Kapitel Acht

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Es ist halb vier in der Nacht und ich sitze auf meinem Sofa und starre auf den Fernsehbildschirm, auf dem irgendeine Sitcom läuft die ich nicht kenne und auch nicht mag. Domi liegt neben mir, zusammengerollt und seinen Kopf auf meinem Schoß platziert. Vor einer Stunde bin ich von meiner Schicht nach Hause gekommen, nur um ihn in meinem Bett vorzufinden, weinend und sich an Grinsekatze klammernd wie an eine Rettungsboje. Ich habe den Kater befreit und mich meines besten Freundes angenommen.

Wie sich herausgestellt hat, ist Ned doch das Arschloch für das ihn von Anfang an gehalten habe. Er hat Domi betrogen, mit dem Argument, dass ihm mein Freund zu grün hinter den Ohren ist und sich lieber wieder ein Weib suchen soll. Aber ich fürchte, das hat Domi in nächster Zeit nicht vor. Seine Haare sind links pink, rechts dunkelblau und sein Kleidungsstil könnte nicht femininer sein. Mädchen schauen ihm nur hinterher weil sie ihn unglaublich süß und schwul finden.

Domi schnieft im Schlaf und drückt seinen Kopf gegen meinen Bauch und damit gleichzeitig gegen meinen Schritt. Aber es stört mich nicht, gegen Domi bin ich immun, dafür kenne ich ihn zu lange und damit auch alle seine Macken. Er kann schon als bester Freund extrem anstrengend sein. Sein Bruder will ihn immer noch nicht zurück haben und scheint ihn auch nicht zu vermissen – zumindest habe ich Piotr schon seit fast zwei Wochen nicht mehr gesehen.

Genauso wie Sam.

Verdammt, der Gedanke an den Jungen macht mich traurig. Er hat sich natürlich nicht mehr bei mir gemeldet und als ich einmal zum Mittendrin gegangen bin, um nach ihm zu sehen, stand dieser Pavel vor der Tür wie ein Bodyguard. Ich wollte Sam nicht in Schwierigkeiten bringen also bin ich wieder verschwunden, bevor ich gesehen wurde. Domi murmelt irgendetwas, aber ich streichle ihm nur durch die Haare und er hört wieder auf. Er tut mir leid, auch wenn ich das nie vor ihm zugeben würde. Seine Depressionen waren gerade dabei besser zu werden – er hat eine ganz eigene Art von bipolaren Störungen, seine Stimmung kann so schnell umschlagen, dass er selbst damit total überfordert ist.

Mein Handy reißt mich ganz plötzlich aus diesen düsteren Gedanken. Schnell hole ich es aus meiner Hosentasche und hebe ab, damit das Klingeln nicht Domi aufweckt. „Scott dran", sage ich und bemerke wie müde sich meine Stimme tatsächlich anhört. Die fünf Stunden Schlaf vom Vortag sind nicht die beste Voraussetzung um die Nacht durchzumachen.

„Hey S-Scott. Bist du d-der, mit dem Sa-Sam befr-freundet ist?"

Durch das Stottern verstehe ich kaum, was der junge Mann am anderen Ende der Leitung sagt. Aber Sams Namen habe ich verstanden, also drücke ich das Handy näher an mein Ohr. „Wer ist dran?"

Atmen ist zu hören, dann ein nervöses Lachen. „Ist do-doch unwich... unwichtig. Du mu-musst helfen."

Ich runzle die Stirn. Anscheinend will der Typ nicht viel reden, wahrscheinlich ist ihm peinlich, dass seine Sätze so zerhackt klingen. Mit der freien Hand beginne ich durch Domis Haare zu streicheln, nur um etwas tun zu können. „Was kann ich tun für dich um... drei Uhr in der Nacht?", frage ich mit einem kurzem Blick auf die Uhr. Ein erschrockenes Geräusch am Ende der Leitung. Dann wieder Stille. „Woher, woher kennt Sam d-dich?"

Darauf gebe ich keine Antwort. Ich weiß nicht, ob es Sam recht ist, dass ich jedem von seinem Suizidversuch erzähle. Irgendwie finde ich ist das etwas, das mich genauso wenig etwas angeht wie diesen stotternden Jungen am Telefon oder sonst jemanden.

„Womit soll ich helfen?", frage ich, harscher als gewollt. Auf meinem Schoß grunzt Domi, beginnt sich zu räkeln. Ich streichle ihm weiterhin durch die Haare um ihn zu beruhigen, aber er schlägt trotzdem die Augen auf. Aus seiner liegenden Position schielt er zu mir nach oben. Seine Augen sind gerötet. „Wer ist das?", flüstert er. Ich zucke mit den Schultern. Am anderen Ende der Leitung ist nur Atmen zu hören, im Hintergrund schreit irgendjemand und etwas kracht. Besorgt runzle ich die Stirn. „Alles okay?", frage ich ins Handy. Domi setzt sich jetzt auf, kuschelt sich an meine Seite und drückt seine Nase an mein Genick. Seine Beine legt er über meinen Schoß.

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