Kapitel 10

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Obwohl Penny die Situation gerettet hatte, war Sheldon nicht aus dem Schneider. Er würde nicht darum herum kommen Leonard die Wahrheit zu sagen, weil er nicht aufhören wollte Zeit mit Penny zu verbringen. Nicht nachdem was passiert war. Es war die unwahrscheinlichste aller Wahrscheinlichkeiten eingetreten und Sheldon hatte tatsächlich Chancen bei ihr. Noch nie war er glücklicher gewesen. Beim Einschlafen in seinem Bett konnte er nur daran denken, wie ihre Lippen seine für einen kurzen Moment berührten. Diesen Moment hätte er gerne bis in die Unendlichkeit ausgedehnt.

Beim Besuch in der Cheesecake Factory trauten die Freunde ihren Augen nicht, als Penny ihre Bestellung aufnahm. Selbstbewusst und vergesslich wie immer. Sheldon war als einziger nicht überrascht, weil er davon wusste. Sie wollte unbedingt arbeiten gehen solange sie konnte und Sheldon war es nicht möglich sie davon abzuhalten, obwohl er ihr versicherte, dass sie sich um die Behandlungskosten keine Sorgen zu machen brauchte.

»Ist es gut, dass Penny arbeitet? Sie sollte sich lieber ausruhen.« Bernadette erntete Zustimmung für ihre Bedenken.

»Arbeit ist gut für die Psyche und die ist in ihrem Fall genauso wichtig wie die körperliche Gesundheit.«, verteidigte Amy sie.

»Schon toll, wie sie das alles meistert. Es ist bestimmt nicht leicht.«, kommentierte Howard.

»In dieser einen Sache ist sie wohl weniger Mann als wir. Wir Männer würden uns nämlich zuhause verschanzen und den ganzen Tag bemitleiden lassen.« Raj trank einen Schluck Wasser, immer noch erfreut darüber, dass er mit seinen weiblichen Freundinnen ohne Alkohol sprechen konnte.
Leonard stützte seinen Kopf in die Hände. »Ich habe so ein schlechtes Gewissen. Ich hätte sie nicht im Stich lassen dürfen.«

»Mach dir keine Vorwürfe. Ihr habt euch getrennt und du musstest das auch erstmal verkraften.«, sagte Bernadette.

»Ich hätte darüber hinwegsehen müssen. Vielleicht hätte ich dann jetzt noch Chancen bei ihr.« Wehmütig sah er ihr nach, als sie Gäste am anderen Tisch mit einem Lächeln bediente. Aber er war nicht der einzige, der die Augen nicht von ihr lassen konnte.

»Dass sie nicht schon längst an langfristigen psychischen Schäden leidet ist ein Wunder, bei dieser Überdosis Sheldon«, witzelte Howard.

»Lass das, Howie. Ich finde es so süß.« Bernadette gab Howard einen Klaps auf die Schulter.

Sheldon hatte kein Bedürfnis danach, sich in das Gespräch einzumischen. Er war die Sticheleien seiner Freunde gewohnt.

Als sich alle auf den Weg nach Hause machen wollte, zog Amy Sheldon beiseite.

»Du solltest deinen Gefühlen nachgehen, egal was die anderen denken«, flüsterte sie beinahe.

»Wovon sprichst du?«

»Du weißt genau wovon ich spreche, Sheldon. Ich kenne dich.« Mahnend sah Amy ihn an. »Außerdem habe ich jede Nacht während unserer Beziehung davon geträumt, dass du mich einmal so ansiehst, wie du sie ansiehst.«

Sheldon wusste mal wieder nicht, was er sagen sollte. Das war alles neu und unglaublich verwirrend.

»Keine Sorge, ich... behalte es für mich.« Sie lächelte verhalten.

»Wieso tust du das für mich?«

»Weil du kein schlechter Mensch bist. Und Penny auch nicht. Viel Glück.« Amy ließ ihn verwundert zurück.

Angespannt saß Sheldon auf seinem Platz. Penny zu seiner rechten, Leonard auf dem Sessel zu seiner linken. Der Fernseher vor ihnen. Eigentlich wie immer, aber alles war anders. Sheldon hatte keine Ahnung was sie eigentlich schauten, weil er sich darauf konzentrierte normal und entspannt zu wirken.

»Sheldon, würdest du uns kurz allein lassen?«, bat ihn Leonard.

Widerwillig ging Sheldon in sein Zimmer, aber blieb an der Tür stehen um das Gespräch hören zu können.

»Was willst du denn mit mir besprechen, das Sheldon nicht hören darf?« Penny stellte den Fernseher leiser.

»Wir hatten einfach schon lange keine Gelegenheit mehr uns unter vier Augen zu unterhalten.«

»Da gibt es auch nichts mehr zu sagen, oder?«

»Du bist sauer, weil ich dich allein gelassen habe und das tut mir leid.« Sheldon hörte, wie Leonard den Platz aufs Sofa wechselte.

»Ach Leonard, deshalb bin ich dir doch nicht böse. Damit habe ich gerechnet, als wir uns getrennt haben. Wenn du für eine Freundschaft bereit bist, dann bin ich es auch.«

Sheldons Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken daran, dass Leonard vermutlich auch einen körperlichen Annäherungsversuch wagen könnte.

»Ich will keine Freundschaft mit dir, sondern mit dir zusammen sein. Kannst du mir nicht noch eine Chance geben? Du musst mich auch nicht heiraten!«

»Es geht nicht um Chancen und es liegt auch nicht an dir. Ich kann doch nicht mit jemandem zusammen sein, den ich nicht mehr liebe. Das verstehst du doch?« Geh Penny. Bitte geh. Flehte Sheldon innerlich, weil er befürchtete, dass sie nicht mehr lange dicht halten konnte.

»Gibt es da einen anderen?« Leonards Stimme war von Enttäuschung gezeichnet, weil auch der letzte Hoffnungsschimmer in ihm verglühte.

»Nein, wie kommst du darauf? Wie hätte ich denn in drei Wochen Krankenhausaufenthalt jemanden kennenlernen können?« Sheldon war froh, dass Penny besser lügen konnte als er selbst.

»Keine Ahnung, ich schätze ich bin paranoid. Ich kann nicht glauben, dass es wirklich aus und vorbei ist.« Dass Leonard nah am Wasser gebaut war, war kein Geheimnis.

Und dann leuchtete es Sheldon ein. Playstation 4 oder Xbox One. Wenn er sich auf Penny einließ, würde er seinen besten Freund verlieren. Leonard könnte eine Beziehung zwischen den beiden nie akzeptieren. Leonard oder Penny. Diese Entscheidung hatte weitreichendere Konsequenzen als der Kauf einer Spielekonsole. Es war jetzt an ihm sich so zu entscheiden, dass der geringste Schaden entstand.

Er lauschte erneut. Die Stimmen waren verklungen. Er hörte nur noch das Geplauder aus dem Fernseher. Vorsichtig öffnete er die Tür einen Spalt und spähte hinaus. Leonard saß auf dem Sofa wie ein Häufchen Elend. Sheldon ging in die Küche und servierte ihm ein heißes Getränk. Das war das mindeste, das er tun konnte.


Die Theorie der UnendlichkeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt