„Glaubt ihr, das steht mir?" Victoria hüpfte im viel zu kurzen Kleid, das sie wohl aus der letzten Ecke von Sallys Schrank herausgezogen hatte, vor unseren verschnupften Nasen herum.
Mathea, Sally und ich saßen zu dritt im Bett, jeder eine Tasse Tee in der Hand und machten abwechselnde Schniefgeräusche. Mit dieser Nummer hätten wir im Fernsehen auftreten können. Die schniefenden Saufnasen oder sowas klang passend.
„Das ist der Fluch des kommenden Sommers.", meinte Mathea und schniefte tief in ihr Taschentuch. „Wir sind alle verflucht."
„Nein.", antwortete Vic knapp und betrachtete sich im Spiegel. „Das ist der Fluch der Dummheit."
Verächtlich schnauften wir auf und Vic kicherte, bevor sie sich wieder an Sallys Schrank zu schaffen machte.
Gut, wir hatten gemeint, 12 Grad wären warm genug, um im See baden zu gehen, was sich später jedoch als falsch herausstellte. Die einzige von uns, die gesund war, war Vic, weil sie auf dem Weg einen schnuckeligen Typen kennengelernt und sich mit ihm gleich mal verdrückt hatte.
Ein Handy klingelte und Sally neben mir erschreckte sich so sehr, dass ihr Tee beinahe mit meinem Gesicht gekuschelt hätte, hätte Mathea nicht einen Ninja-rettungs-move hingelegt und mir davor ein Kissen ins Gesicht geklatscht. Zugegeben nicht angenehm, aber wenigstens kein heißer Tee.
Vic dopste in der zwischenzeit wie ein Ball rauf und runter, rannte auf uns zu und angelte sich geschickt das Handy. „Es ist Brandon!", schrie sie, woraufhin sie nur verwunderte Blicke von uns abbekam und die Augen verdrehte. „Der Typ vom See."
Verstehend nickten wir und sie nahm sogleich ab und rannte aufgedreht aus dem Zimmer.
„Ja ja. Die Liebe.", murmelte Mathea vor sich hin, während sie das Teekissen vom Bett schleuderte und es sich wieder neben mir gemütlich machte. „Mats und ich sind da ja das perfekte Beispiel."
Ich seufzte leise. Sie schwärmte immer noch für ihn und auf Dauer war das wirklich nervig. Aber so war eben unsere Mathea.
„Und wie läufts bei euch so?", fragte sie, scheinbar völlig belanglost und trotzdem weckte diese Frage Emotionen bei mir hervor, die ich längst in die letzte Kammer meines Verstandes gedrängt hatte.
„Wie wohl? Scheiße.", antwortete ich knapp und drehte mich zu Sally um, die scheinbar eingenickt war.
Der letzte Junge, mit dem ich wirklich geredet hatte, war Erik. Erik Durm. Und das war nun auch schon über 2 Monate her. Richtig, 2 Monate ohne das er sich gemeldet hatte. Und ich hatte weder meine Klamotten noch mein altes Handy wiedergesehen. Die ersten Tage war es enttäuschend gewesen, aber darauf wurde mir auch klar, dass das sowieso nur eine Spinnerei und keine Zukunft hatte, denn welcher Fußballer würde sich auf eine verpeilte Idiotin wie mich denn einlassen? Erik zumindest nicht, da war ich mir sicher.
„Hey, ich hab ne Idee!", unterbrach Mathea meine trüben Gedanken und gabelte sich elegant die Fernbedienung. (Übersetzung: Elegant /Mathea Stil/ = Sie streckt sich übers halbe Bett, mich und Sally inklusive, stößt dabei eine Lampe und eine (gottseidank) leere Teetasse um, schnappt sich die Fernbedienung und schlägt sie Sally und mir nacheinander aus Versehen gegen den Kopf,woraufhin sie sich mit viel Gestik entschuldigt und sie uns wieder über die Rübe zieht. Beim Versuch von weiteren Entschuldigungen halten wir sie panisch auf, denn Kopfschmerzen haben wir auch so genug.)
„Und die wäre?", fragte die verschlafene Sally und rieb sich den Kopf.
„Wir gucken die BVB-Wochenwiederholung!", schrie Mathea begeistert. Jedoch war sie die einzige, die das wirklich für eine gute Idee hielt. Sally nickte nur desinteressiert und drehte sich dann wieder um, um weiter zu schlafen. Und auch ich fand das nicht gerade toll, da ich mich immer noch nicht für Fußball interessierte und außerdem Erik nicht unbedingt sehen wollte.
Weder Mathea noch die anderen wussten von der Sache mit Erik, ich hatte es ihnen nie erzählt. Es hatte sich einfach keine Gelegenheit ergeben. (Ich meine, wie macht man sowas denn?! „Hey Leute, vielleicht hatte ich Sex mit nem Fußballstar, vielleicht auch nicht. Vielleicht hat man uns Drogen gegeben, vielleicht sind wir auch nur blöd.) Um ehrlich zu sein, war diese ganze Nacht nie wieder in unseren Gesprächen aufgetaucht, warum auch immer. Vielleicht war es ja besser so, das alles hinter mir zu lassen.
Und schon tauchte sein Gesicht auf dem Bildschirm auf. Meine Augen füllten sich mit Tränen, weshalb ich einen Hustkrampf vortäuschte. Erik war ein toller Junge. Ich kein tolles Mädchen. So einfach war das. Ich seufzte und schnäuzte mich erneut.
Dann schneite auch schon Vic herein, setzte ihr reizendes Lächeln auf und stellte sich breitbeinig vor uns. „Ihr denkt doch auch, das ich mir das Kleid von Sally ausleihen darf oder?"
„Was hast du vor?", fragte Mathea misstrauisch.
„Hab ein Date." Sie kam näher ans Bett. „Wow, Leute. Ihr seht aus wie Zombies. Zombies mit richtig schlechtem Klamottengeschmack."
Wir sahen an uns herunter. Ich hatte ein Supermäääään-Pulli mit undefinierbaren Flecken, Mathea trug ein BVB-Trikot und Sally ein rosa Rüschentop. Hey, wir waren krank, ja?
Bevor wir noch irgendetwas erwidern können, war Vic samt Sallys Kleid aus dem Zimmer geschneit und ließ uns Zombies alleine.
„Wir sehen uns dann morgen.", rief Mathea mir mit verschnupfter Stimme noch zu, bevor sie den Motor anschmiss. „Dann machen wir den Krankentag aber bei dir!"
Ich winkte ihr noch zu und machte dann, dass ich ins Haus kam, denn es kam mir nicht unbedingt toll vor, von den Nachbarn so gesehen zu haben.
Ich zog mir die Chucks aus und schmiss sie achtlos in den Flur. Dann schritt ich zum Spiegel, der in unserem Eingangsbereich hing. Ich sah schrecklich aus. Ungeschminkt, verstrubbelte Haare, die ich wohl nie im Leben mehr gescheit kämmen könnte, verschmutzte Klamotten und eine lange Jogginghose. Von meinem Gesicht ganz zu schweigen: Meine Nase war gerötet und meine Augen ganz glasig, meine Wangen rot und meine Augenbrauen sahen aus wie zwei ungemähte Kornfelder. Wenn man Kornfelder überhaupt mäht.
Was ein Glück, dass ich heute keinen Besuch erwartete.
Ich ging in die Küche, um Jogurt zu holen. Mein Mom schien mich schon zu erwarten, denn sie hüpfte gleich auf mich zu. Ich hasste es, wenn sie anfing mich neugierig mit Fragen zu überhäufen, weshalb ich mir schon mal einen vollen Löffel Jogurt in den Mund schob, um nicht antworten zu müssen.
„Ahh Luana! Da bist du ja endlich!", rief sie glücklich und nahm mich kurz in den Arm. „Wie wars bei Mathea? Was habt ihr gemacht? War Victoria endlich mal richtig angezogen? Hattet ihr Spaß? Bist du hungrig?"
Ich ging ignorant an ihr vorbei, in der Absicht, das Wohnzimmer und meinen geliebten Fernseher zu sehen. Sie dackelte mir blöderweise hinterher. Ich weiß, das klingt respektlos, aber meine Mutter konnte recht nervig sein, weshalb ich öfter so reagierte. Sie war es gewöhnt und ließ wie gewöhnlich nicht locker.
„Also, was ich dir noch sagen wollte, vorhin, als du noch weg warst, hat es geklingelt und..."
„Der Postbote war da und sah toll aus. Und der ist ja nur 25 Jahre älter als ich, würde also suuuuper zu mir passen...", unterbrach ich sie sarkastisch durch meinen vollen Mund. Ich hatte die Wohnzimmertür fast erreicht, dann hätte ich meine Ruhe. Vielleicht. Wenn sie nicht nachkäme.
„Nein! Hör doch zu! Also da stand ein Junger Mann...hmm wie war sein Name noch gleich? Kam mir irgendwie bekannt vor..."
„Ja ja, Mom." Immer schön auf das Wohnzimmer zugehen. Ich stand nun vor der Tür.
„Naja, was ich sagen wollte ist eigentlich..."
„Ist gut, Mom. Ich machs später, egal, was es ist. Ich geh Fernsehen." Ich riss die Tür auf, nur um ein bekanntes Gesicht zu sehen.
„Dass du Besuch hast...", vervollständigte sie ihren Satz noch.
Mir fiel fast der Joghurtlöffel aus dem Mund, als ich erkannte, wer da auf meiner gemütlichen Couch saß und mich verwirrt ansah.
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Wide Awake (Erik Durm FF)
FanfictionAls Luana an diesem Morgen aufwacht, fällt ihr (fast) sofort auf, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie liegt eindeutig im falschen Bett. Interessanter wird es dann, als sie herausfindet, dass sie nicht im Bett von irgendwem liegt, sondern in dem vom B...