Langsam bahne ich mir den Weg durch das wilde Gestrüpp des Waldes. Die Blätter der Büsche kitzeln mich im Gesicht und streichen mir sanft über die Haut. Wie von selbst führen mich meine Beine durch den Wald einen Weg entlang, den ich mittlerweile nur allzu gut kenne. Jedes Mal aufs Neue überquere ich den kleinen Bach der seelenruhig in seinem Bett liegt und sich langsam den Weg durch die Landschaft bahnt. Nach nicht allzu langer Zeit habe ich auch schon mein Ziel erreicht und verlasse das Dickicht des Waldes, um auf einer kleinen Lichtung zu landen, die sich jetzt direkt vor mir befindet. Am Ende dieser Lichtung befindet sich ein Abgrund und direkt darunter lieg ein kleiner See, der irgendwie etwas Magisches an sich hat. Ich wollte gerade losgehen, um die grüne Wiese mit den bunten Farbtupfern der Blumen zu überqueren und mich auf die Kante des Abgrundes setzen, als ich wie versteinert stehen bleibe.
Ich traue meinen Augen nicht. Ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, je eine Menschenseele hier gesehen zu haben, was ich unter anderem an diesem Ort liebe, und doch sitzt da auf der grünen Wiese ein Junge. Der Unbekannte hat mir den Rücken zugekehrt, weshalb er mich noch nicht entdeckt hat und scheint gerade nur so in Gedanken versunken. Immer wieder fährt er sich aufgebracht mit der Hand durch die, in der Sonne glänzenden, braunen Haare, als hätte er mit seinem Gewissen zu kämpfen. Als ob die Leute von heute so etwas noch besitzen...
Eine ganze Weile stehe ich noch hier und beobachte mit wachsamen Augen jede noch so kleine Regung, die von ihm ausgeht. Bis auf weiteres geschieht nichts Aufregendes, bis plötzlich Bewegung in den Körper vor mir kommt und er sich langsam aufrichtet. Kurz klopfte er sich noch den Dreck von seiner Hose, bevor er noch einen letzten Blick in die Ferne wirft. Langsam und gemächlich dreht er sich nun um und wollte sich gerade auf den Weg machen, diesen Ort zu verlassen, als er mich erblickt und genauso wie ich überrascht zu sein scheint, jemanden hier anzutreffen.
Wie erstarrt stehen wir beide nun so da und starren uns gegenseitig an. Langsam lasse ich meinen Blick über seinen Körper streichen, um danach wieder in seine Augen zu starren. Er hat kurze, braune Haare, die, vom vielen durch-die-Haare-fahren, zerzaust in alle Richtungen abstehen. Der drei-Tage-Bat lässt ihn erwachsen wirken, doch er ist nicht viel größer als ich und hat breite Schultern. Die Hände hat er neben seinem Körper zu Fäusten geballt, was ihm eine angespannte Haltung verleiht. Gespannt verfolge ich seine Bewegungen, als er langsam auf mich zugeht und somit den Abstand zwischen uns verringert. Einen guten halben Meter vor mir kommt er zu stehen und lässt seine Augen über meinen Körper schweifen, bevor er mir in die Augen sieht. Er mustert dich als wärst du ein Objekt! Erst jetzt kann ich erkennen, dass er braune Augen hat, die mich irgendwie an Schokolade erinnern. Ich liebe Schokolade.
Er löst seine angespannte Haltung und tritt noch einen Schritt auf mich zu um den ohnehin geringen Abstand zwischen uns noch etwas zu verkleinern. Fast automatisch mache ich einen Schritt nach hinten. Daraufhin zieht er seine Augenbrauen zusammen und sieht mich eindringlich an, bevor er wieder einen Schritt auf mich zu macht und dieses Mal bleibe ich standhaft. Mit einem intensiven Blick sieht er mir tief in die Augen, was ein bedrohliches Gefühl in mir auslöst. Beunruhigt von seinem Blick und dieser plötzlichen Nähe, unterbreche ich unser gegenseitiges Starren und gehe an ihm vorbei - bedacht darauf ihn nicht zu berühren - geradewegs auf den Abgrund zu.
Elegant wie ich nun mal war, lasse ich meinen Körper lustlos auf den Boden fallen und strecke meine Beine über den Rand hinaus. Ein leichter Windstoß weht meine langen braunen Haare aus meinem Gesicht und lässt mich die Hitze der Sonne für kurze Zeit vergessen. Erst jetzt bemerke ich wie meine rechte Hand das übliche Zittern aufweist. Ein Schritt zu nahe und schon kann ich mich von der absoluten Kontrolle über meine Gliedmaßen verabschieden. Wie ich das hasse. Ich starre einen Augenblick meine rechte Hand an, die immer noch unkontrolliert zittert, bevor ich sie in meiner Hosentasche vergrabe, um eine Schachtel Zigaretten herauszufischen.
Geschickt steckte ich mir eine davon in den Mund und zündete sie mir an. Genussvoll atme ich den Rauch tief in meine Lungen ein, schließe die Augen und atme wieder aus. Endlich merke ich, wie die Anspannung von mir abfällt und das Zittern in meiner Hand nachlässt. Langsam öffne ich die Augen und blinzle der grell scheinenden Sonne entgegen.
Wie in einem Film erstreckt sich unterhalb des Abgrundes der See und ein paar Meter neben mir rauscht ein kleiner Bach über die Klippe, um dann lautstark die Wasseroberfläche zu durchbrechen. Die Sonnenstrahlen werden auf der Wasseroberfläche gebrochen und strahlen in allen Farben. Rund um den kleinen See erstreckt sich der Wald, dessen Baumwipfeln sich durch den leichten Wind langsam hin und her bewegen, wie die Wiege eines kleinen Kindes.
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Sick
Novela JuvenilMae hat ein Problem. Ein Problem namens Sick. Oder auch Mozzie, der in letzter Zeit auch häufig Ärger macht. Die Frage ist nur, ob Problem beziehungsweise Ärger die richtigen Worte sind, um das Chaos zu beschreiben. „Was ist das Ziel einer Therapie...