2. Kapitel

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"Un momento! Señorita!" Ein junger Spanier steckte seinen Kopf durch das heruntergelassene Fenster und grinste mich an. Oh nein, nicht schon wieder! Seit wir in Barcelona angekommen waren, vergingen keine fünf Minuten, in der nicht irgendein ärmlich aussehender Jugendlicher, mit Eimer und einem Lappen bewaffnet, neben unserem Wagen auftauchte und uns die bereits blitzsaubere Windschutzscheibe putzen wollte.
"Oh nein, vielen Dank! No!", entgegnete ich bemüht freundlich und versuchte ihn mit einer ziemlich eindeutigen Handbewegung davon zu scheuchen. Doch wie das Dutzend Jungs davor auch, hörte er natürlich nicht und fing an mit seinem Lappen unsichtbaren Dreck von der Scheibe zu wischen. Ich stöhnte und ließ meine Stirn auf das Lenkrad sinken. Nun waren wir endlich in Barcelona angekommen - und kamen trotzdem nicht weiter. Es ging nur im Schritttempo voran und wenn ich es nicht schon aus italienischen Städten so kennen würde, wäre ich mit meinen Nerven längst am Ende.
Endlich machte der Bus vor uns Anstalten, ein paar Meter weiter zu tuckeln. Ich warf dem Spanier eine Münze zu und trat leicht aufs Gas, nebenbei griff ich nach meiner Tasche und fummelte eine zerdrückte Schachtel rote Gauloises hervor und steckte mir eine zwischen die Lippen. Zwar verlangte mein Magen nach mehr als nur dem giftigen Qualm einer Zigarette, aber auf das zähe Trockenfleisch hatte ich nun wirklich keine Lust. Ich sog den Rauch ein und sah hinüber zu Mingo, dessen Kopf nach vorne auf die Brust gekippt war. Er schlief seit Stunden wie ein Baby - aber natürlich würde er später wieder behaupten, es waren höchstens ein paar Minuten gewesen. Der Verkehrslärm draußen und das spanische Gedudel aus dem Radio schien ihn keinesfalls von seinem Schlaf abhalten zu können.
Vorsichtig nahm ich ihm den Stadtplan aus der Hand und schlug ihn auf. Laut diesem mussten wir uns immer noch auf der Avinguda Diagonal befinden, die sich durch mehrere Stadtteile zog. Wir waren also auf dem richtigen Weg. Ich seufzte erleichtert auf, legte den Plan zurück und nahm noch einen Zug von meiner Zigarette. Mitten durch den Verkehrslärm brüllte jemand herum. Ich blies den Rauch aus und sah aus dem Augenwinkel eine Bewegung links neben mir.
"He!" Ein Mann mit einem schwarzen Schnauzer fuchtelte mit seinem Arm aus dem Fenster seines verrosteten Jeeps und ich bemerkte, dass der Bus schon ein ganzes Stück weiter vor mir war. Ich trat aufs Gas und Mingo knallte unsanft gegen die Kopflehne.
"Ahhh... Was ist denn", brummte er und massierte sich den Nacken.
"Na, wieder wach du Schlafmütze?", fragte ich und zog erneut an der Zigarette.
"Mh. Ich klau mir mal auch eine."
Das Feuerzeug schnippte und ich hörte Mingo inhalieren.
"Hey, wir sind ja fast da. Ich kann doch nicht so lange geschlafen haben?"
Ich verdrehte die Augen. Nein, natürlich nicht.
Der Verkehr war jetzt etwas flüssiger geworden und wir fuhren immer weiter Richtung Meer hinunter.
"Jetzt links", meinte Mingo zwischen zwei Zügen und blies den Rauch aus dem Fenster. Auf seiner Seite lag ein riesiges Einkaufzentrum. Die ganze Straße war von himmelhohen Häusern gesäumt.
Ich bog links ab, fuhr gerade aus weiter, bog rechts ab. Wich Kindern aus, die auf der Straße Fußball spielten. So war das hier. Klein-Italien. Ich fühlte mich sofort wie zuhause.
Wir hielten vor einem heruntergekommenen, altrosa Haus.
"Endlich zuhause!" Mingo stieg aus und streckte sich ausgiebig. Er nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette und warf sie auf den Boden, ging Richtung Haustür. "Komm, mi ángel. Gepäck holen wir später."

Liebe zwischen zwei WeltenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt