♢Kapitel 2♢

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♢Ruby♢

Erschöpft kam ich bei Carls Stand an. Im selben Moment bereute ich es auch, dass ich hierher gekommen war. Seine smaragdgrünen Augen bohrten sich erneut durch mich hindurch. Ich fühlte mich ein wenig, wie ein kleines Lamm, welches man dem Wolf zum Fressen gab. Wieso war ich bloß hierher gekommen? Am liebsten wäre ich weiter gerannt. Dafür hatte ich aber keine Ausdauer mehr. Niedergeschlagen versuchte ich mir eine Ausweg auszudenken. Doch mir wollte keiner einfallen. Erschöpft schlürfte ich hinter den Stand. Wie sehr ich mich doch freute, dass Blicke nicht töten konnten. Noch immer lag sein Blick auf mir. Unwillkürlich begann ich mich unter seinem Blick zu winden. "Entschuldigung, ich würde gerne einen Honig kaufen!" Blitzschnell wandte Carl seinen Blick der Kundin zu. Erleichterung kam in mir auf. "Gerade noch rechtzeitig!", murmelte er genervt zu mir. Verwirrt blickte ich ihn an. Seine rechte Hand zeigte auf die Turmuhr. Mein Blick folgte seiner Hand unwillkürlich. Noch maximal dreizehn Minuten, dann wäre Tante Judy zurück. Er hatte tatsächlich große Angst vor Tante Judy. Kein Wunder, sie konnte wirklich furchteinflößend sein. Hatte ich wirklich so lange gebraucht? Vorsichtig blickte ich wieder zu Carl, welcher sich gerade von der Kundin verabschiedete. Sie war recht hübsch. Ihre schulterlangen, roten Haare betonten ihre bernsteinfarbenen Augen, während ihre Locken ihr Gesicht noch zart betonten. Schnell drehte sie sich um und verschwand in der großen Menschenmenge. Fasziniert blickte ich ihr hinterher. Sie war definitiv nicht normal. Ich sah ihr hinterher, bis ich sie nicht mehr in der Menge wiederfinden konnte. Kam es mir nur so vor, oder wurde die Menschenmenge immer größer? Carl räusperte sich laut und holte mich so aus meinen Gedanken. Nun lag sein Blick wieder auf mir. Ein kalter Schauer rann über meinen Rücken. Nervös blickte ich wieder zur der Menschenmenge. Doch ich spürte förmlich, wie sein Blick mich immer weiter durchlöcherte. Verlegen begann ich mit dem Saum meines hellblauen Kleides zu spielen. Konnte er nicht woanders hinsehen? Langsam gruben sich meine Hände in den weichen Stoff und wollten ihn nicht loslassen. Immer wieder wanderte mein Blick zu ihm und jedes Mal lag sein Blick noch immer auf mir.

Noch immer saß ich hinter Carls Stand und wartete auf Tante Judy. "Entschuldigung, sind Sie zufällig Fräulein Ruby?" Sowohl Carls als auch mein Blick huschten zu dem jungen Mädchen. Bei näheren Betrachten fiel mir auf, dass sie die Kundin war, welche vorher Honig gekauft hatte. Verwirrt blickte ich sie an. "Was möchten Sie von Ruby?", antwortete Carl statt mir. Sein Blick verriet, dass er mindestens genauso verwirrt war, wie ich. Kühl begutachtete das rothaarige Mädchen uns. Sie schien abzuschätzen, ob sie uns den Grund verraten sollte, oder nicht. "Mein junger Herr würde Sie gerne sprechen Fräulein Ruby." Ihre Stimme verriet nicht, was ihr Herr von mir wollte. Ein mulmiges Gefühl stieg in mir auf. Hier stimmte etwas nicht. Nervös blickte ich zu Carl. Auch er schien nicht zu wissen was los war. Was wollte dieser junge Herr von mir? Unbehaglich blickte ich das junge Mädchen an. Doch sie verzog keine Miene. Was ging hier bloß vor sich? "Ich würde Sie bitten mir zu folgen!", erklang erneut ihre kalte Stimme. Mein Unbehagen wuchs. "Wenn es keine Umstände bereitet, würde ich Ruby gerne begleiten!" Überrascht starrte ich Carl an. Hatte ich ihn gerade richtig verstanden? Carls Blick war wieder auf mich gerichtet. "Wie Sie wünschen. Könnten mir die Herrschaften nun bitte folgen?" Noch immer war mein Unbehagen noch nicht verschwunden. Doch ich folgte ihr schweigend. Carl ging dicht hinter mir her. Momentan wusste ich nicht wovor ich mich mehr fürchten musste. Den jungen Herr, welcher mich sehen wollte, oder Carl, welcher ganz dicht hinter mir herlief. Ein kleines bisschen Angst keimte in mir auf. "Wenn etwas passiert, vergiss nicht, dass du weißt, wie man sich verteidigt!", flüsterte mir Carl leise ins Ohr. Er hatte recht. Tante Judy hatte mich seit meiner Kindheit zu Selbstverteidigungskursen geschickt. Sie hoffte, dass ich so auf das Schlimmste vorbereitet war. Nun kam mir diese Sorge endlich zugute. Kaum merklich flüsterte ich Carl zu: "Danke!" Auch wenn wir uns nicht gut verstanden, hatte er auch seine guten Seiten. Vorsichtig schoben wir uns durch die Menschenmenge, immer darauf bedacht unsere Führerin nicht zu verlieren.

Elfenwelt *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt