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Der Weg zu dem kleinen Backhaus verlief anfangs relativ leise. Um meine Blöse zu verstecken, bestaunte ich meißtens die Umgebung mit den alten Häusern und dem romantischen, majestätischen Flair.
Zwischen Jamie und mir herrschte eine unangenehme Stille, während die Spannung dauerhaft wuchs. Er warf mir ein paar verstohlene Blicke zu und grinste, als ich ihn dabei erwischte.
Ein Grinsen, was meine Knie weich zauberte: Die kleinen Grübchen hoben sich leicht ab und ließen ihn unglaublich glücklich aussehen, während das Blau in seinen Augen unglaublich anmutig strahlte und die leichten Locken seidig glänzten. Immer wieder fielen sie zur Seite und wurden dann mit muskurlösen Händen nach hinten gekämmt.

Wie kann man nur so sexy sein?

Mich hingegen hatte keinerlei positive Energie erwischt und die Schönheit war täglich überall, nur nicht bei mir.
Stattdessen war ich völlig verfallen in den Anblick dieses vollkommenden Jungen.
Die kleinen Stromschläge, die meinen Körper dauerhaft durchjagten, verteilten pure Nervosität und Aufregung.
Ich musste mich selber zum Wegschauen zwingen, wenn er sich durch das Haar fuhr oder die geschwungenden Lippen befeuchtete. Allein der Anblick machte mich an.

Gott steh mir bei, wenn er das bei mir machen würde.

Der Gedanke an solche schönen Lippen auf meinen, ließ mich grinsen. Wie würde es sich wohl anfühlen?
So gut, wie alle sagten?
Es würde sich bei ihm besser anfühlen. So gefühlvoll und liebkostend, so unendlich köstlich und süchtig, so bereit, mehr zu tun.
Mein inneres Auge stellte mir das schönste Ereignis dar und verpasste eine prikelnde Gänsehaut.
"Du solltest öfters lächeln. Das sieht süß aus.", kam es von der Seite und verwischte alle meine Vorstellungen.
Ich lief rot an, während mein Hirn realisierte, was gerade passiert war. Es war so krank und doch schön. Nie hatte ich bei gutaussehenden Männern Vorstellungen gehabt oder Szenarien vor Augen.

Ich habe das erste Mal geschwärmt.
Aber warum jetzt?

Jamie stand da, mit Händen in den Manteltaschen, und versuchte nicht mal hübsch zu sein.
So unbeschwert, ungezwungen und natürlich.
Blinzelnd schaute ich ihn an.
Mein Mund war trocken und das Hirn benebelt.
"Okay...", setzte ich an und versuchte nicht zu lachen,"...so leid es mir auch tut, das sagen zu müssen, aber wenn du mich wirklich kennen würdest, dann wüsstest du, dass ich alles bin..." Nun grinste er erwartungsvoll und wartete.

Bring's hinter dir, bevor du es vermasselst.

"..nur nicht süß.", sprach ich zu Ende und schaute ihm dann direkt in die Augen.
Er wirkte leicht irritiert und überrascht von der Reaktion, beinahe überrumpelt. Seine Züge wurden ernst und noch schöner.

Hilfe.

In seinem verwunderten Gesicht bildete ich ein leichtes Lächeln. "Schön zu wissen.", strahlte er und ging einen Schritt rückwärts, immer den Blick auf meine Augen geheftet.
Der Blick, mit dem er mich ansah, ließ mich nicht mehr los und fesselte alles in mir:
Ich sah so tief in Jamie's Inneres, das sein Herzschlag die Luft zum Dröhnen brachte und die Atemzüge zwischen uns zu Wirbelstürmen wurden.
"Wenn es dir nichts ausmacht, könntest du ja mehr von mir erfahren und andersrum genauso."
Ich wurde losgelassen und fiel in die Schlucht der Leere.
Blinzelnd sah ich ihn an.
Erstaunt über seine Offenheit öffnete sich leicht mein Mund, um zu sprechen, doch es kam kein einziger Ton heraus.

Er will mir private Sachen erzählen?

Ich grinste sofort drauf los.
Meine Füße gingen langsam weiter und er lief vorsichtig rückwärts vor mir. Wir kannten uns nicht mal eine Stunde und ich fühlte mich wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum."Gern, das wäre...cool.", grinste ich und wurde von Glückshormonen überrumpelt. Ich legte eine kleine Freundendrehung hin und dann einen höflichen Knicks. Jamie lachte laut drauf los und ich konnte auch nicht anders, als zu kichern.

Eine viertel Stunde unendliches Lachen und beschämte Röte endete, als der Big Ben vor meinen Augen auftauchte.
Glücklich beschleunigte ich meine Schritte und Jamie stürtzt sich schon fast auf die Bäckerei, die genau eine Straße weiter war. "Nicht so schnell,...ich bekomm...kaum Luft...", hustete ich stolpernd, während er lachend weiterrannte.
"Komm schon! Du hast es gleich!", grinste er und winkte mich zu sich.
Ich verlangsamte das Tempo und holte ein paar Mal tief Luft.
Der Eingang wie immer dekoriert:
Das Schaufenster war mit einer schönen Schrift beklebt und frisch geputzt. Die alten Rundtische und Klappstühle standen unter dem kleinen Vordach des alten Gebäudes, was typisch Englisch in den Himmel ragte. Die Tür stand offen und entlockte dem Laden einen Duft von Brötchen und Marmelade. Kleine Gläser mit Blumen schmückten die Tischplatten und Kissen lagen auf den Stühlen.
Alles war so liebevoll gemacht, dass es zu meinen aktuellen Lieblingsorten in London gehörte. In liebte diese Straße.

Jamie stand schon frech grinsend in der Tür, als ich um die Ecke bog und mir eine Strähne aus dem Haar pustete. Jedoch musste ich schnell wieder nach Luft schappen, denn das Abbild vor meinen Augen zeriss mir fast die Lunge.

Nein. Der will mich doch ärgern.

Doch irgendwie schien er nichts davon zu bemerken.
Seine Gesichtszüge waren entspannt, der Blick verträumt und gelassen, die Hände nach oben gestreckt, um seinen Mantel aufzuhängen:
Er stand dort, mit einem weißen T-Shirt, und sah zum töten gut aus.
Sein muskulöser Rücken zeichnete Muster durch den dünnen Stoff, wie Meereswellen auf hoher See. Die Bauchmuskeln drückten sich unter dem Weiß hervor und schlängelten mit jeder Bewegung hin und her. Seine gerade bemerkten Tattoos zierten seine Arme und die Brust, wie wunderschöne Kunstwerke.

So viel Schönheit ist unmöglich.

Nein, das konnte nicht wahr sein. Er war zu schön, um wahr zu sein.
Als Jamie sich umdrehte und nach mir rief, hätte er nur eine Pfütze vorfinden müssen.
"Lily, beeil dich bitte, sonst gibt es Abendbrot.", meinte er höflich grinsend, zwinkerte und verschwand dann im Laden.

Ich kann nicht mehr.

Der Klang seiner Stimme, während er meinen Namen sagte, brach alle Dämme der Gefühle. Immer noch zitternd konnte ich mich kaum bewegen.
Er war viel zu schön, viel zu ehrlich, viel zu gutmütig viel zu heiß...viel zu perfekt.
Auch wenn wir uns nicht mal richtig kannten, ich konnte ihn einfach nur angaffen. Alles war so unglaublich an ihm, dass es fast wehtat.
Wieso?
Es wusste keiner, selbst wenn andere es sagen würden.
Langsam trat ich über die Schwelle der Bäckerei und atmete tief ein.
Er saß bereits schon mit zwei Tabletts da und trank seinen Kaffee, während er über den Rand seiner Tasse lächelte und neben sich klopfte.
So nah neben ihm zu sitzen konnte nicht gut gehen. Aber wenn ich jetzt ablehnte, bemerkte er, dass ich ihn für den schönsten Mann auf Erden hielt.

Viel Glück. Ich hoffe, du fliegst nicht auf.

Schaupieler und andere ProblemeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt