Verlust über Gewinne?

21 2 0
                                    

(Kurz vorab: Das war ursprünglich mein Eintrag für den Schreibwettbewerb: Grüner Lorbeer zum Thema "Wieso erwachsen werden?". Doch leider bin ich nicht unter die ersten zehn Plätze gekommen, also veröffentliche ich es nun endlich auch hier.)

-

Wieso streben wir nach etwas, das von Anfang an die Voraussetzung von Verlusten festsetzt? Nach etwas, das uns leere Versprechungen einer Unabhängigkeit gibt, uns ein Bild von etwas so Verlockendem macht? Ständig reden sie von Freiheit, Selbstständigkeit, doch kann man so etwas Unerschöpfliches wirklich an ein Alter, eine Altersgrenze, binden? Wir erblinden bei der Vorstellung Gewinne zu machen, die sich vor allem materiell auszeichnen, doch das wirklich Wichtige dabei ist, was währenddessen in unserem Verstand passiert.

Wir reifen, wir faulen, wir blühen und verwelken wieder. Wir befinden uns in einem konstanten Status dieses Zyklus'. Während wir wertvolle Erfahrungen machen, die uns prägen, die unser Handeln und Denken beeinflussen, verlieren wir eine unserer wichtigsten Eigenschaften und Fähigkeiten - die Fantasie, die Sorglosigkeit in unserem Denken.

Je älter man wird, desto mehr wird man dazu erzogen, die Realität als einzige Möglichkeit in seinem Rahmen des Vorstellbaren zu sehen. Man sucht sich eine Ausrede und begründet diese mit dem Spektrum des Unvorstellbaren, welches die eigene Fantasie anscheinend voraussetzt. Dabei würden sich doch die meisten Erwachsenen wünschen, einmal wieder 'Kind' zu sein. Einen Tag lang wieder sorglos sein zu können und keine Angst davor haben zu müssen, wie man diesen Monat über die Runden kommt. Keine Verantwortung zu übernehmen und sich voll und ganz seinen Gedanken und Gedankengängen hinzugeben.

Und ich weiß nicht, was mich an dieser Vorstellung am meisten verschreckt. Immer früher drängt man uns schon in Richtung Zukunft zu gehen, ohne für die nötigen Mittel zu sorgen. Wie ein neugeborenes Küken, das von seiner Mutter alleine stehen gelassen wird. Und dadurch nimmt man uns einen Teil unserer Individualität, denn wir müssen uns an das geltende System anpassen. Seine Regeln zu brechen, auszubrechen und seinen eigenen Weg zu gehen, wird nicht toleriert, doch ist gleichzeitig unser Vorzeige-Bild. Wir sollen Ziele erreichen, doch wissen nicht einmal über die Grundlagen des steinigen Weges Bescheid. In der Schule bringen sie uns alles mögliche bei, doch die wirklich wichtigen Sachen für's Leben halten sie für selbstverständlich.

Ich für meinen Teil, habe Angst davor. Habe Angst vor der Zukunft, Angst davor den falschen Weg zu gehen. Erwachsen werden heißt reifen, Verantwortung zu übernehmen und immer mehr Druck stand halten zu können. Entscheidungen zu treffen und dabei auf Sachen zu verzichten, die wohlmöglich mein ganzes Leben hätten verändern oder beeinflussen können. Und ob diese Entscheidungen dann richtig waren, erfahre ich erst nebenbei im weiteren Verlauf meines Lebens. Es ist erschreckend, doch wir bleiben nicht für immer jung. Sich allerdings auf etwas festzusetzen verdirbt einem den Schritt in's 'neue Leben', also schwimme ich lieber ziellos auf das Unbekannte zu.

Die Jugend sei doch die schönste Zeit, hört man sie ständig predigen. Doch vermutlich haben sie Recht. Als junger Erwachsener wird man vor allem mit der Frage eines Selbst konfrontiert, der Frage, wer man ist. Es steigen die verrücktesten Ideen in einem auf, die man sich wagt auszuprobieren. Denn es ist besser, etwas bereits Geschehenes zu bereuen, als etwas, das nie geschehen ist. Man hat Möglichkeiten Erfahrungen zu machen, die uns helfen immer mehr Puzzle-Teile für die endgültige Antwort auf die Frage nach einem selbst zu sammeln. Natürlich stecken nicht nur schöne Erinnerungen dahinter. Die erste Trennung, der erste Liebeskummer, physische und vielleicht sogar psychische Probleme. Das alles ist Teil unserer Entwicklung, das alles hat einen Grund. Doch das, was uns widerfährt, macht uns nicht gleich zu einem anderen, oder schlechteren Menschen.

Trotz der Angst und den Verlusten, sollte man anstreben selbst im Erwachsenen-Alter ein lebenswertes Leben zu führen. Denn die Verantwortung, die wir tragen, kann uns dabei helfen, Großes zu bewirken und Sachen zu verändern. Wer würde schon als kleines Kind damit rechnen, später einmal amtierender Bundeskanzler zu werden, oder für eine "Revolution" in der Medizin zu sorgen? Jeder von uns ist hier, weil er die Chance bekommen hat, als einziger von millionen Individuen, etwas zu verändern und die Welt möglicherweise ein kleines Stück besser zu machen, selbst, wenn es nur für ein paar Personen und nicht gleich eine ganze Nation ist. Wir sind hier, um unsere Spuren zu hinterlassen.

Denn egal, wie widersprüchlich es auch klingen mag, erwachsen zu werden und an Reife zu gewinnen bedeutet nicht zwingend, dass man seine Fantasien und Träume vergessen oder gar aufgeben muss. Jedoch tritt genau diese Befürchtung häufig ein, da die Menschen versuchen ihr Lebens genauestens zu planen und kontrollieren, anstatt es einfach 'passieren zu lassen'. Somit enden sie als Gefangener ihrer selbst. Ein Sklave, der unter seinen eigenen Anweisungen leidet, weil er die Widersprüchlichkeit des Lebens nicht erkennen kann.

Wichtig ist es, seine Fähigkeiten zu behalten und später anwenden zu können, niemals aufzugeben, wenn etwas ausweglos erscheint. Denkt stets dran: Noch seid ihr jung, ihr müsst nicht wissen, wie euer komplettes späteres Leben aussehen soll. Macht euch keinen Druck, alles wird funktionieren, auch, wenn es etwas Zeit braucht.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 20, 2016 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

ThoughtsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt