Kapitel Vier

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Ich bin seit zwei Wochen nicht mehr weggegangen. Seit dem Morgen, an dem Rosa mich vor der Tür abgefangen hat um zu fragen, wieso in der letzten Nacht ein junger Mann wütend aus meiner Wohnung gestürmt gekommen ist. Aber ich habe nur den Kopf geschüttelt.

Gerade sitze ich an meinem Küchentisch und höre der Musik zu, die meine Lausprecher spielen. Heute ist ein Trashmetal-Tag, passend zum Wetter. Herbstlich und rau wütend ein Sturm draußen, der bald als Orkan durchgehen kann, wenn er sich noch ein wenig anstrengt. Meine Cornflakes die vor mir stehen sind nur noch eine schleimige Masse. Es klingelt an der Türe. Ich schiebe dem Kater, der mich auf dem Tisch sitzend beobachtet, die Cornflakes hin und stehe auf um die Wohnungstüre aufzumachen. „Oh nein, nicht du!", entfährt mir, als mich Domi in eine Umarmung zieht. Ich werde an seine nasse Jacke gedrückt. Über seine Schulter hinweg sehe ich Piotr, seinen großen Bruder, der mir lächelnd zunickt. Also haben sich die beiden wohl wieder vertragen. Ich winde mich aus Domis Armen. „Kommt rein", seufze ich und gehe von der Tür weg, um die Brüder in die Wohnung zu lassen.

Domi schüttelt sich wie eine Katze. Von seinen, seit einer Woche, grünen Haaren spritzt mir das Wasser ins Gesicht. „Wo ist der Kater?", ist das erste was er wissen will. Irgendwie hat sich Dominik einen Narren an meinem Tier gefressen, ich weiß nicht wieso. Aber der Kater duldet Domis Streicheleinheiten immer sehr gelassen. „Sitzt in der Küche. Was wollt ihr von mir?"

Während Domi den Pelzkopf suchen geht, zieht sich Piotr seine Jacke und Schuhe aus. Danach gibt er mir einen freundschaftlichen Drücker. Er ist ziemlich das Gegenteil seines kleinen Bruders, groß und breit gebaut, gut erzogen, streng. Wie jedes Mal wenn ich die zwei sehe, frage ich mich, wie sie es zusammen in einer Wohnung aushalten. Oder eher wie Piotr es mit Domi in der Wohnung aushält. Piotr ist Arzt, ich weiß zwar nicht wofür, aber er verdient damit gut. Er zahlt all das, was Domi sich nicht leisten kann. Dafür erwartet er aber auch viel von seinem Bruder und wenn dieser es nicht erfüllen kann, setzt er ihn für einige Zeit vor die Tür. Dann kommt Domi meistens zu mir, pennt auf meiner Couch oder in meinem Bett und wartet ab, bis sein Bruder sich wieder beruhigt hat. „Hättest du etwas zu trinken da? Vielleicht einen Kaffee?", fragt Piotr. Sein Akzent klingt gehoben. Bei Domi hört sich der polnische Einschlag immer an, als käme er aus einem Ghetto.

„Klar. Komm mit."

In der Küche läuft gerade Erazor was Piotr dazu bringt, die Mundwinkel zu verziehen. Domi sitzt, an den Kühlschrank gelehnt, auf dem Boden und knuddelt meinen Kater. Während ich Kaffee mache, setzt sich Piotr an den Küchentisch. „Hey, Scott, du musst heute mitkommen ins Master, es gibt was zu feiern!" Ich sehe zu Domi hinunter und schüttle den Kopf.

„Erstens: Nein. Zweitens: Was willst du feiern?"

„Ich war heute mal wieder beim Psycho und der hat gemeint ich habe mich gebessert. Hey, Scott, ich werde wieder normal, ist das nichts?" Domi zwickt mich ins Bein, was mich dazu bringt ziemlich unmännlich aufzuquietschen. Mein bester Freund lacht. „Komm schon, sei kein Frosch. Scotti-Karotti, alter Kumpel, du warst schon eine Ewigkeit nicht mehr mit!"

Ich stelle Piotr die Kaffeetasse hin und setzte mich ebenfalls auf einen Stuhl, nachdem ich die ganzen darauf liegenden Zeitschriften auf den Boden geworfen habe. „Zwei Wochen sind keine Ewigkeit, Domi, außerdem habe ich keine Lust. Das Master wird langweilig, wenn man zu oft dort hingeht. Wahrscheinlich hast du nur zu viele Pillen eingeworfen und glaubst deswegen es geht dir besser." Wow, bei diesem Wetter entwickle ich mich ja zu einem richtigen Arschloch. Doch das ist mir egal, Domi hält das schon aus.

„Gut, dann eben nicht ins Master", gibt Domi nach. Er hat meinen Kommentar einfach überhört. „Aber vor ein paar Tagen hat ein neuer Club aufgemacht. Devil's Tears soweit ich weiß. Hat mir der Typ erzählt, der die Fliesen verlegt." Ich nicke nur. Domi lässt den Kater sitzen und robbt auf Knien zu mir. Zu meinen Füßen hockt er sich hin und sieht mich an. Manchmal frage ich mich echt, ob er weiß, was er tut. Wäre er nicht mein bester Freund, würde es jetzt wahrscheinlich in meiner Hose gefährlich eng werden.

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