♢Kapitel 8♢

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♢Ruby♢

Mühselig hatte ich Alexanders Körper aus dem Brunnen gehievt. Seine Temperatur sank drastisch. Ich musste etwas dagegen tun. Nervös rieb ich meine zitternden Finger um Wärme zu erzeugen. Irgendwie musste ich ihn aufwärmen. Sein Brustkorb bewegte sich nicht. Sollte ich um Hilfe rufen? Schnell verdrängte ich diesen Gedanken. Niemand würde mich hören. Alle Leute würden entweder am Markt oder den Ufern sein. Jedoch musste es doch etwas geben, was ich tun konnte. Immer schneller rieben meine Finger aneinander. Panik hatte mich vollkommen eingenommen. Leicht ich den Geruch von Blumen war, welche an den Rändern der Straßen vereinzelt wuchsen. Die warme Sonne beschien meinen Körper, sowie Alexanders. Doch trotzdem froren wir bis auf die Knochen. Vorsichtig legte ich meine Finger auf seine Brust. Es war nicht genug Wärme. Was sollte ich tun? Behutsam legte ich mein Ohr auf seine Brust, um sicher zu gehen, dass sein Herz noch schlug. Kein Pochen. Immer mehr Panik wallte sich in mir auf. Blitzschnell hob ich meinen Kopf von seiner Brust. Tausende Gedanken streiften durch meinen Kopf. Keine von ihnen half. Schließlich entschied ich mich das zu tun, was man mir beigebracht hatte. Mit meinen Fingern tastend legte ich meine Hand an die Stelle seiner Brust, an der sein Herz liegen musste. Jetzt musste ich einfach durchhalten. Ohne weiter nachzudenken verlagerte ich so schnell wie möglich mein Gewicht auf seine Brust. Meine einzige Hoffnung für sein Überleben, war eine Herzmassage. Immer schneller hob ich mein Gewicht von seiner Brust, nur um wieder mit voller Wucht darauf zurückzudrücken. Es musste einfach funktionieren. Verzweiflung nahm alles in mir ein. Langsam ging mir der Atem aus. Meine Glieder begannen zu schmerzen.

Plötzlich wie aus dem nichts setzte sich Alexander auf. Ruckartig zog ich mich zurück. Was war hier los? Fast leblos hing sein Kopf herab. Seine Schultern waren schlaff. Hatte ich ihn wiederbelebt? Das konnte nicht sein! Niemand der wiederbelebt wurde, konnte sich so leicht aufsetzen. Geschockt saß ich auf meinen Hinter und wartete. Ich wartete auf irgendeine Reaktion von ihm. Seine jadefarbenen Augen sahen auf den Boden. Jeglicher Glanz war aus ihnen gewichen. Lebte Alexander wirklich? Jede Faser meines Körpers war angespannt. Gebannt blickte ich Alexander weiter an. Etwas stimmte hier nicht, sowie alles was mit Alexander zu tun hatte. Mein Körper zitterte wie Espenlaub. Ängstlich weiteten sich meine Augen. Was würde nun passieren? Alexanders Körper wirkte völlig entspannt. Sein Brustkorb bewegte sich nicht. Wie sollte er es auch? Ich musste ihn völlig zertrümmert haben. Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut wie ein Lauffeuer aus. Kaum merklich begannen Alexanders Augen sich zu mir zu drehen. Langsam jedoch unaufhaltsam. Innerlich wollte ich schreien. Er jagte mir Angst ein. Immer weiter wanderten seine jadefarbenen Augen. Sein Kopf bewegte sich keinen Millimeter. Wer oder was war Alexander? Ich wusste nicht mehr ob ich wegen der Kälte, welche sich in meinem Körper gebildet hatte oder wegen meiner Angst zitterte. Mein Körper wollte rennen, soweit wie möglich, weg von Alexander. Dennoch war er wie festgefroren. Nie hätte ich Alexander vertrauen dürfen! Einzelne seiner kohlenschwarzen Haare fielen im ins Gesicht. Meine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an. "Wo warst du den?", ertönte eine fremde Stimme hinter. Blitzschnell drehte ich mich um. Hinter mir stand ein junger Mann, welcher Alexander zum Verwechseln ähnlich sah. Ruhig sahen die eisblauen Augen des Fremden Alexander an. Seine schwarzen Haare fielen ihm in Wellen bis zu seinen Schultern. Er trug einen schwarzen Anzug, der wie perfekt saß. Einzelne seiner Muskeln wurden stark betont. Wer war diese Person? Verängstigt und neugierig zu gleich wendete ich meinen Blick von dem Fremden ab und blickte Alexander an. Seine Augen sahen uns emotionslos an. Was ging hier bloß vor sich? Kaum merklich öffnete sich sein Mund für eine Antwort. "Ist etwas passiert? Sonst hast du keinen Grund hier zu sein!" Keine seiner Gesichtszüge verzehrte sich, während er die Wort förmlich ausspuckte. "Die Pläne haben sich geändert. Mutter möchte, dass du früher aufhörst mit dem Volk zu spielen und dich endlich deinen Aufgaben widmest." Waren die beiden etwa Brüder? In mir tat sich eine schlechte Vorahnung auf, doch ich behielt sie für mich. Das durfte nicht wahr sein! "Es gibt keinen Grund dafür!" Alexanders Stimme war ein einziges Knurren. Etwas stimmte mit den beiden nicht. Sie schienen sich nicht leiden zu können. Waren sie nicht Brüder? In Alexanders Blick kehrte ein Leberschimmer zurück. "Deine liebe Beute möchte nicht reden, also brauchen wir dich." Nun war die Stimme des Fremdes ein einziges Knurren. Konnten sie sich etwa tatsächlich bis zum Abgrund nicht leiden? Ein spitzbübisches Grinsen erschien auf Alexanders Lippen. Seine Worte waren voller Hohn. "Soll das etwa heißen, dass ihr ohne mich zu schwach seid?" Leicht hob er sein Kinn. Knurren von dem Fremden war die Antwort. Alexanders Grinsen wurde breiter. Leichthändig setzte er sich gerade auf. Was war Alexander bloß? Ich hatte ihm den Brustkorb zertrümmert. Mein Körper zitterte wie Espenlaub. "Macht es ohne mich!" Entsetzt hielt ich die Luft an, genau wie der Fremde hinter mir. Jedoch aus einem anderen Grund. Alexanders Stimme war laut, sehr laut. Wie konnte jemand, der einen  zertrümmerten Brustkorb hatte, so laut schreien? Mächtig hallte seine Stimme in meinem Kopf wieder, fast schon königlich. "Was soll das heißen? Mutter hat freundlich nach dir gefragt. Könntest du dich endlich einmal deinem Stand nach benehmen?" Die Stimme des Fremden gab nicht nach. Er schien Übung in solchen Konversationen zu haben. Gebannt blickte ich zwischen den beiden hin und her. "Ruby hat sich bereiterklärt mich in der Stadt herumzuführen, also wirst du dich gedulden müssen!" Alexanders Stimme war eiskalt. Vernichtend blickte mich der Fremde an. Ein kalter Schauer fuhr über meinen Rücken. Das konnte doch nicht wahr sein! "Mach was du willst, aber komm bloß nicht heulend zurück, nachdem du diese Stadt gesehen hast!" Mit diesen Worten drehte sich der Fremde am Absatz um und verschwand zwischen den Häuserreihen. Ich war außerstande etwas anderes zu tun, als ihm nachzublicken. Fast bedrohlich hallten seine Schritte in den gespenstisch Leeren Straßen wieder. Ohne es zu merken hielt ich den Atem an. In was war ich bloß hineingeraten? 

Ohne es zu merken tauchte Alexander neben mir auf und reichte mir eine Hand. Seine Augen hatten die gleiche Fröhlichkeit wie vorher. Nichts ließ darauf vermuten, dass er beinahe gestorben wäre, außer seine durchnässten Kleider, welche ihm förmlich auf der Haut klebten. Ob ich es wollte oder nicht, er war kein gewöhnlicher Bewohner dieses Staates. Seine Hand missachtend rappelte ich mich auf und blickte ihm in die Augen. Überraschung war ihm ins Gesicht geschrieben. "Was ist los Ruby?" Auch wenn es wahrscheinlich nicht mit Absicht war, klang seine Stimme zu gewöhnlich. Zu friedlich. Meine Muskeln spannten sich an. Ich merkte wie mein Atem nur noch stockhaft zu vernehmen war. Sollte ich ihn fragen oder sollte ich einfach nur die Flucht ergreifen? Wie wild schrieen mich meine Instinkte an, dass ich laufen solle. Doch etwas hielt mich zurück. Meine Neugier. Hoffentlich wurde sie nicht zu meinem größten Problem. Fasziniert blickte ich in seine jadefarbenen Augen. Diese unschuldig wirkenden Augen, versagen ein so düsteres Geheimnis. Blieb nur die Frage, wie es lautete. Leicht ballten sich meine Hände abermals zu Fäusten. Es war definitiv nicht schlau bei ihm zu bleiben. Er hatte mir bisher nichts als ärger eingebracht. Fragend legte er den Kopf schief. "Ist etwas Ruby?" Als ob nichts los wäre. Innerlich hätte ich lachen können. Vielleicht merkte er selbst gar nicht, dass etwas ungewöhnliches in ihm vorging. Sofort schob ich diesen Gedanken beiseite. Das grenzte an das Unmögliche. Es gab niemanden, der einen zertrümmerten Brustkorb nicht bemerken würde. Nur für den Bruchteil einer Sekunde schloss ich meine Augen. Ich musste nachdenken. Die Zeit reichte ihm. Mit einem schnellen Ruck lag ich ihn seinen Armen. Vor Überraschung schaffte ich es nicht, mich in den ersten Bruchteilen von Sekunden zu sammeln, um mich zu wehren. Wieso? Bei Alexander war das wohl bei allem eine gute Frage. Geschickt legte ich meine Hände auf seine Brust und schob ihn von mir. Er war stärker als gedacht, aber das war ich auch. Oder hatte er seine ganze Kraft erst gar nicht verwendet? Sein Gesichtsausdruck war so überrascht, wie meiner, als er mich umarmt hatte. Jadefarbene Hundeaugen blickten mich an. Er war verletzt. Jedoch ließ ich mich davon nicht einwickeln. Neugier hin oder her. Langsam musste ich von hier weg. Plötzlich schossen sie mir durch den Kopf. Tante Judy würde schon auf mich warten. Wie hatte ich sie nur vergessen können? Sie würde mich in der Luft zerreißen, zusammen mit Carl. Ich musste zurück! Jetzt! Ohne ein weiteres Wort von mir zu geben drehte ich mich am Absatz um und begann durch die Straßen der Häuserreihen zu laufen. Der kalte Wind peitschte mir ins Gesicht und ließ mein nasses Kleid kälter werden. Nicht lange und ich würde frieren. Doch dafür hatte ich keine Zeit. Nicht wenn Tante Judy kurz davor war, mich zu ermorden. Bedauern kam in mir auf. Alexander hatte ich einfach stehen lassen. Schnell verbannte ich ihn aus meinen Gedanken. Er hatte sich, für einen Fremden, schon genug in meine Gedanken gebohrt. Auch wenn etwas in mir es nicht zugeben wollte, Alexander bedeutete nur Ärger.











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