Alles okay?

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PoV Makoto

Was ist Haru?
Auf die Frage würden die meisten wohl mit 'Er ist ein emotionsloses Stück Zement' antworten. Aber... das stimmt nicht ganz. Natürlich ist das in den meisten Fällen der erste Eindruck, der einem von ihm vermittelt wird. Aber wer ihn besser kennt, weiß, dass man hinter die Fassade blicken muss. Hinter dieser wuseln allerlei Gefühle und Emotionen umher, die er nur nicht offen zeigen will. Doch wenn er tatsächlich einmal lächeln sollte oder irgendeine andere Regung von Gefühlen zeigt, dann kann man sich sicher sein, dass es zu 100% echte Emotionen sind und diese niemals gefaked oder vorgetäuscht sind.

Wieso philosophiere ich überhaupt über ihn? Ich weiß es selbst nicht. Aber es ist wohl verständlich, dass man in einer sehr langweiligen Mathe-Stunde in der Schule alles erdenkliche macht, außer wirklich aufzupassen. Vor allem, wenn man, wie ich, schon längst verstanden hat, worum es geht, und der Lehrer dennoch nicht aufhört, alles fünfhundert mal zu erklären, bis es auch der Letzte versteht. Ich sitze also in der Schule und starre Löcher in die Luft, während ich über verschiedene Dinge philosophiere. Wow. Fast wie Haru. Nur, dass das bei ihm ein Dauerzustand ist. Außer wenn er im Wasser ist.

Was rede ich überhaupt? Ich fang ja schon wieder damit an. Schluss jetzt damit.

Mein Blick geht zur Uhr neben der Tafel. In zwei Minuten ist Schulschluss, danach noch Schwimm-Training. Der Teil des Tages, auf den ich mich wirklich freue. Es ist schon ziemlich warm draußen, weshalb wir auch schon in unserem Schwimmbecken trainieren können, ohne 'nen Schnupfen zu riskieren.

Endlich – Das erlösende Klingeln! Sofort geht mein Blick zu Haru, welcher abwesend und scheinbar in Gedanken versunken aus dem Fenster blickt. „Haru? Kommst du?", sage ich, während ich mein Schulzeug in den Rucksack packe und aufstehe. Eigentlich ist es ziemlich ungewöhnlich für ihn, nach dem Klingeln noch so drauf zu sein. Immerhin ist er es ja, der das Schwimmen so liebt. Und da er noch immer keine Regung zeigt, tippe ich ihm auf die Schulter. Sofort wird er auf mich aufmerksam und ich muss unweigerlich lächeln. „Training, Haru! Beeil dich mal, wir kommen noch zu spät." Alles, was ich als Antwort bekam, war ein Nicken. Ich vermochte zwar im Regelfall hinter die Fassade blicken zu können – immerhin war ich seit Ewigkeiten sein bester Freund – doch wenn er nicht wollte, dass jemand sieht, wie es ihm wirklich geht, dann war er immer ein Meister darin, jedes Gefühl zu verstecken. Zugegeben, es ist nicht immer leicht zu sehen, wie es ihm wirklich geht. Aber wenn er es dann auch noch versteckt, dann ist es quasi unmöglich.

„Sag mal.. geht's dir gut?", frage ich mit leicht besorgtem Unterton, als er aufstehen will, gleich danach aber in den Stuhl zurückfällt. Wieder nur ein Nicken. Auf die nicht allzu große Antwort zeige ich mich nicht enttäuscht. Ich weiß, dass er nicht so gern redet. Also werde ich ihn auch ganz bestimmt nicht dazu drängen. Und wenn es ihm wirklich nicht gut gehen würde, dann würde er es doch zugeben, oder?

Nein, das würde er natürlich nicht. Er ist Haru. Und bevor er zugibt dass es ihm nicht gut, ja, vielleicht sogar miserabel geht, muss man ihn etwa hundert mal Fragen, ob wirklich alles im Lot ist. Manchmal kann das auf meiner Seite zu 'nem richtigen Haareraufen werden, dann nämlich, wenn ich genau weiß, dass es ihm nicht gut geht, er es aber einfach nicht einsehen will. So sehr bemuttern sollte ich ihn aber wahrscheinlich auch nicht. Vielleicht nerve ich ihn auch einfach nur und er antwortet deshalb nur mit einem Nicken. Viel zu viele Sorgen schwirren schon wieder in meinem Hirn umher. Ich schüttle meinen Kopf, um wieder klare Gedanken fassen zu können.

Und ehe ich mich versehe, steht Haru auch schon bei der Tür und wartet darauf, dass ICH endlich komme. Wir tragen unser Schulzeug noch zu den Spinden und ich nehme das sich in einem anderen Rucksack befindende Schwimmzeug. Da fällt mir was auf. Haru hatte schon den ganzen Tag fast kein einziges Wort gesagt. Jedenfalls nicht zu mir. Auch heute morgen nicht, als ich ihn wie jeden Tag zuhause abgeholt habe, um mit ihm zur Schule zu gehen. Hab ich wirklich was falsches gemacht? Ich hoffe doch nicht. Vielleicht sollte ich ihn fragen, wenn wir nach dem Training heim gehen? Wieso eigentlich nicht. Ich werde einfach so lange auf ihn einreden, bis er mir die Wahrheit sagt.

Jetzt wird aber erst mal trainiert!


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