Wunschdenken.

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  Kapitel 1:

Es ist ein kaltes, aber dennoch gefühlvolles Wunschedenken. Ein Wunsch, der nie in Erfüllung gehen wird, der nie auch nur in die Nähe der Realität gelangen wird.
Doch jedes Mal wenn ich dich sehe, jedes Mal wenn ich an dich denke, versinke ich in der traurigen Realität, die mir die Augen öffnet, die mir zeigt, dass ich nur ein wandelnder Schatten der Trauer bin. Eine wandelnde Tote, die darauf hofft, eines Tages aus diesem Bann, diesem Fluch erlöst zu werden. Der Fluch, der bis zum Tod auf mir liegt, der davor nicht behoben werden kann. Er macht mich blind, lässt mich nichts mehr spüren. Zumindest denkt man das. Eigentlich ist er eher gedankenmanipulierend, lässt mich stetig das negative zuerst sehen. Er nimmt mir die Freude, den Spaß am Leben.

Und es wird nie wieder so sein, wie es einst war. Nie wieder werden wir gemeinsam stehen können. Nie wieder werde ich dich lächelnd umarmen können, denn meine Träume zerplatzten. Die Träume, die mich am Leben gehalten haben, die mir gesagt haben, dass es besser werden kann. Meine Träume, mein Wunschdenken. Die Narben, die du auf meiner Brust hinterlassen hast, rufen nach deinem Namen. Noch einmal wünschte ich mir, deine Lippen auf meinen spüren zu können, doch ich schätze es ist vorbei.

Ich versinke jeden Tag immer tiefer in dieser Trauer, während mein Wunsch nach der Freiheit, der absoluten Unendlichkeit, immer größer wird. Die Löcher in meinem Herzen werden zu einer lebenden Hölle, die Schmerzen sind unerträglich. Ich fühle mich existent, nicht lebend. Doch ist es überhaupt möglich, zu existieren, ohne zu leben? Meine Gedanken schweifen zu einem anderen Thema, dem Tod.

»Was erwartet mich eigentlich nach dem Tod?«

Früher hatte ich schreckliche Angst vor dem Tod, dachte, dass es nichts schlimmeres als das gäbe. Doch da hatte ich mich getäuscht. Es gibt keine Worte, die den Schmerz eines zerbrochenen Menschen, einer leeren Hülle ohne Hoffnung, beschreiben können. Keine Worte, die dieses stechende Gefühl in der Brust besänftigen können.

»Diese Menschen sind so zerbrechlich unzerbrechlich.«

Doch jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich diese endlose Leere in meinen tiefbraunen Augen, die Leere, die mit Verzweiflung an mir nagt, die mich dazu zwingt, die Hoffnung aufzugeben. Aufzugeben, das alles zu beenden. Doch da existiert noch eine weitere Frage. Darf man den Tod bewusst beschwören, darf man bewusst über den Tod einer selbst entscheiden?

Ich wandle wie eine Tote durch die Straßen, erlebe täglich das selbe, doch ich finde keine Motivation, um das Ganze zu ändern. Diese Motivationslosigkeit, diese Gleichgültigkeit, das sind die Sachen, die einen fertig machen. Doch wäre es feige, oder eher mutig, das ganze an einer Stelle zu beenden?

Ich stehe vor einem Abgrund, ein Abgrund, der kein Ende findet, ein Abgrund, der unendlich ist. Niemand steht neben mir, niemand hält mich fest. Zuvor standen wir noch zu zweit auf diesem Steg, der weit hinaus führte, hinaus auf das exorbitante Meer. Nun lässt du mich alleine, alleine vor einem Abgrund, der angsteinflössend, aber auch einladend wirkt, irgendwie. Sollte ich nun springen? Ich würde nie das Gefühl kennenlernen, wie es ist, wenn du mich im Arm hältst, deinen Kopf schräg auf meinen legst und mich sanft küsst, denn das alles ist und bleibt nur Wunschdenken. Ich starre in diese Tiefe, die wie ein schwarzes Loch wirkt, ein bizarres Loch, ohne Boden.

»Die Schatten verschlingen mich.«

Mir wurde klar, dass man im Leben etwas riskieren muss, um eines Tages ein Engel zu werden, ein Engel, der hoch empor fliegen kann. Ein Engel, der egal wie tief er fällt, von eigener Kraft wieder aus diesem Teufelskreis fliehen kann. Ich würde gerne ein Engel sein, doch dafür war ich zu schwach. Es ist menschlich, auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, doch was, wenn man niemanden hat? Wenn man niemanden besitzt, der einen hält, während man droht zu fallen?

»Wirst du mich auffangen, wenn ich falle? «

Letztendlich fällt man. Man fällt, und die Zeit läuft weiter, rast an einem vorbei, ohne dass man es mitbekommt, ohne dass man etwas dagegen unternehmen kann. Man fällt in eine unendliche Leere, eine Leere, die dich nicht entkommen lässt.»Wir vergessen wer wir sind, in einem Land ohne Entrinn'.«Ein Land, das uns festhält und nie wieder loslässt. Das uns einsperrt und unsere Gedanken manipuliert, verändert. Unser Körper wandert stetig, doch unsere Seele ist gefangen, sie ist ein Gefangener unserer selbst.

»Wonach strebst du?«

Eine gute Frage. Wonach strebe ich eigentlich? Ist es der Wunsch danach frei zu sein, der Wunsch endlich selbst über meine Aktionen bestimmen zu können? Der Wunsch des absoluten Friedens und der absoluten Harmonie? Ich weiß es nicht. Meine Gedanken sind zu verzerrt, zu verzerrt um etwas positives darin erkennen zu können.

»Das Ende.«

Bin ich schon bereit für das Ende? Der Abgrund, in dem ich mich bewege, den ich hinunter Falle, scheint mich in eine unendliche Dunkelheit zu ziehen. Die Schatten verschlingen mich.

»Das ist das Reich der Schatten und der verlorenen Seelen.«

Ein Schattenreich. Ein Reich, in dem eine verstreute Seele nach der Anderen umherstreift, ein Reich, dass vollkommen von dunklen Schatten besetzt ist. Kein Licht, kein Funke, allein die Dunkelheit ist der Herrscher dieses Reiches. Keine Hilfe, keine Hoffnung für die Seelen, die seit Jahrzehnten schon auf der Suche nach einem Ausweg sind. Der Abgrund, in dem ich falle, bringt mich in eine Welt, die sie so in der Realität nie geben würde. Ich falle, weil du mich nicht gehalten hast, weil du mich fallen gelassen hast. Hättest du bloß gewusst, wohin du mich bringst, hättest du mich dann trotzdem losgelassen? Wie sehr ich es mir doch wünsche, noch einmal deine Hand halten zu können, dein strahlendes Lächeln sehen zu können, welches mein Herz zum rasen bringen würde. Wir sehr ich es mir doch wünsche, noch einmal deine Wange zu streicheln, durch deine Haare zu gehen, dir zu sagen, dass ich dich liebe. Wir sehr ich mir doch dich wünsche.

»Das Licht.«

Und diese Mal ist am Ende des Tunnels kein Licht, kein willkommen-heißendes Licht, welches mich aufnehmen möchte, kein Licht, das mir entgegen strahlt. Ich spüre kein kribbelndes Gefühl auf meiner Haut, ich werde von keinen Lichtstrahlen geblendet, wenn ich meine Augen öffne. Vor mir breitet sich nichts anderes, als die bloße Dunkelheit aus. Mein Gesicht erblasst, meine Knie fangen an zu zittern.

»Wo bin ich hier?«

Stimmen erklingen, fremde Stimmen, bösartige und angsteinflößende Stimmen. Sie reden durcheinander, scheinen mich zu ignorieren. Ich scheine nichts anderes, als ein unwillkommener Gast zu sein. Selbst hier bin ich mich nicht willkommen. Ich spüre die Präsenz von jemandem, obwohl ich ihn nicht sehen kann. Die Präsenz einer Person, einer Person, die ich kenne. Ich öffne meine Augen. Vor mir ist eine schwarze Gestalt. Etwa auch ein Schatten? Langsam breitet sich ein gruseliges Grinsen auf seinem Gesicht aus . Er streckt seine Hand nach mir. Soll ich sie annehmen? Er wird mich nicht fallen lassen, ganz bestimmt nicht. Ich nehme seine Hand an und habe mit meinem Schicksal abgeschlossen. Ich weiß, was auf mich zukommt.

»Bevor wir nicht verstehen, was auf uns zukommt, werden wir nicht erkennen, was gerade passiert.«

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