Sinn.

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Überall wo wir hingehen, egal welchen Weg wir nehmen, an jeder Ecke spaltet er sich und führt uns Bilder von unterschiedlichen Möglichkeiten vor. Bringt und drängt uns dazu Entscheidungen zu treffen, die wohl möglich unser ganzes Leben hätten beeinflussen, vielleicht sogar verändern können. Zunächst ist es eine Frage der Perspektive, welchen Pfad wir als den für uns richtigen wählen, doch was, wenn jede einzelne Entscheidung, die wir treffen, so beabsichtigt ist? Wenn alles, was wir tun und somit auf dieser Welt hinterlassen, seine ganz eigenen Gründe hat?

Und was, wenn zwei Menschen ihr ganzes Leben miteinander verbunden sind, ohne etwas davon mitzubekommen? Wenn sie ständig voneinander getrennt, aber dennoch zueinander geführt werden - immer und immer wieder. Nennt man das dann Schicksal? Ist es dann beabsichtigt? Ich für meinen Teil bin verloren inmitten unheimlich vieler Theorien, verloren inmitten unterschiedlichster Aussagen, jedoch glaube ich standfest daran, dass alles auf dieser Welt nicht von irgendwo herkommt, nicht einfach so passiert. Denkt man einmal so, dass wir alles als individuelle Erfahrung mitnehmen und daraus lernen, bin ich der festen Überzeugung davon, dass selbst die negativsten Phasen im Leben, selbst die trostlosesten und regnerischen Zeiten, irgendwo ihren "Sinn" haben, irgendwo nötig sind, um uns wieder auf die positiven Zeiten vorzubereiten. Jeder Niederschlag bringt Regen mit sich, doch ohne genau diesen, gäbe es nichts, das sich der Sonne entgegenstrecken könnte. Keine Blumen und auch keine Früchte, nichts, das vorhanden wäre, um die Gunst des Sonnenscheins zu spüren. Wir müssen erst fallen, um zu lernen wieder aufzustehen. Müssen erst den Abgrund unter unseren Füßen sehen, spüren und ihn fürchten, um zu lernen, welchen Weg wir aus der Schlucht ergreifen können. Um zu begreifen, dass Trauer eine Voraussetzung für unsere Freude ist.

Doch was genau ist dieser "Sinn" eigentlich? Darf ich ihn so leichtfertig als Begriff verwenden? Ich bin verwirrt, erkenne nicht, welche Bedeutung er für mich hat. Sollte ich nach ihm streben, greifend und flehend nach ihm suchen, führt er mich bloß weiter auf den Weg des Abgrunds. Und dort verlässt er mich, hinterlässt mich voller Fragen, ohne mir eine einzelne Antwort zu nennen. Also weiß ich nun, dass ich ihn nicht finde, nicht erreichen werde, wenn ich zwingend auf ihn lauere. Ich bin sowohl verloren, als auch gefangen, doch genauso hat man mich bereits gefunden - für den Moment. Und ich werde warten, warten auf den Tag, an dem er sich mir offenbart. Bis er mir Antworten auf meine bereits gestellten und vielleicht schon längst vergangenen Fragen stellt. Bis dahin muss ich mich bemühen ihn nicht zu drängen und ihm seine Zeit zu lassen, denn er kommt dann, wenn er es für passend oder auch für richtig hält. Doch sobald er erscheint, mir seine Erklärungen offenbart, ergibt das bereits Geschehene plötzlich einen "Sinn". Und was damals keinen Zusammenhang ergab und völlig sinnlos schien, ist beinah schon unmittelbar die Logik selbst.

So erinnere ich mich an die Zeiten, in denen ich verzweifelt versuchte, einen Sinn für das Gegenwärtige zu finden. An die Zeiten, die mich mit mehr Fragen, als Antworten, alleine inmitten der exorbitanten Welt stehen ließen. Mein Inneres empörte sich, während ich mir versucht habe einzureden, dass wohl alles irgendwo Schicksal wäre. Doch je öfter ich das tat, desto mehr schenkte ich ihm Glauben. Dem Klang meiner zögernden Stimme beim Aussprechen dieser völlig unsinnig erscheinenden Worte. Der Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit meiner Aussage. Ich lernte dazu, lernte aus meinen Fehlern. Doch vor allem lehrte ich mich selbst, lehrte mir, dass nichts so ist, wie es scheint und niemand so ist, wie er sich nach außen hin gibt.

»Es reicht ein einziger Zweifel an seinem negativen Gedanken, um ihn ein Stück weit mit etwas Positivem zu füllen. Ein einziger Zweifel, um seine Stimmung für den Moment zu heben. Bloß ein einziger Zweifel jeden Tag«

Mit dem Blick auf die Zukunft gerichtet spüren viele Angst vor dem Heranwachsen und davor, selbst Verantwortung zu übernehmen und mit den Konsequenzen seiner Handlungen konfrontiert zu werden. Man erwartet von uns genaue Pläne, die sich über unser gesamtes späteres Leben erstrecken. Ziele, die wir uns gesetzt haben und die wir erreichen wollen. Doch wie sollen wir bereits Bescheid wissen, wenn wir nicht einmal den Sinn in der Funktion, der Existenz unseres Lebens, kennen? Der größte Konflikt besteht mit der Frage um einen Selbst, seiner eigene Identität. Wie sollen wir herausfinden, welcher Aufgabe nach wir unser ganzes Leben richten wollen, wenn wir unser eigenes Ich gar nicht wirklich kennen? Menschen ändern sich mit den zunehmenden Erfahrungen, die sie machen. Erfahrungen, die gewollt sind, um uns zu etwas Bestimmten in unserem Leben zu führen. Zwar scheinen wir die Wahl bei dem Treffen unserer Entscheidungen zu haben, jedoch führen uns diese letzten Endes immer zu einem weiteren Baustein, der einen Teil unseres steinigen Weges freimacht. Und wenn du das Gefühl hast bloß eine schlechte Entscheidung nach der anderen zu machen, liegt das nicht an dir. Nicht du bist Schuld. Man gab dir schlechte Karten und trotzdem hast du versucht das Beste daraus zu machen.

Der Gedanke daran, dass jeder Abschnitt in seinem Leben irgendwo gewollt ist, beruhigt mich. So muss ich gar nicht weiter nach einem möglichen Sinn suchen, für den es sich lohnen sollte zu Leben. Er ist immer da, wie ein unsichtbarer Begleiter, und manchmal, wenn man gut genug aufpasst, kann man einen Teil von ihm erhaschen. Es lauert überall ein Stück von ihm, wir sind bloß zu beschäftigt ihm Achtung zu schenken. Aber es steht fest, dass er uns nie verlassen wird. Egal, wie oft dich das Leben enttäuscht, betrügt, dich niederwirft und mit Händen und Füßen tritt und schlägt, so liebt es dich, denn es hat dir die Möglichkeit gegeben, etwas auf dieser Welt zu verändern. Sei es eine Änderung für wenige Personen oder gar eine ganze Nation, jeder hat seine Rolle auf dieser riesigen Leinwand, die das Leben auf dieser Erde als solches darstellt. Wir sind einzelne Pinselstriche und fügen wunderschöne Details unserem Meisterwerk hinzu, doch sobald einer dieser Striche fehlt, wirkt das Bild plötzlich nicht mehr komplett. Das Gleichgewicht wäre zerstört, bevor wir überhaupt für seine Sicherung sorgen konnten.

Sich intensiv mit der Frage nach dem Sinn zu beschäftigen ist an vielen Ecken wohl widersprüchlich, doch meine Interpretation sieht ihn als etwas Natürliches und ebenfalls stetig Vorhandenes an. Schicksal und Sinn zu erklären fällt zum einen einfach, doch gleichzeitig auch so schwer. Sie stehen in abhängigem Zusammenhang, während sie sich wiederum voneinander abstoßen. Doch Gegenteile haben sich letztendlich doch immer angezogen, oder nicht? Sie sind die Voraussetzung für ein einigermaßen gleichmäßiges Gleichgewicht.

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Ich weiß wirklich nicht, wie und warum dieser Text überhaupt um halb eins nachts entstanden ist. Eigentlich wollte ich mich an einer vollkommen anderen Art Geschichte versuchen und sie verfassen ( Eine Geschichte in Briefformat, inspiriert von @wunderdiekeinersieht ). Seht den Text einfach als Übung für mich, um nach einer unheimlich langen Pause wieder in's Schreiben reinzukommen! Wirklich zufrieden bin ich leider trotzdem nicht. Eure Meinung zu dem Thema würde mich dennoch brennend interessieren!

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