Kapitel 6: Blasse Haut
Noch lange saß ich da, auf dem Sofa und grübelte. Vielleicht sollte ich Blake anrufen, der letzte Freund, der mir noch geblieben war. Mit leicht starrem Gesichtsausdruck erhon ich mich vom Sofa, schlenderte hinüber zum Festnetztelefon und wählte langsam die Nummer. Ich fühlte mich seltsam betäubt und ...ich hatte Angst. Angst um meinen Verstand.
"Ja?" Meldete sich eine tiefe Stimme.
"Ahm..Hi, ich-"
"Wer ist da?"
"Blake, ich bins. Ich wollte-"
"Verarscht. Du bist auf meiner Mailbox gelandet. Wenn du cool bist, ruf ich dich zurück. Wenn nich, dann nich."
Entnervt legte ich auf, musste jedoch wirklich leicht grinsen. Der gute alte Blake.
Da klingelte es plötzlich an meiner Haustüre, nicht zum zweiten Mal heute, erlitt ich fast einen Herzinfakt bei der Lautstärke. Zögernd lief ich zur Türe, machte vor ihr aber kurz halt.Verdammt, sei nicht so'n Angsthase.
Fuhr mich meine innere Stimme an, so drückte ich langsam die Klinke herunter und öffnete sie. Vor mir stand das Mädchen, das weiche, blonde Haar zur Seite gelegt und die Lippen leicht gespitzt. In ihren rehbraunen Augen lag ein dezent spöttischer Ausdruck. Nein, nein. Ich würde mich nicht weiterhin verängstigen lassen. Das war ein ganz normales Mädchen. Vor MEINEM Haus. Also räusperte ich mich, verengte die grauen Augen leicht und musterte sie.
"Ja?" Fragte ich schließlich und erhob eine Augenbraue.
"Jason Lahay?" Entgegnete sie fest, ihre Stimmlage überraschte mich ein wenig. Sie war vielleicht 17 - 18, eher klein und zierlich gebaut. Helles Haar warf sich um ihren schlanken Hals und bildete einen starken Kontrast zu den dunklen Augenbrauen samt Augen. Ich hatte sie wohl etwas zu lange angestarrt, denn sie wiederholte etwas genervt ihre Frage.
"Jason Lahey. Sind Sie das?"
"Ahm...ja. Ja, der bin ich."
"Gut, ich bitte sie mitzukommen."
Was bildete sie sich da ein? Hier aufkreuzen und mich wie ein Schoßhündchen behandeln? Nein. Wo war mein Selbstbewusstsein geblieben?
Ich beugte mich leicht vor und stellte befriedigt fest, dass ihre Pupillen sich kaum merklich weiteten.
"Und wer sagt das?" Antwortete ich mich gefährlich leiser Stimme und lächelte milde.
"Das geht Sie vorerst nichts an."
"Fassen wir zusammen. Sie tauchen hier auf und wollen mich -"
"Hören Sie", fuhr sie nun wirklich genervt fort,
"Es ist wichtig. Es geht um...um das...um den Vorfall gestern."
Ich stockte. Woher wusste sie davon? Herrje, das wurde ja immer verrückter.
"Woher wissen Sie davon?" Murmelte ich und konnte meine eigene Überraschung kaum verbergen.
"Erklären wir Ihnen später. Wir sind so etwas ähnliches...wie eine Polizei. Okay?"
So etwas ÄHNLICHES? Na prima. Eigentlich wäre ich niemals mitgegangen, wäre da nicht diese Dringlichkeit in ihrer Stimme. Die ehrlichen, braunen Augen. Zu schnell fasste ich Vertrauen...zu schnell.
"Also gut." Willigte ich nach kurzem Schweigen ein. Es würde schon nichts passieren. Jedenfalls nicht viel. Hoffte ich zumindest...
Das Mädchen lächelte erleichtert. als wir zum Auto gingen, ergriff sie als Erste wieder das Wort.
"Ich bin übrigens Liv."
"Jason.." gab ich zurück und betrachtete das kleine, schwarze Auto. Kein Logo oder sonst etwas...sollte ich ihr wirklich vertrauen? Und woher wusste sie, was gestern im Wald passiert war? Suchten sie diesen Angreifer etwa schon länger und wollten mich befragen?
Ich fasste Mut und stieg ein. Der Sitzt war bequem. Liv tat es mir gleich, steckte den Schlüssel ins Schloss und warf mir einen Seitenblick zu, als wüsste sie, was ich mich da die ganze Zeit fragte. "Keine Sorge, ihnen wird nichts geschehen. Ich musste das auch schonmal durchmachen.." sprach sie mit etwas wärmerer Stimme und ließ den Motor an. Wir fuhren die Einfahrt hinaus, die Straße herunter und hinein, in die regennasse Stadt. Hatten sie ein eigenes Polizeirevier? Auf einmal riss sie mich aus meinen Gedanken.
"Nun Jason...darf ich Sie dutzen?"
"Natürlich."
"Also..du bist ganz schön blass. Woher kommt das?" Das war wohl die Frage, die ich am wenigsten erwartet hatte, zugegeben: Sie erschreckte mich sogar selbst. Nicht ganz braun gebrannt - ja. Aber blass? Ich warf einen Blick in den Seitenspiegel und schluckte. Ich war tatsächlich kalkweiß. "Ja...ich eh...hab' schlecht geschlafen."
"Schlecht geschlafen?" War das Argwohn in ihrer Stimme?
"Ja."
"Verständlich." Fügte sie schnell hinzu und bog, für meinen Geschmack, etwas ZU hecktisch in eine Seitenstraße ein. Ich zog die Augenbrauen zusammen und warf einen Blick auf meine blasse Hand . Was machte sie daran so
nervös?
Liv parkte vor einem großen, zitronengelb und weiß gestrichenem Haus mit prächtiger Veranda.
"Wir sind da." Ihre Stimme klang nun wieder fest und klar.
"Das?"
"Was 'Das'."
Gab sie schnippisch zurück.
"Ist es das?"
Sie schwieg und grinste auf einmal.
"Polizeirevier mit 20 Wagen erwartet, hm?" Fuhr sie mich an und stolzierte einfach an mir vorbei.
Wow. Die hatte vielleicht Temperament. Ich schlug die Autotür zu und folgte ihr bis zur Haustüre.
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Fantasy"Irgendwann kommt der Moment, in dem du alles verlieren wirst. Alles was dir lieb war. Ja alles, was du aus reinem Herzen geliebt hast. Vertrieben von den Schatten deiner selbst. Rennend, ohne sich umzudrehen, gebannt in seltsam wirkender, träumende...