♢Kapitel 1♢

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♢Ruby♢

Verschlafen zwang ich mich dazu meine Augen zu öffnen. Neben mir leutete der Wecker auf den Nachttisch fröhlich vor sich hin. Wollte er mich verspotten? Es kam mir zumindestens so vor. Das Bett unter mir war so weich und kuschelig. Es hüllte mich zusammen mit der Decke vollkommen ein,!wie ein warmer Kokon. Ich wollte nicht aufstehen. Wieso musste ich auch? "Ruby steh auf!", schrie Tante Judy aus der Küche. Jeden Morgen das gleiche. Ein leises Seufzen fuhr über meine Lippen. "Ruby!", ertönte erneut Tante Judys Stimme. Damit hatte es sich mit dem weiterschlafen erledigt. Hatte die Frau nichts besseres zu tun? Genervt schob ich meine müden Gliedern aus den weichen Kokon, den ich Bett nannte. Müde blickte ich mich in meinem Zimmer um. Alles lag verstreut in meinem Zimmer. Ich hoffe ihr könnt euch denken, wie es dort aussah. Wenn nicht, euer Pech. Momentan habe ich keine Lust euch genauer von meinem Chaos zu erzählen, oder wie ich es nannte mein 'kreatives Kunstwerk'. Mein Blick wanderte herum bei der Suche nach einem süßen Kleid. Kurzerhand hatte ich eins neben meinem Schreibtisch entdeckt. "Nun beeile dich schon Ruby!", schrie meine Tante. Was trieb diese Frau bloß da unten?

Wenige Minuten später saß ich verschlafen unten am Esstisch und schaufelte nach und nach ein paar Pfannkuchen in mich hinein. Neben mir stand meine Tante und sah mich mürrisch an. Irgendetwas passte ihr nicht. "Was hast du bloß angezogen? Du weißt was heute für ein Tag ist!", knurrte sie. Was war heute nochmal für ein Tag? Verwirrt sah ich sie an. Ihr Blick verfinsterte sich schlagartig. Angestrengt versuchte ich mich zu erinnern. Doch ich schaffte es nicht. Ein erschöpftes Seufzen drang aus meiner Tante. "Heute kommt die Königsfamilie in die Stadt. Wie konntest du das vergessen?" Das war also los. Lustlos blickte ich auf meinen Teller hinab. Wie die Königsfamilie wohl war? Bisher hatte man immer nur Gutes über sie gehört. Doch das musste nichts heißen. Langsam ließ ich meine Gabel sinken und blickte meiner Tante in die Augen. "Was ist den Ruby? Wir haben keine Zeit! Du musst dich noch umziehen!", nörgelte sie entnervt. Schnell wandte ich meinen Blick wieder den leeren Teller zu. Momentan wollte ich noch ein wenig sitzen bleiben, bevor die Hölle los war. Jedoch bekam ich keine Zeit um weiter darüber nachzudenken. Kraftvoll packte meine Tante Judy meinen Arm und zog mich in Richtung meines Zimmers. Wollte sie mich wirklich umziehen? Schnell trippelte sie zu meinen Zimmer. Schwungvoll öffnete sie die Tür und schob mich ins Zimmer hinein. "Nun suchen wir dir etwas nettes heraus!", trällerte sie vergnügt. Kleider waren ihre Leidenschaft. Deswegen war ich nicht selten ihre Kleiderpuppe. Doch das machte mir nichts aus. Ganz im Gegenteil. Oft waren ihre schrillen Ideen für Kleider, die einzige Abwechslung in meinem Alltag. Ich genoss diese Zeit deswegen sehr. Während sie in meinen Zimmer versuchte meine Kleider zu finden, legte ich mich ins Bett und genoss noch einmal die Ruhe vor dem Sturm.

Nach nur kurzer Zeit hatte mich meine Tante herrausgeputzt. Sie hatte mir ein himmelblaues, knielanges Kleid mit weisen Punkten, zusammen mit einer weißen Strumpfhose und weißen Ballerinas herausgesucht. Mein widerspenstiges, scharlachrotes Haar hatte sie mir zu einem Dut hochgesteckt. In diesen Kleidern fühlte ich mich wie ein kleines Kind. Jedoch hatte ich zu große Angst ihr das zu sagen. Sie hätte mich in Stücke gerissen. Allein der Gedanke bereitete mir Angst. Momentan liefen wir zusammen am Marktplatz herum und suchten nette Blumen. Besser gesagt, meine Tante suchte nach Blumen und ich trabte lustlos hinterher. Während meine Tante wie ein junges Mädchen umherlief Tante, sah ich ihr wie eine Mutter zu. Ihr Kleid weitete sich, wie als würde sie tanzen. Leise kicherte ich in mich hinein. Das sah ihr so ähnlich. "Komm endlich her und sieh dir die schönen Blumen an Ruby!", rief meine Tante mir zu. Mit ihren breiten, kindischen Lächeln, fragte ich mich langsam, wer von uns beiden wie ein Kind aussah. Dennoch trabte ich gemütlich zu ihr. Freudig hielt sie mir einen Strauß roter Rosen entgegen. "Wie findest du die?", fragte sie voller Begeisterung. "Sie sehen wundervoll aus. Die Königsfamilie wird sie lieben." Um meine Überzeugung zu unterstreichen, lächelte ich sie noch einmal freundlich an. Ihre Augen begannen zu strahlen. "Dann nehmen wir diese.", rief Tante Judy der Verkäuferin zu. Die Verkäuferin war eine gute Freundin meiner Tante. Ihr Name war Jannette und die beiden kannten sich schon seit einer halben Ewigkeit. "Eine gute Wahl. Ich habe gehört die Königsfamilie liebt die Farbe rot. Sag einmal Judy, möchtest du Ruby eigentlich anmelden?" Behutsam nahm sie die Blumen entgegen, um sie noch einmal fester zusammenzubinden. "Nein! Sie soll es sich selbst aussuchen.", beschwichtigte Tante Judy. Ich fragte mich worüber die beiden plauderten. "Wenn du meinst. Vergiss aber nicht, dass Ruby bald achtzehn wird!" Achtzehn. Das war das verfluchte Alter in unserer Heimat. Wenn man bis dahin nicht verheiratet war. Man war der Meinung, dass junge, verheiratete Paare mehr Kinder hervorbrachten, welche man verwenden konnte. Denn sobald man achtzehn wurde musste man hinunter auf die Erde und am Krieg teilnehmen, bis man einundzwanzig war. Berichten zu folge sollte die Lage dort unten katastrophal sein. Doch keiner wusste genaueres. Seit über zwei Monaten war keiner mehr zurückgekehrt. Die Leute waren verängstigt. Wer konnte es ihnen auch übel nehmen? Ihre Kinder liefen unvorbereitet in den Krieg und kehrten nie wieder zurück. Das alles während sich der momentane Prinz einfach gemütlich zurücklehnen konnte, weil er im Palast blieb. Sein Leben war zu kostbar, für dieses Land hieß es. Falls ihr meine Meinung hören wollt, er sollte auch für sein Land kämpfen, so wie alle anderen auch. Doch er würde es nie tun. Ein kleiner Seufzer schlich sich über meine Lippen. Er war so leise das niemand ihn hörte, außer mir selbst. "Ich habe es ja verstanden Jannette. Mach dir keine Sorgen! Niemand nimmt mir Ruby weg! Das habe ich ihrer Mutter schließlich versprochen!" "Pass nur gut auf sie auf! Sie kann ganz schön rebellisch werden!", neckte Jannette uns beide. Wir alle brachen in schallendes Gelächter aus. "Wie dem auch sei, hier sind deine Blumen." Vorsichtig reichte Jannette meiner Tante den Blumenstrauß entgegen. "Danke! Wir sehen uns hoffentlich später!", verabschiedet sich meine Tante. Fröhlich winkte sie Jannette noch einmal zu, bevor sie energiegeladen weiter am Marktplatz herumwanderte. Was brauchte sie denn noch? Unbekümmert lief sie zwischen den Leuten hindurch. Langsam wurde es schwer sie im Auge zu behalten. Deswegen lief ich schnell zu meiner Tante und wich ihr nicht von der Seite, egal wie langweilig und gleichzeitig anstrengend dies war. Meine Tante erinnerte wirklich stark an ein unbekümmertes Kind. Neugierig lief sie von Stand zu Stand und betrachtete kurz die Waren. Danach war sie wieder verschwunden. Das war auch einer der Gründe, warum fast jeder am Marktplatz sie bereits kannte. "Komm herüber Ruby! Marta hat wunderschöne Halsketten im Angebot!" Ich hatte nicht gewusst, dass es so anstrengend war, meiner Tante hinterherzulaufen. Völlig außer Puste kam ich schließlich bei Martas Stand an. "Sie dir nur diese Halskette an Ruby!" Freudig hielt mir Tante Judy eine schlichte Kette mit einem einzelnen hellgrünen, tränenförmigen Stein hin. "Sie würde dir wunderbar stehen Ruby.", mischte sich Marta ein. Ich war nicht ganz sicher, ob sie das ehrlich meinte. "Da hat Marta ganz recht! Die Kette würde wunderbar mit deinen smaragdgrünen Augen aussehen.", pflichtete ihr Tante Judy bei. Jedoch war ich mir da nicht so sicher wie sie. Vorsichtig nahm ich die Kette von meiner Tante entgegen. Ihr strahlendes Lächeln wurde noch breiter. "Du kannst sie anprobieren, wenn du willst.", meldete sich Marta. "Ja, probiere sie an. Sie steht dir sicher hervorragend!" "Okay!", murmelte ich fast unverständlich. Geschickt legte ich mir die Kette um und sah in den Spiegel, den Marta hervorgeholt hatte. Durch die Kette, schienen meine Augen mehr zu strahlen, als vorher. "Sie steht dir wirklich ausgezeichnet Ruby!", trällerten die beiden im Chor. Mein Blick wanderte zu den beiden. Die strahlenden Lächeln, welche sie mir zuwarfen, waren ein wenig zu strahlend. Sie wirkten ein wenig gruselig. Ihre Lächeln schüchterten mich leicht ein. Ich traute mich nicht auch nur ein falsches Wort zu sagen. "Marta wir nehmen sie. Wie viel kostet sie?", trällerte mein Tante verschwärmt. "Für euch ist sie gratis. Nennt es ein kleines Geschenk. Ruby muss doch umwerfend aussehen, wenn der Prinz die Stadt besucht." Aus ihrem Mund drang ein kleines schwärmerisches Kichern. "Danke Marta!", bedankten wir uns zusammen. Jedoch war deutlich zu hören, wer von uns beiden sich mehr freute. Marta zwinkerte uns noch kurz zu, bevor wir weiter am Marktplatz umherwanderten. Kurzerhand schnappte sich Tante Judy meine Hand und zog mich weiter durch die Menschenmenge. Wohin wollte sie wohl diesmal? "Komm Ruby wir müssen noch Carls Stand besuchen!", befahl sie mir. Nervös blickte ich sie an. Mit meinem gesamten Körper versuchte ich ihr klarzumachen, dass es mir unangenehm war. Kurz gesagt, ich wollte nicht zu Carl. Jedoch vermied ich es, es ihr direkt zu sagen. Meine Tante hätte mich in Stücke gerissen, hätte ich es ihr gesagt. Sie mochte Carl sehr gerne. Immerzu schwärmte sie von ihn, wenn sie an meinen verstorbenen Onkel dachte. Tante Judy sagte immer, dass die beiden sich so ähnlich waren. Immer wenn ich das hörte, war ich recht froh ihn nie gekannt zu haben. Auch wenn das jetzt gemein klang. Mit Carl verstand ich mich einfach nicht. Er war bereits zweiundzwanzig und wir beide verstanden uns nicht sonderlich. Vor langer Zeit hatten wir uns kennengelernt, bevor er in den Krieg geschickt wurde. Bevor er in den Krieg gezogen war, war er ein netter, aufgeweckter und fürsorglicher Mann gewesen. Doch das hatte sich geändert. Seit er zurückgekehrt war, war er oft nur noch gemein und schlecht gelaunt. Dies hatte sich seit langem nicht gebessert. Einer der Gründe dafür war wohl, dass seit seiner Rückkehr immer weniger Leute zurückgekehrt waren. Oft hatte ich ihn sagen hören, dass das alles seine Schuld wäre, dass er länger an den Fronten hätte bleiben müssen. In diesen Momenten empfand ich nicht selten Mitleid. Jedoch gab es auch andere Momente, in denen er all seine Gefühle an mir ausließ. Für ihn war ich zum Boxsack geworden. Zum Glück ließ er aber seine Gefühle nur an mir aus und ließ alle anderen in Ruhe. Doch zu ihnen war er kälter geworden. Einmal hatte er sich so zugetrunken, dass er, als ich ihn besuchte, eine leere Flasche Wein nach mir warf. Nicht das ich nicht darauf vorbereitet gewesen wäre, doch trotzdem hatte es mir einen Schrecken eingejagt. Seit dem mied ich ihn immer mehr. Vorsichtig zog ich meine Hand zurück, um die Aufmerksamkeit meiner Tante zu erlangen. Diese reagierte sofort. "Was ist denn los Ruby?" Nun war meine Chance da. Ich warf ihr meinen traurigsten Blick zu. Sie ignorierte ihn kaltblütig und fragte erneut: "Was ist denn los Ruby?" Ihre Stimme war wieder zuckersüß geworden. Jedoch war sie so süß, dass es einen Angst einjagte. Fröhlich lächelte sie mich an. Ein Schauer fuhr über meinen Rücken. Nun brachte ich keinen Ton mehr heraus. Ich hatte gegen sie verloren. "Wenn es kein Problem gibt, dann lass uns weitergehen!", trällerte sie engelsgleich. Noch ein Schauer fuhr über meinen Rücken. Wie ein Kind drehte sich Tante Judy wieder nach vorne und erhöhte ihr Tempo. Ihre Hand hielt dabei meine ganz fest. So als glaubte sie, dass ich jede Sekunde wegrannte. Diese Frau war wirklich angsteinflößend. Am besten ausgedrückt, sie war ein Wolf im Schafspelz. Verängstig ließ ich mich von ihr durch die Straßen leiten.

Elfenwelt *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt