Ich öffnete die Augen, es war hell, es musste jedoch noch ziemlich früh sein, denn die Luft war frisch. Außerdem lag ein roter Schleier in der Luft. Die Sonne war dabei aufzugehen. Mein Blick streifte über den Platz vor mir. Sie war weg, ich war wieder alleine. Was hatte ich auch erwartet? Dass die Wölfin blieb und mein Begleiter wurde? Ja vielleicht hatte ich das gehofft. Aber es war nun mal ein Wolf und kein Haustier, außerdem hatte ich sie ja bloß gefüttert. Keine Verbindung. Nichts. War ich gerade wirklich traurig weil dieses Tier weg war? Oh mein Gott, was ist nur los mit mir? Zum Glück konnte Murphy das jetzt nicht sehen. Was würde er denn denken? Ich lachte leise wegen mir. Diese Einsamkeit tat mir eindeutig nicht gut. Langsam erhob ich mich und schüttelte meinen Kopf. Mit der Zeit wurden meine Gedanken freier und ich konnte mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Mein Rücken schmerzte vom Lehnen an der harten Baumrinde, aber meine Beine waren locker und erholt. Also konnte es weitergehen. Schnell band ich mir meinen Waffengürtel mit den Messern dran um und streckte mich nochmals ausgiebig. Bevor ich weiter, weg vom Sonnenaufgang, ging, warf ich noch schnell einen Blick auf das Reh. Viel war nicht mehr über geblieben, aber ich hatte auch keinen Hunger. Vor allem nicht bei dem Anblick des Tieres. Es war ziemlich zerfetzt worden und nur das Fell, einige Knochen und ein paar Eingeweide waren über geblieben. Die Wölfin war ziemlich hungrig gewesen. Dann drehte ich mich um und stapfte weiter, ließ die Lichtung einfach hinter mir. Vor mir das Ungewisse. Was Bellamy wohl den anderen gesagt hatte? Oder war es niemanden aufgefallen, dass ich weg war? Ob mich jemand vermisste? Ein lautes Lachen ertönte. Als würde mich jemand vermissen. Wie sollte man mich vermissen? Ich war ja nicht gerade die liebenswürdigste Person. Vielleicht wäre ich gerne anders? Aber wie sollte das jemand wissen, niemand wusste wie es für mich war, was ich alles erlebt hatte. Ich wurde nicht so geboren, sondern zu dem gemacht was ich bin. Man lernte aus seinen Fehlern, meistens. War es ein Fehler jetzt nach ihm zu suchen? Murphy war immerhin mein bester Freund und wir waren immer füreinander da. Niemals würde jemand von uns den anderem im Stich lassen, also nein, es war kein Fehler. Auch wenn es sich falsch anfühlte ohne Bellamy. Plötzlich riss mich etwas um und der Boden unter mir verschwand. Ich wirbelte durch die Luft und blieb dann kopfüber hängen. Ich war benommen und schwankte hin und her. Etwa zwei Meter unter mir befand sich der Boden und ich hing mit dem Fuß in einer Schlaufe. Was zur Hölle? Mir rannte das Blut in den Kopf und langsam wurde mir schwarz vor Augen. Ruhig bleiben. Aber das war schwerer als man dachte. Mit aller Kraft zog ich mich hoch und umklammerte mit meiner rechten Hand die Schlinge, welche um mein Bein war. Meine linke Hand war ziemlich unbrauchbar, was seinen Nachteil hatte. Gerade als mir mein Blut wieder langsam in die Füße floss, rutschte meine Hand ab und ich fiel. Es schmerzte als ich wieder an meinem Fuß baumelte und ich bemerkte wie ich langsam mein Bewusstsein zu verlieren schien. Nein, nein bleib wach. Der Boden unter mir schwankte hin und her, daher konnte ich noch weniger ruhiger werden. Plötzlich löste sich das Seil und ich näherte mich dem Boden. Schützend richtete ich meine Arme vor dem Gesicht auf und konnte den Aufprall etwas dämpfen. Dennoch blieb mir die Luft weg und ich konnte mich nicht bewegen. Ich spürte jeden einzelnen Muskel in meinem Körper und vor allem meine Brust schmerzte. Ich war direkt am Brustkorb aufgeknallt und ich hatte mir vermutlich eine Rippe geprellt oder ähnliches. So gut es ging drehte ich mich auf den Rücken und starrte die Leute an, die mich bereit hatten. Oder eher gefangen hatten. Grounders. Sie waren groß und hatten ziemlich viele Muskeln. Alles schwankte und ich sah vieles doppelt, ich konnte nicht einschätzen wie viele es waren. Keuchend stieß ich die Luft aus und versuchte mich zu erheben, doch die Grounders kamen näher. Ich konnte beobachten wie sie einen Blick wechselten und sich zunickten. Der eine kam auf mich zu, er hatte eine Maske über dem Gesicht. Hastig robbte ich zurück und zog mich mit aller Kraft an einem Baum hoch. Taumelnd stand ich da und krallte mich benommen an der Baumrinde fest. Ich zog einmal tief die Luft ein und ich fühlte mich gleich besser. Doch beim Einatmen stach es in der Brust und ich zuckte kurz. Der Grounder holte zum Schlag aus und ich konnte mich gerade noch weg ducken. Seine Faust traf auf den Baum und ein wütendes Geräusch ertönte. Ich nutzte die Chance und zückte mein Messer. Geschickt stach ich es ihm ins Bein und drehte es einmal. Ein Schmerzensschrei ertönte und ich drehte mich um. So schnell es ging humpelte ich einfach davon. Bei jedem Schritt gab es mir einen Stich im rechten Bein, dennoch sprang ich weiter. Natürlich hörte ich die Schritte der Verfolger hinter mir, aber ich versuchte sie auszublenden um nicht zu abgelenkt zu sein. Nicht stolpern. Der Wald flog richtig an mir vorbei, hoffentlich hat der Stich ins Bein den Grounder verlangsamt. Dennoch waren es zwei gewesen. Ich taumelte, der Wald endete hier und eine Brücke kam ins Blickfeld. Erschöpft keuchte ich und zog immer mehr Luft ein, ohne auszuatmen. Gerade hatte ich die Brücke erreicht als ein Pfeil meinen Körper durchbohrte. Ich blieb stehen und griff mit der rechten Hand an meine linke Bauchhälfte. Eine Pfeilspitze ragte durch meinen Bauch hindurch und stand vorne heraus. Die Spitze war blutig und tropfte auf den Boden vor mir. Nun war es wirklich ganz so weit. Mein Blickfeld wurde schwarz und ich taumelte blind voran. Dann stieß mein Bein an einen Stein an und ich kippte darüber. Doch da war kein Boden, ich fiel von der Brücke. Ich knallte am Rücken auf und spürte wie der Pfeil dadurch weiter durch mich hindurch bohrte. Ich blieb regungslos liegen, die Luft blieb mir weg und ich konnte mich nicht nur einen Zentimeter rühren. Entweder ich war ohnmächtig oder tot.
Ich öffnete die Augen und starrte an die Decke meines Zimmers. Was war gerade passiert? Hatte ich das alles nur geträumt? Ich erhob mich und stand auf. Langsam tappte ich aus dem Zimmer, alles war so bekannt, alles war mein Zuhause. „Buuh!", kam es plötzlich von hinten und ich zuckte zusammen. Erschrocken wirbelte ich herum und starrte den Jungen an. Josh. Er war drei Köpfe kleiner als ich und blinzelte mich frech an. „Josh, wie oft hab ich dir schon gesagt du sollst deine Schwester nicht erschrecken!", kam es plötzlich von der Küche und der bekannte Kopf meiner Mutter sah um die Ecke. Der Zwölfjährige überdrehte bloß die Augen und kniff mich in die Wade. „Das haltet sie schon aus", kam es frech von meinem Bruder. Eine Träne bahnte sich seinen Weg über meine Wange. Wie sehr vermisste ich diesen Moment, diese Zeit als wir noch Geschwister waren. „Was ist denn los?", kam es plötzlich besorgt von Josh und ich wischte die Tränen lächelnd weg. „Du bist das beste was mir passiert ist", erklärte ich und ging neben ihm in die Hocke. Er grinste frech: „Weiß ich doch." Dann setzte ich mich und wir spielten gemeinsam. Wie viel würde ich jetzt dafür geben? Jetzt wo ich weiß dass alles anders kam. Dann hätte ich ihm viel öfters gesagt wie sehr ich ihn liebte. Doch jetzt ist es zu spät und ich musste mich einfach damit zufrieden geben, diesen Moment nochmal erleben zu dürfen. Ein letztes Mal seine große Schwester zu sein und nicht die, die seine Familie zerstört hatte.
Ich erwachte als die Sonne auf meine Haut schien, doch es roch nach Regen. Keuchend und vor Schmerz ganz steif, richtete ich mich auf und lehnte mich an die steinerne Wand. Ich sah gen den Himmel und sah nur die Brücke welche über mir aufragte. Sie musste ziemlich massiv sein, wenn sie den Atomkrieg ausgehalten hatte. Ich bewegte mich, versuchte aufzustehen, doch ein Stich ließ mich aufhören. Der Pfeil steckte immer noch tief in meiner Haut und ich zog ihn heraus. Eigentlich wäre es besser gewesen ihn drinnen zu lassen, aber ich konnte nicht. All die Konzentration, das Wissen und die Ruhe, waren weg. All das was mich auszeichnete, ich war nichts mehr. Nur eine Hülle. Selbst meine Wut, die Wut die mich seit dem Tod meiner Mutter begleitete, war weg. Ich fühlte die Leere und ich, ich genoss sie. Ein Moment, der nur wenige Herzschläge anhielt, ließ mich meine Vergangenheit vergessen. Nur für Sekunden, aber ich konnte einmal einatmen ohne die ganze Last die ich trug. Ich könnte jetzt einfach hier liegen bleiben, dann würde ich einschlafen und all die Last würde weg sein. Für immer. Ich könnte endlich meine Mutter wieder sehen und, und ich könnte frei sein. Frei von allem was mir Sorgen machte und mich verletzte. Aber nein. Nein ich könnte das niemals, niemals dem im Stich lassen, der mich kannte und trotzdem für mich da war. Murphy brauchte mich und zwar lebend. Ich streckte meine Hand aus und konnte mich an einem Felsen anklammern. Mit all der Kraft die ich aufbringen konnte zog ich mich auf die Beine. Wackelnd stand ich da und spürte wie eine Beine drohten unter mir nachzugeben. Murphy brauchte mich, damit ich ihm zeigen konnte, dass er ein guter Mensch war. Ich musste ihm den Weg zeigen. Ich atmete einmal tief ein und machte einen Schritt nach vorne, benommen, aber dennoch sicher. Sicher das zu finden, was ich suchte. Meine rechte Hand umklammerte meine Bauchwunde und meine Linke, die zeigte mir wofür ich kämpfte. Sie erinnerte mich was ich alles schon überlebt hatte und, und sie zeigte mir was ich gewinnen konnte. Wen ich gewinnen konnte.
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The 100 - Chloe
FanfictionIch bin Chloe Reaven, 17 Jahre alt und eine der 100. Ich bin eine der Leute, die dazu bestimmt wurden die Erde, unsere Heimat, zu erkunden. Ob nun freiwillig oder nicht, ich bereue nichts. Aber ich hab nicht das erwartet was uns auf der Erde geschie...