Arme Kleine weine nicht

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Was alle nur immer an Alkohol fanden, wo doch Blut in Mengen in passenden Behältern auf der Erde marschiert, und es zugleich viel reizvoller ist.

Ich kippte mein Glas Scotch auf Ex. Die Bar war rappel voll, und die Leute bei guter Laune. Wie albern, wo doch jeder was muffendes im Keller hatte, was gerade vor sich hin verweste. Nur meine Leiche war tatsächlich eine, und musste schon längst gefunden worden sein.

Ich erhob mich vom Tresen. Diese Leute sind doch verrückt!

Was könnte ich deb Rest der Nacht wohl noch machen. Ich schlenderte durch die Straßen, Regel, und Abgasen.

Hatte ich eben wirklich diese Psychotante ermordet? Dachte ich gerade wirklich schon an das nächste Opfer? Nein, alles nur Fiktion.

Es war dunkel, und im Park liefen nur noch ein paar Besoffene, Obdachlose, oder Bekiffte herum. Aber als ich an der Parkbank um die Ecke vorbei kam, da saß da doch tatsächlich eine junge Frau?!

Ihr kupfernes Haar glitzerte im Schein der Laternen. Ihren kleinen Kopf hatte sich auf ihre Knie abgelegt, und ihr Gesicht in ihren blutverschmierten Händen versteckt. Blut?!

“Nah, nah. Wer will denn gleich so bitterlich weinen?“

Sie sah erschrocken zu mir auf. In ihren großen, blauen Augen spiegelte sich mein Antlitz, und in ihrem schmutzigen Gesicht die Angst.

“Ach, nichts.“, röchelte sie. Lügen!

Ich vergrub meine Hände in den Jackentaschen. Fest umschlungen meine Finger den kleinen, schmalen Gegenstand.

Ich fuhr ihn entlang. Eine scharfe Schneide. Die feine Schere, mein Andenken. Eine Schneider Schere. Kein Wunder, denn ich fragte mich steht's wo man denn nur so schrecklich Kleidung kaufen konnte?! Aber sie hatte sie selbst geschneidert.

Ich umfasste den Kopf der Scherw, feste. Sollte ich sie wirklich erneut gegen jemanden einsetzten. Ja!

Aber zu erst finde ich heraus: “Was ist denn passiert?“

Ich ließ mich auf die massive Holzbank plumsen, die Schere weiterhin fest im Griff.

Ich musterte sie spöttisch, die Kleine. Ihre Bluse war zerrissen, ihr Rock etwas hoch gerutsch, blaue Flecken zierten ihre schmalen Oberarme und Oberschenkel, und Blut, getrocknetes Blut war ihr Bein entlang geronnen.

“Nichts.“, wiederholte sie. Ich sollte wohl die Polizei oder einen Notarzt alarmieren?

“Weiß du wer es war?“ Schockiert starrte sie mich an.
“Woher weißt du es?“

“Willst du Duschen?“ Ich ließ die Schere los, stand auf, reichte ihr meine Hand.

Sie wirkte zögerlich, nahm die Hand dennoch an. Viel schlimmer konnte es auch nicht mehr werden!

Wer vergewaltigt ein kleines Mädchen im Wald?!

Ich nahm sie mit mir, die Schere immer zu im Hinterkopf als Wahlmöglichkeit.

Wir betraten ein modernes Hochhaus Viertel. Ich war zwar nicht normal, dass war mir im Endeffekt klar, aber ich war weder arbeitslos noch arm.

Ich schloss die Tür zu einem Appartement im edlen Grau. Grau... irgendwie faszinierte mich die Farbe, fast genauso sehr wie Schwarz. Aber Weiß reizte mich, und Rot blieb mein Favorit.

Ich führte die verängstigte, traumatisierte Kleine in meine Wohnung, ins Bad hinein. Sie zitterte am ganzem Leibe. Verstörend.

Die Kleine muss es schwer getroffen haben, voll erwischt.

Das Wasser rauschte, rauschte, und rauschte, eine Stunde lang, aber ob sie duschte?

Ich hatte mir und ihr einen beruhigenden Minztee bereitet.

Ein kleines, verstörtes Mädchen gesellte sich schütern und nur zögerlich zu mir auf die Couch.

Ich reichte ihr den Tee. “Warum tust du das?“ Sie nahm die Tasse.
“Was?“

“Warum hilfst du mir?“ Als hätte ich es geahnt. “Vielleicht als Entschädigung dafür, dass ich dich zunächst töten wollte...“

Trotz dem Schlimmen, was ihr erst eben widerfahren war, kicherte sie. Es schien den Menschen zum Verhängnis zu werden, mich keinerlei bei Wort zu nehmen.

“Das ist wirklich... nett.“ Nett? Wie auch immer, es war mir gleichgültig.

“Sagst du mir denn nun, was dir widerfahren ist?“ Sie überlegte kurz, nickte dann aber.

Stockend brachte sie hervor, dass ihr Nachbar sie wohl beobachtet habe seit längerem, und das er nun, doch zu geschlagen habe, sich an ihr vergangen hat.

“Und was hast du jetzt vor?“ “Ich weiß es nicht, da er mir gedroht hat, mir die Augen aus zu stechen, wenn ich auch nur ein sterbens Wörtchen an die Polizei verlieren würde.“

“Die Polizei würde dir jetzt wohl auch zu nichts mehr nützen. Die Beweise hast du so eben den Abflusskanal hinunter gejagd.“

Sie zog das Handtuch enger um sich.

“Wie heißt du eigentlich?“, hauchte sie nur sehr leise.

“Helyn Brennen, du?“ “Samantha Jacobs. Eine schöne Wohnung hast du.“ Ich nickte anerkennend.

“Wohnst du allein?“ “Bevorzugt schon.“ Sie nickte nur.

“Wie alt bist du überhaupt?“ Sie scharbte, nach einer gegebenen Antwort suchend, mit dem Fuß über den Laminat.

“17“, murmelte sie fast lautlos.

“Das heißt, du wohnst noch bei deinen Eltern?“ “Nein, im Heim.“

Ein Stich ins Herz. Eine solche Kindheit war mir nicht ganz unbekannt, leider.

Einem Kind, was schon am Boden lag, noch weiter zu schikanieren, mir unverständlich. Aber man kann niemanden ewig treten, denn irgendwann zerbricht er. Und jetzt fing das Spiel erst richtig an.

Das Interesse, was mir noch vor wenigen Minuten fehlte, war nun vollkommen, und ich fragte sie über jedes einzelne Detail aus.

Sie hatte mir alles haarklein erzählt, und folgend hatte ich ihr angeboten bei mir zu übernachten, in meinem Bett. Sie war einfach eingeschlafen, ein harter Tag ging zu Ende. Und der Morgen graute...

Bleeding HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt