Als ich mich nun im Spiegel betrachtete, hasste ich meine Mutter dafür, dass sie ein Kind mit einem solchen Gesicht überhaupt geboren hatte. Ich hatte zwar geduscht (und das in Rekordzeit), aber mein Gesicht war immer noch ein weißer Fleck in der Landschaft. Meine Augen sahen aus wie Kohlestücke, als sie mir aus dem Spiegel müde entgegenblinzelten. Das einzige an mir, was wenigstens Farbe hatte, waren meine Wangen und durch dieses schimmernde rot wirkte ich wie eine dicke Porzellanpuppe. Und nur, falls es keinem von euch selbst in den Sinn gekommen ist, Fußballer stehen nicht so auf Porzellanpuppen. Ich schätze, sie stehen auf echte Menschen. Obwohl, jeder hat ja seine Vorlieben, aber mal ehrlich, das war in diesem Moment nicht mein Problem.
Ich zog mir ein rotes T-Shirt, das ich irgendwo auf dem Boden gefunden hatte, über, atmete tief ein und sah mich erneut im Spiegel an. Toll, das T-Shirt hatte dieselbe Farbe wie meine Wangen. Ich habe ja so einen tollen Style.
Meine Hand strich zum gefühlt 100000. Mal heute durch meine Haare und verunstaltete sie noch mehr, als sie zuvor sowieso schon waren. Seufzend wandte ich mich vom Spiegel ab und meinen Gedanken zu.
Normale Menschen kündigen sich vor einem Besuch an und was das anging, fing ich an, daran zu zweifeln, dass Fußballer sich noch im Oberbegriff „normale Menschen" befanden. Vielleicht sollten sie eine eigene Gruppe bekommen. War das jetzt rassistisch oder so? Kann man Fußballer überhaupt als Rasse bezeichnen? Mathea sollte die Antwort darauf kennen.
Und für einen kurzen Moment spielte ich sogar mit dem Gedanken, Mathea anzurufen und ihr alles zu erzählen, nur damit ich dieses surreale Vorgehen meines sonst so grauen Lebens mit einer Person, deren Leben mindestens genauso grau war, teilen konnte. Gut, ein bisschen angeben wollte ich auch. Ich meine, da saß die Geilheit in Person in meinem Wohnzimmer und wurde von meiner Mom wahrscheinlich gerade über richtige Verhütung und die genauen Vorgänge bei einer Geburt zu getextet wurde. Wenn ich mich nicht beeilte, dann war er schon zu verstört, um überhaupt noch ein Wort mit mir zu wechseln. Einerseits gut, denn so könnte er mich auch nicht auf die peinliche Situation davor ansprechen, aber andererseits auch schlecht, denn es war schließlich Erik Durm.
Als ich aufsah, bemerkte ich, dass mein Körper sich wohl ohne meine Erlaubnis umgedreht hatte, denn ich blickte wieder mir selbst ins Gesicht. Meine Haare waren nun zwar gewaschen aber immer noch nicht schön, mein Gesicht gefiel mir auch nicht und mein ganzer Körper konnte mir momentan gestohlen bleiben. Ich sollte meine Mutter verklagen, dass sie mir solche Gene mitgegeben hatte.
Aber mal ehrlich, war ich so unsicher und abhängig von der Meinung eins Jungen, den ich nur einmal gesehen hatte? Lag es nicht eher daran, das er berühmt war, nicht daran, dass ich ihn irgendwie mochte? Schließlich kannte ich ihn gar nicht. Eigentlich hatte ich keinen Grund so aufgeregt zu sein, denn er würde mir ja lediglich meine Sachen, darunter hoffentlich auch mein geliebtes Handy, geben und dann für immer aus meinem Leben verschwinden. Das war nun mal die traurige Wahrheit.
Ein starkes Klopfen gegen die Badezimmertür schreckte mich aus meinen deprimierenden Gedanken.
„Luluuuu?", rief meine Mutter mich bei meinem wundervollen, heißgeliebten Spitznamen. Nicht. „Bist du in der Dusche ersoffen oder mit deinem Arsch im Klo stecken geblieben?"
Für eine Akademikerin hatte sie eine wundervoll professionelle Ausdrucksweise.
Ich riss entschlossen die Tür auf, sah meiner Mom, die sich bei der schnellen Öffnung der Tür erschreckt und gequiekt hatte, tief in die Augen, atmete tief ein und stapfte in sicherem Gang unseren Flur entlang, bereit, Erik gegenüberzutreten.
„Ähm... Luana...?", hörte ich meine Mutter, die ein wenig verwirrt klang. Wahrscheinlich wegen meiner selbstbewussten und überhaupt nicht unsicheren Persönlichkeit.
„Stör mich nicht, Mutter, ich habe etwas zu erledigen!", sagte ich bestimmt und ging fixiert weiter.
„Aber du läufst in die falsche Richtung... unser Wohnzimmer ist dort drüben, Luana."
Ab und zu sollte ich meine Mutter vielleicht mal ausreden lassen, würde mir einiges ersparen.
Schon ein Lachen zu unterdrücken war eine echte Herausforderung, denn wenn man einen Erik Durm sieht, der mit einer riesen Tasse Tee mit dem Schriftzug „Beste Mama" in der Hand auf einer alten ranzigen Couch sitzt, von zwei Katzen umgarnt wird und dabei begeistert den „Strickkanal für echte Ladies" schaut, dann ist das nicht unbedingt ein Grund, um vollkommen ernst zu bleiben.
Als er mich ansah, breitete sich dieses atemberaubende Lächeln auf seinem Gesicht aus und für einige Sekunden schien ich eingefroren und konnte mich weder bewegen noch reagieren. Glücklicherweise dackelte meine Mutter in diesem Moment hinter mir herein, bepackt mit einem Teller von Keksen und Sandwiches. Sie stellte sie auf dem Tisch ab, grinste Erik breit an und drehte sich dann wieder um, um zu gehen. Auf ihrem Rückweg zwinkerte sie mir noch zu und formte mit den Lippen ein „Guter Fang!", wodurch ich ein wenig errötete und ihr eine Geste machte, die bedeutete, sie sollte jetzt ihren Hintern hier raus bewegen, bevor ich noch im Boden versank.
Mit zwei schnellen Schritten stand ich vor der Couch und ließ mich mit gut 10cm Sicherheitsabstandneben Erik nieder.
Eine Weile lang herrschte dieses peinliche Schweigen wie bei einem Date. Du hast dir vorher 1000 möglich Themen überlegt, um das zu überbrücken, aber in diesem Moment schwirren sie alle gleichzeitig in deinem Kopf herum und hacken auf dein Hirn ein, dass du nur mit einem teilnahmslosen Gesicht dasitzen und nichts dagegen tun kannst.
„Sie ist nett.", kamen schließlich die Worte von Erik, die wie eine Abrissbirne unsere Stille in tausend Teile zerschlug.
„Hm?"
„Naja, dein Mutter."
„Ach so." Nett? Übervorsorglich, ein wenig nervend und gut im Belästigen traf es zwar eher, aber gut, bezeichneten wir sie eben als nett. Noch bevor die alte Stille sich wieder aufrappeln und ihre zerstreuten Teile aufsammeln konnte, versuchte ich mich mal im Thema anfangen. „Und wo waren meine Sachen?"
„Was?" Erik sah mich ein wenig verwirrt an und ich fragte mich, ob er mich nicht verstanden hatte oder mich verarschen wollte.
„Naja, mein Handy und meine Klamotten..." Ich wurde leiser, damit meine Mutter, die draußen sicherlich ihr Ohr gegen die Wohnzimmertür drückte, vielleicht auch ihr Stethoskop, nicht s davon mitbekam, denn das war nun wirklich nicht leicht zu erklären.
„Die hab ich nicht mehr gefunden." Er sagte das so locker, als wär das gar nichts.
„Und warum bist du dann hier...?", fragte ich ein wenig irritiert und folgte seinem Finger, der über das braune Fell unsere Katze Bello strich und in diesem Moment wünschte ich mir nichts mehr, als Bello zu sein. (Zu dem Namen: Ich war 4. Und ich wollte unbedingt einen Hund.)
„Ähm..."
Wollte er mich so dringend wiedersehen? Würde er mich jetzt in seinem Sportwagen mitnehmen und auf der Stelle heiraten? Würden wir drei süße Kinder bekommen? Oder vielleicht vier?
„Ich war in dem Club und hab ein bisschen was herausgefunden."
Und die Seifenblase der schönen Träume zerplatzte.
„Ach ja?", fragte ich und überspielte meine Enttäuschung gekonnt. Blöde Luana. Blöde, naive, märchen- und RTLgeprägte Luana. „Und die wären?"
„An dem Abend, als wir dort waren, hat der Club gar keine Getränke in seltsamen Farben verkauft, das heißt, wir haben sie versehentlich von einer Privatperson gekauft, die wohl mit voller Absicht was da rein geschüttet hat.", erläuterte er ernst, sodass ich ziemlich großen Respekt vor ihm empfand, welcher schließlich wieder verschwand, als er einen Schluck aus der „beste Mama" Teetasse nahm und Katze Diana über den Kopf strich.
„Du meinst also, irgendein Fremder hat uns Drogen eingeflößt?", murmelte ich. Und dieser Fremde hatte vielleicht meine Klamotten?! War ich im BH durch Dortmund gestolpert, bis ich in Eriks Wohnung abgestiegen war?
„Naja, so in etwa. Das Blöde ist, das wir das hätten nachweißen lassen können, aber ich wollte meinen Ruf nicht gefährden...", gab er verlegen zu. Dann kramte er einen Zettel aus. „Aber das ist die Gästeliste des Ladens."
„Warte mal. Der Club hatte ne Gästeliste?" Ich dachte, das wäre eine billige Asi-Absteige gewesen, aber wenn das sogar eine Gästeliste besaß, war ich mir nicht mehr so sicher.
„Klar. Einer der beliebtesten Clubs in Dortmund, da muss man Monate vorher bestellen, um überhaupt reinzukommen.", erläuterte er und trank seinen Tee mit einem Schluck leer. „Na ja, die Sache ist die: Ich hab mich über die Leute informiert und zwei von ihnen haben sogar ein Vorstrafenregister, in denen Drogen erwähnt wurden."
Auf meine tiefgründigen Fragen, woher er das mit den Vorstrafenregister wusste, stammelte er nur etwas von Bäckerei und Schnitzelbrötchen und so beschloss ich, besser nicht weiter nachzuhaken, denn das ganze schien ihm recht unangenehm zu sein.
„Und du bist jetzt hier weil?", fragte ich, nachdem wir wieder eine halbe Minute mit Schweigen vergeudet hatten und er nur unruhig auf der Couch hin und her gerutscht war.
„Ich dachte...", fing er stotternd an und wagte es kaum, mich anzusehen. „Ich dachte, wir statten den Leuten mal einen Besuch ab, um vielleicht mehr über diese eine Nacht heraus zu finden."
Achtung an alle Verbrecher dieser Welt, Sherlock Durm und Professor Luluuu sind wieder am Start.
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Wide Awake (Erik Durm FF)
FanfictionAls Luana an diesem Morgen aufwacht, fällt ihr (fast) sofort auf, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie liegt eindeutig im falschen Bett. Interessanter wird es dann, als sie herausfindet, dass sie nicht im Bett von irgendwem liegt, sondern in dem vom B...