Kapitel 6

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Als ich das Behandlungszimmer verließ, stieß ich fast mit der Frau vom Wartezimmer zusammen, die ich für die Mutter des Jungen hielt. 'Haben Sie etwa gelauscht?!' fragte ich sie giftig. Sie sah mich erschrocken an und mir tat Leid, dass ich sie in ihrer Situation so angeschnauzt hatte. Warum sollte sie überhaupt an der Tür lauschen? Das machte doch überhaupt keinen Sinn! Gerade, als ich mich entschuldigen wollte -etwas, was bei mir fast nie vorkam- sagte sie:' Es tut mir Leid, dass ich gelauscht habe. Ich wollte nur wissen, ob es dir physisch gut geht. Aber anscheinend tut es das nicht, sonst würden sie dich doch nicht hierbehalten wollen. Oder?' Verzweifelt sah sie mich an und hoffte, ich würde ihr widersprechen. Doch das machte ich nicht. Ich konnte und wollte die Frau nicht noch mehr belasten, aber anlügen konnte ich sie auch nicht.
Vor allem nicht, da es offensichtlich war. Ich ließ ihre Frage einfach mal unbeantwortet, da es sich ja eigentlich um eine rein rhetorische Frage handelte. Vielleicht könnten wir ja jetzt endlich ein Gespräch unter vier Augen führen, ohne dabei unterbrochen zu werden. Als erstes wollte sie meinen Namen wissen, den ich ihr auch nannte. Dann fragte sie mich vorsichtig, ob ich der Sam sei, der ihren Sohn jahrelang in der Schule gemobbt und unterdrückt hatte. Ich schwieg lange. Erst dachte ich, ich könnte es leugnen, doch der Junge würde mich auf jeden Fall erkennen. Er würde mir einen Strich durch die Rechnung machen, er würde es seiner Mutter erzählen und ich wäre am unteren Ende eines Körpers. Man könnte auch einfach sagen, ich wäre am Arsch. Ich erzählte ihr also die Wahrheit. Sie starrte mich ziemlich entsetzt an und fing dann an, bitterlich zu weinen. 'Es tut mir echte Leid! Ich hatte gar keine Ahnung, dass so etwas so ausgehen kann. Ich werde mich für ihn und alle anderen ändern. Ich werde meine 'Freunde' aufgeben. Ich kann das alles ändern. Aber was ich nicht tun kann, was ich aber gerne tun würde, wäre alles rückgangig zu machen. Ich würde dafür alles, aber auch wirklich alles tun! Ich hoffe, ich kann ihnen das Leben etwas erleichtern. Wenn Sie wollen, kann ich verschwinden. Aus dieser Stadt. Für immer. Ich könnte meine Mutter dazu überreden, umzuziehen. Oder aber ich könnte für Sie ihr Haus oder ihre Wohnung putzen. Natürlich kostenlos. Oder...' Ich hatte wie ein Wasserfall geredet, aber die Mutter unterbrach mich einfach in meinem Redefluss, indem sie mich kräftig umarmte. Ich sah sie etwas irritiert an. Ich war komplett konfus! Diese Frau war verwirrend und frustrierend! Immer, wenn ich dachte, ich machte alles richtig, machte ich alles falsch! Immer wenn ich dachte ich machte es falsch, war es richtig! Nehmen wir das Beispiel von gerade eben. Ich beichtete ihr, dass ich ihren Sohn mehr oder minder ermordet hatte. Ich hatte versucht sie zu trösten und den Mörder, also mich, zu bestrafen. Was macht sie?? Sie schließt den Mörder in ihre Arme! Hallo? Tickt die noch ganz sauber?
Irgendwie schien sie entweder meine Gedanken zu lesen, oder sie bekam meinen unerklärlich irritierten Gesichtsausdruck mit, auf jeden Fall beantwortete sie meine unausgesprochene Frage und sagte:'Ich bin zwar irgendwie noch sauer, aber ich bin auch extrem gerührt, da Du bereits soo viel für meinen Sohn
aufgegeben hast und bereit bist auch noch mehr aufzugeben. Ich dachte mal, dass so Leute wie du nur ignorant und egoistisch  sind. Aber Du hast mir gezeigt, dass einige von euch anders sind. Denn Du würdest sogar wegen des 'größten Opfers' deine Existenz aufgeben! Ich bin auf irgendeine verrückte Weise stolz auf dich. Ich hoffe das ist der Rest der Welt auch, denn Du bist ein wundervoller Mensch. Dieser Mensch kam zwar erst zum Vorschein, als du meinem Jungen das Leben gerettet hast, aber es gab ihn schon immer. Tief in dir drinnen.'

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So meine Lieblingsleser, heute mal ein längeres Kapitel. Als Gegenleistung wären ein par Votes und Kommentare ganz angebracht ;-).
Hättet ihr soeine Reaktion von der Mutter erwartet?

Falls dir da, ja, genau dich meine ich! Also, falls dir ein Rechtschreibfehler in's Auge gesprungen ist, einfach in die Kommentare schreiben, damit ich weiß, ob ich sie noch weiter erziehen muss, oder, ob sie sich mittlerweile schon zurückhalten können. Die haben irgendwie so nen Springfimmel.

Liebe Grüße,
Eure Verhasste

Em-Schenk mir dein Herz<3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt