurzeit andere Gedanken. Wo war Murphy? Bellamy hatte ihm verboten in die Nähe des Lagers zu kommen, das hieß, er würde es eher meiden. Aber an seiner Stelle würde ich trotzdem in bekanntem Gebiet bleiben, also auf der Strecke zwischen Lager und dieser Klippe. Bevor ich die steinerne Ebene wieder verließ, tappte ich vorsichtig zum Rand und sah hinunter. Hier war Charlotte gestorben, genau hier. In mir stiegen jedoch keine Gefühle für die Kleine auf, klar hatte ich irgendwie mütterliche Gefühle, weil sie so jung war. Aber Murphy war mir tausendmal wichtiger. Die felsige Wand endete im Wasser, wo noch einige massive Steine herausragten. Da war sie wahrscheinlich aufgeprallt, ein schneller Tod. Besser als zu verhungern. Erst jetzt merkte ich, dass langsam Hunger in mir aufstieg. Vorsichtig entfernte ich mich vom Ende der Klippe und ging wieder auf den Waldrand zu. Zum Glück trug ich den Gürtel mit meinen Messern daran, das hieß, ich war wenigstens bewaffnet. Mehr als Murphy hatte. Hoffentlich ging es ihm gut. Ja er war ein zäher Mann, aber auch er war nur ein Mensch und Menschen waren nicht unsterblich. Ich war gerade ähnlich wie Murphy unterwegs, alleine, ohne Plan wohin, nur nicht zum Lager. Ich wollte sie nicht sehen, nicht ohne Murphy, ich brauchte ihn. Warum hatte mich Bellamy so einfach gehen lassen? Eigentlich sollte ich ja froh sein, dass er mich nicht einfach ins Lager zurück geschliffen hat und mich eingesperrt hatte. Aber trotzdem, war es ihm so egal dass ich gehe? War er vielleicht sogar froh darüber? Nein, er musste wenigstens ein bisschen so fühlen wie ich. Das kann doch nicht auf Einseitigkeit beruhen, er hatte schon so oft wegen mir gelacht und es fühlte sich so leicht neben ihm an. Bellamy konnte doch das Ganze nicht einfach vorgespielt haben, was hätte das bezwecken sollen? Nein, nein er mochte mich auch. Um mich abzulenken, zog ich mein Messer und hielt es in der rechten Hand. Vielleicht fand ich etwas zu essen, das würde meinen knurrenden Magen beruhigen, gingen wir mal davon aus ich erwischte etwas. Wir war gar nicht aufgefallen wie viel Zeit vergangen waren, denn die Sonne stand schon hoch über mir und zwängte sich durch das Blätterdach des Waldes. Fraglich wäre es, wie ich nachher, wenn ich Murphy gefunden hatte, zum Lager zurück finden würde. Aber ich würde einfach dort hingehen, wo die Sonne aufging, denn bis jetzt war ich einfach direkt in die andere Richtung gegangen. Ich warf den Blick gen den Himmel und ließ die Sonnenstrahlen kurz mein Gesicht wärmen. Dann ging es weiter, ich setzte einfach leise einen Fuß vor den anderen und achtete darauf, auf keinen Ast zu steigen. Dabei verlangsamte sich meine Atmung, ich war vollkommen ruhig und lauschte der Umgebung. Zwar wusste ich nicht wie weit ich vom Lager entfernt war, aber es drangen keine einzigen Geräusche in meine Ohren. Bloß die Natur. Das Rauschen des Windes, das Zwitschern von Vögel und natürlich Grillen. Eine kleine Lichtung kam zum Vorschein und da waren wirklich Tiere. Ein Reh, es sah ganz normal aus und fraß Gras. Ich blieb im Schutz des Waldes und umrundete die Lichtung. Ganz leise. Als ich hinter dem Tier immer noch im Schatten der Bäume stand, sah es kurz auf. Doch es sah mich nicht, bemerkte nicht dass der Jäger hinter ihm stand. Ich nahm die Messerschneide in die Hand und hob die Hand, langsam und leise. Ich hatte noch nie gejagt, außer den Panther damals, aber das war Notwehr. Ich atmete leise und ganz langsam ein, dann wirbelte das Messer durch die Luft und bohrte sich in den Hals des Tieres. Ein schmerzerfüllter Schrei durchbrach die Stille und das Reh sprang auf. Es hüpfte in Richtung Wald, doch brach auf halben Weg zusammen und blieb hechelnd liegen. Langsam trat ich näher, das Reh schnappte keuchend nach Luft, doch bewirkte damit nur, dass noch mehr Blut aus seinem Hals drang. Ruhig ging ich neben dem Tier in die Hocke und flüsterte beruhigende Worte auf es ein. Ich mochte Tiere, sie waren einzigartig und wunderschön. Nach wenigen Sekunden mit dem Kampf um das Überleben, hob und senkte sich die Brust des braunen Geschöpfes nicht mehr. Die Augen waren starr und leblos. Immer noch fuhr ich langsam mit der Hand über das borstige Fell des Tieres. Auf der Ark gab es keine Tiere, daher war es umso bewundernswert welche zu treffen. Dennoch hatte ich Hunger. Wo Murphy wohl war? Und so waren meine Gedanken wieder dort, wo sie sein sollten, bei der Suche nach meinen besten Freund. Meine Hände umschlossen die Beine des Tieres und zerrten es zum Rand der Lichtung. Ein großer, stämmiger Baum bot mir Schatten und Schutz. Darunter ließ ich das Tier los und begann mit den Vorbereitungen. Am nächsten Tag würde ich weiter ziehen, erstmal brauchte ich eine Pause. Meine Beine schmerzten vom langen Gehen und ich war müde von der schlaflosen Nacht.
Es war schon von Anfang an klar gewesen, dass ich das Reh niemals ganz essen könnte. Ein kleines Feuer erhellte den Platz unter dem Baum, die Sonne war schon ganz untergegangen und über mir stand der Mond. Ich hatte nicht viel gegessen, wie auch? Es gab so vieles worüber ich nachdenken musste, so vieles, dass mir einen Grund gab nicht meine Zeit mit essen zu verschwenden. Lebte Murphy noch? Was würde ich tun wenn ich ihn tot finden würde? Nein, nein. Nein. Er war nicht tot, das würde er mir nicht antun können. John (Murphy) hatte mir versprochen wieder zu kommen und er brach mir gegenüber keine Versprechen, niemals. Außerdem war Murphy zäh, selbst wenn man wollte, würde man ihn nicht loswerden. Wieder lächelte ich leicht. Ja mein Johnny. Was alle gegen ihn hatten? Ja er war vielleicht manchmal etwas, naja, verrückt. Aber er war ein guter Mensch, er brauchte nur seine Zeit es zeigen zu können. Niemals hätte er das alles gewollt, auch er war ein Mensch, wie wir alle. Immerhin waren wir alle gleich, nur war jeder von seiner eigenen Vergangenheit gezeichnet. Das war immer schon so, man ist nur der, der aus einem gemacht wird. Würden sie ihn kennen, so kennen wie ich es tat, dann, dann würden sie sich alle schämen. Schämen für das was sie ihm angetan haben. Aber es wird eine Zeit kommen, da wird er zeigen können was er wirklich war. Murphy wird seinen Weg finden und ich werde ihm beistehen. Ich hätte ihn niemals gehen lassen dürfen, ich sollte jetzt an seiner Seite sein. Zu zweit gegen den Rest der Welt. Nicht jeder für sich, nicht bei uns beiden. Nicht wegen Bellamy, wegen niemanden. Niemand sollte das ändern können. Aber er hatte es getan und selbst nach all dem was geschehen war, bin ich nicht mit dem gegangen der mich brauchte, sondern mit dem, den ich liebte. Aber was bringt diese Liebe, wenn sie so einseitig ist? Wenn sie nur Schmerz mit sich bringt? Wie sollte ich so etwas wollen? Warum sollte ich all das Leid haben wollen, wenn es ohne geht? Aber ich konnte nicht ohne das leben, das mich am Leben hält. Wie sollte ein Mensch ohne sein Herz leben? Auch wenn es so schmerzte, es fühlte sich gut an, ich konnte nicht ohne seine Nähe. Seine Augen, seine Haare, sein Körper. Alles zog mich an, aber, wie sollte ich? Wie konnte ich glauben, dass er mich liebte? Bellamy hatte mich verletzt, mich zerbrochen und, und er ließ mich gehen. Er ließ mich einfach los und fallen. Einfach mit all dem alleine. Wie sollte ich ohne seine Hilfe all die Last tragen? Mein Blick wanderte langsam zu meiner linken Hand, die Wunde war schon wieder offen. Sie zeigte genau das was ich fühlte, Schmerz. Auch wenn er manchmal weg war, er konnte einfach immer wieder auftauchen und aufreißen. Mein Blick glitt auf das Feuer, es war schon fast erloschen, es glühte nur noch. Die Wärme drang nicht bis zu mir. Ich war kalt, innerlich und äußerlich. Vielleicht hatte ich es nicht verdient. Nie sollte mich jemand lieben. Nach all dem, nach all dem was ich getan habe. All den Schmerz den ich anderen angetan hab, alles kommt zurück. Doppelt und dreifach. Es ließ mich bluten. Einfach innerlich zerbrechen. Ich warf meinen Blick gen den Himmel. Wie viele Leute hatte ich enttäuscht? Meine Mutter, meinen Vater und meinen Bruder. Wie viele Leute hab ich verletzt? Nein, zu viele. Dort oben war irgendwo mein kleines Geschwisterchen. Und er wünschte sich nie geboren geworden zu sein. Nein, er wünschte ich wäre nie geboren worden. Dann wären sie noch am Leben. Seine Familie würde noch bei ihm sein. Josh hatte einfach keine Familie, ich zählte nicht zu seinem Leben. Er hasste mich, für das was ich für ihn getan hatte. Und ich hatte versagt, hab ihm das genommen was er noch hatte. Endlich riss mich etwas aus meinem Leid, eine Bewegung. Ich war auf dem untersten Ast des Baumes und starrte auf das tote Reh herab, welches ich übergelassen hatte. Es konnte sich nicht bewegt haben, also was dann. Ein weißes Geschöpf kam vorsichtig näher und betrachtete die Beute. Die Augen des Wolfes waren eisblau und rein, viel reiner als meine Seele. Ich atmete aus. Der Kopf des Tieres schoss nach oben und starrte mich neugierig an. Langsam ließ ich mich vom Baum gleiten und stand nur einige Meter von dem Räuber entfernt. Der Blick wurde schnell anders. Die Wölfin starrte mich herausfordernd an. Ich musste laut auflachen, wie frech das Tier war. „Wir haben viel gemeinsam meine Süße", kam es leise von mir und ich ging langsam in die Hocke. Das Reh lag nur Zentimeter vor mir und die Wölfin warf einen hungrigen Blick darauf. Sie war genauso wie ich. Alleine. Verloren. Suchte Hilfe. Der Schmerz verschwand, dieses Tier löste wundervolle Leere bei mir aus. Jemanden zu haben der so war wie man selbst. Jemand der dich verstand und dein Leid teilte. Nie hätte ich gedacht mich mit einem Tier so verbunden zu fühlen. „Nah hast du Hunger?", flüsterte ich leise und riss ein Stück des Tieres heraus. Vorsichtig warf ich es dem weißen Geschöpf vor die Pfoten. Die Augen waren zusammengekniffen und sie musterte das Fleisch vor ihren Füßen genau. Sie traute mir nicht. Genau wie ich selbst. Ich traute niemanden sofort, nicht einmal mir selbst. Langsam lehnte ich mich an den Baum und sah dem Tier beim Fressen zu. Sie musterte mich immer wieder misstrauisch. Wie sollte man mir auch trauen? Einer Killerin, einer lebenden Bombe. Ging sie einmal hoch, reißt sie alles mit, was in ihrer Nähe ist. Ich war schlimmer als Murphy. Er konnte seine Gefühle kontrollieren. Meine kontrollierten mich. Aber ich wurde zu dem gemacht was ich war. Ich konnte auch anders sein, ich konnte jemand anderes sein. Dazu brauchte ich einfach nur Zeit und jemand der mich liebte. Liebe war die Lösung. Bellamy war meine Lösung.
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The 100 - Chloe
FanfictionIch bin Chloe Reaven, 17 Jahre alt und eine der 100. Ich bin eine der Leute, die dazu bestimmt wurden die Erde, unsere Heimat, zu erkunden. Ob nun freiwillig oder nicht, ich bereue nichts. Aber ich hab nicht das erwartet was uns auf der Erde geschie...