Mehr Fragen als Antworten

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PoV Makoto

Nach dem Training. Haru und ich spazieren wir jeden Tag die Straße neben dem Strand entlang, auf dem Weg nach Hause. Es ist also an der Zeit, meinen Plan auszuführen und ihn damit zu konfrontieren, wieso er sich so komisch verhält. Es ist allerdings so eine Sache mit dem Konfrontieren. Entweder endet es gut oder schlecht, er ist danach verärgert oder man bekommt die Erklärung, nach der man sucht. Ich gehe damit also ein gewisses Risiko ein, dass er danach nur genervt und wütend von dannen ziehen wird, sich vielleicht nicht mal von mir verabschieden wird und ich alles nur schlimmer gemacht habe. Zu einem etwa gleichen Prozentsatz könnte das Ganze allerdings auch gut ausgehen, was ich natürlich sehr hoffe. Dann würde er mit der Wahrheit rausrücken und ich könnte mir endlich erklären, was vor sich geht.

Denn eins scheint sicher: Er benimmt sich alles andere als normal. Nicht mal beim Schwimmen schien er er selbst zu sein. Er wirkte verklemmt, obwohl er das Wasser doch sonst so liebt.

Wenn ich weiter nur blöd in der Gegend herumschaue und nichts sage, werde ich aber um exakt null Infos reicher. Also bleibt mir nichts übrig, als endlich meinen Mund aufzumachen.

„Sag mal, Haru.. wieso bist du heute denn so schweigsam?", ich unterstreiche meine Frage mit einem Lächeln, immerhin will ich ihn auch nicht in die Enge treiben.. oder so. Seine Antwort ist, wie es zu erwarten war, sehr minimal, „Weil ich nicht reden will." Okay, jetzt hatte ich langsam genug. Ich merke doch ganz genau, dass da was nicht in Ordnung ist. „Ist wirklich alles okay? Du wirktest vorhin so abwesend und selbst beim Training warst du nicht du selbst." Darauf jetzt doch eine etwas längere Erklärung zu bekommen, hätte ich auch nicht erwartet.

„Hör zu", begann er mit monotoner Tonlage, ohne mich dabei anzusehen, „Es gibt Dinge, die kann ich mir selbst nicht erklären. Jedenfalls noch nicht. Ich fühle mich einfach ziemlich komisch in letzter Zeit, habe aber noch nicht ganz herausfinden können, was es genau ist. Wahrscheinlich ist nur wieder ein Schnupfen oder ähnliches im Anmarsch. Also hör auf, dir Sorgen zu machen. Es ist nichts, das dich betrifft."

Das brachte mich erst mal zum Grübeln. Habe ich Haru je so lange am Stück reden gehört? Nicht, dass ich mich erinnern könnte. Aber nun zu meiner wirklichen Reaktion. „Okay. Dann ist ja scheinbar alles gut.", natürlich war das gelogen. Gar nichts war gut. Ich würde ihn wahrscheinlich so lange nerven, bis er endlich weiß, was los ist, und es mir erzählt. Aber dazu müsste ich ihn wohl zwingen. Eine Sache, die ich lieber nicht mache. Also wird mir nichts anderes übrig bleiben, als meine Klappe zu halten und einfach abzuwarten. Das Thema einfach gar nicht mehr ansprechen ist wahrscheinlich das beste, was ich jetzt machen kann.

Ehe ich mich versehe, sind wir auch schon bei mir Zuhause angekommen. Haru hatte noch ein Stückchen zu gehen, aber es waren höchstens zwei Minuten bis zu sich nach Hause. Ich verabschiedete mich also von ihm und betrat die heimischen vier Wände, in denen ich bei der Begrüßung schon fast umgeworfen wurde. Ganz richtig. Damit meine ich Ren und Ran, meine kleinen Geschwister.


PoV Haruka

Ich hasse dieses Gefühl.

Welches Gefühl? Na, dieses unangenehme Gefühl, zu wissen, dass man schon bald krank wird. Andererseits.. nein. Das ist es nicht. Wenn ich krank werden würde, dann wüsste ich es ja. Also muss es doch etwas anderes sein.

Ich hab aufgehört zu zählen, wie viele Male ich nun schon abends in der Wanne lag, darüber nachdenkend, was mit mir los ist. Jetzt liege ich schon wieder hier im warmen Wasser. Und scheinbar bin ich nicht der einzige, der merkt, dass mit mir was nicht stimmt. Makoto hat es auch schon bemerkt. Das ist aber auch nicht weiter verwunderlich. Er ist Makoto. Natürlich ist er der erste, der merkt, wenn es mir nicht sonderlich gut geht oder ich mich komisch verhalte. Dass er immer so um mich besorgt ist.. nun ja. Er ist mein bester Freund und will wahrscheinlich nur, dass es mir gut geht. Ich wiederum will ihm mit meinen Problemen nicht auf die Nerven gehen, weswegen ich bis zur allerletzten Sekunde warte, um dann erst zu sagen, was wirklich los ist.

Aber zurück zum jetzigen Problem.

Welches gerade komischerweise nicht mehr da ist. Ich fühle mich wieder ganz normal. Wie immer eben. Mal nachdenken. Wann genau tauchen diese, ich nenne sie mal, 'Krankheitserscheinungen' auf? Beginnen wir morgens. Wenn ich aufwache scheinen sie noch nicht da zu sein. Auch beim Frühstücken verläuft alles normal. Wann tauchen sie zum ersten Mal im Tagesverlauf auf? Genau! Auf dem Weg zur Schule! Könnte das heißen, dass ich womöglich eine Pollenallergie habe? Nein, das ist wohl eher unwahrscheinlich. Neben dem Schwimmbecken sind Kirschbäume, und die machen mir auch nichts aus. Na, auch egal. Weiter geht's. In der Schule vergehen sie manchmal, aber nur, wenn ich ganz tief in Gedanken versunken bin. Sonst bleiben sie immer im Hintergrund irgendwie bestehen. Nach der Schule ist Training. Dann sind sie immer konstant da und lassen sich quasi nur sehr schwer ausblenden. Beim Heimgehen noch mindestens genauso sehr. Doch sobald ich Zuhause ankomme, ist alles wieder ganz normal. Als wären die Krankheitserscheinungen einfach.. puff!.. weg!

Komisch.

Als nächstes würde der Sherlock wahrscheinlich einen Zusammenhang finden müssen. Ist aber in diesem Fall echt kompliziert. Was haben denn die Orte, an denen es mir so 'komisch' geht, gemeinsam? Da ich es auch im Schulhaus habe, hat es wohl nichts damit zu tun, dass es sonst nur draußen ist. Nachdenken. Ich muss noch stärker nachdenken. Mir fällt einfach nichts ein, das die ganzen Indizien miteinander verbindet.. Zum Haareraufen ist das.

Doch plötzlich trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag.

Vielleicht ist es nicht eine Eigenschaft, welche gleich sein muss. Sondern etwas anderes.

Nämlich eine Person.

Wenn ich morgens zur Schule gehe, wer ist da dabei? Makoto.

Mit wem gehe ich in dieselbe Klasse und sitze auch noch neben ihm? Makoto.

Wer ist auch beim Training immer dabei? Makoto.

Mit wem gehe ich tagtäglich von der Schule nach Hause? Makoto.

Aha. Ich hab also eine 'Makoto-Allergie'. Kann man das überhaupt so nennen? Ich seufze. Viel zu viel Verwirrung befindet sich in meinem Kopf.

Aber was ist das? Dieses Gefühl, das sich wie Symptome einer Krankheit anfühlt? Und wieso ist ausgerechnet mein bester Freund dessen Auslöser?

So viele Fragen. Zu viele für meinen Geschmack. Aber deren Beantwortung wird kompliziert. Obwohl – so schwer muss es nicht sein. Ich werde es morgen einfach in einem gnadenlosen Selbstversuch testen. Ich will herausfinden, wann genau das Gefühl auftaucht, abschwächt und wieder ganz verschwindet. Mit etwas Glück kann ich mir also morgen Abend bereits einen Reim drauf machen. Hört sich doch nach einem Plan an.


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