Kapitel 4

35 5 6
                                    

Ich wache auf.

Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich eingeschlafen bin.

Einen Moment denke ich, dass das alles vielleicht gar nicht wahr ist, doch als ich mit der Hand über den Boden fahre, spüre ich Sand. Ich öffne die Augen. Sand. Wie noch vor... Wie lange habe ich eigentlich geschlafen? Ich hebe langsam meinen linken Arm an um auf meine Uhr zu schauen, doch als mein Arm über mir ist, sehe ich nur mein Handgelenk. Ich fasse mir an den Hals. Meine Kette ist auch weg. Eigentlich habe ich diesen Männern noch nichts von meinen Wertsachen gegeben, als sie bei uns im Bus waren. Ich habe keine Ahnung wo meine Sachen jetzt sind. Ich weiß nur, dass sie weg sind. Wie Sam.

Ich schüttele den Kopf um die Gedanken an sie aus meinem Kopf zu verbannen und setze mich langsam auf. Dabei stütze ich mich mit der linken Hand. Die Rechte ist immer noch nicht zu gebrauchen. Als ich sitze spüre ich, wie mein Kopf pocht. Ich fasse mit der Hand an meinen Kopf und spüre etwas klebriges. Ich betrachte meinen Finger. Blut. Es ist schon fast getrocknet.

Sie haben mich geschlagen. Immer und immer wieder. Bis ich das Bewusstsein verlor.

Aber daran darf ich jetzt nicht denken. Langsam richte ich meinen Oberkörper auf. Ich spüre die Hitze auf meiner Haut. Ich sehe, wie ein Schweißtropfen mein Bein herunterläuft. Dieser Schweißtropfen erinnert mich umgehend an Wasser und ich spüre, dass mein Hals trocken ist. Eine Flasche habe ich nicht. Ich habe nichts außer meiner Kleidung. Ich schaue mich um, doch auch in meinem näheren Umfeld sehe ich kein Wasser. Aber wie sollte es auch anders sein. Ich bin in der Wüste. Hier ist nichts außer Sand. Am besten bleibe ich hier, bis ich strebe. Aber ich weiß selber, dass ich das nie tun würde. Niemand würde das tun. Der Überlebensinstink ist einfach zu stark, das weiß ich. Wieso soll ich also noch länger hier rum sitzen, wenn ich früher oder später eh anfangen würde nach Wasser zu suchen? Ich kann genauso gut jetzt anfangen zu suchen. Langsam ziehe ich das eine Bein an und stütze mich darauf. Es fühlt sich steif an, doch es tut nicht wirklich weh. Jetzt ziehe ich auch das andere an. Ich zähle bis drei und stemme mich hoch. Ich wanke nach links, fange mich aber wieder. Ich bin wackelig auf den Beinen, doch ich stehe. Zögerlich versuche ich einen Schritt nach vorne. Ich breite die Arme aus, damit ich mein Gleichgewicht besser halten kann. Dann gehe ich nochmal einen Schritt und noch einen. Es funktioniert. Ich blicke mich um. Überall sieht es gleich aus. Ich schaue zur Sonne und bemerke, dass sie deutlich weiter links steht als das letzte Mal, als ich sie gesehen habe. Also ist links von mir Westen. Vor mir ist Norden, rechts Osten und hinter mir Süden. Aber wo soll ich jetzt hingehen? Unser Hotel ist an der Küste also im Norden. Wir sind nach Süden gefahren um uns die Pyramiden anzuschauen. Im Süden sind also nur Pyramiden. Außerdem sind wir noch nicht so weit gefahren, dass im Süden sie Wüste bald aufhören würde. Norden. Norden muss richtig sein. Wir sind gerade mal zwei oder drei Stunden mit dem Bus gefahren. Ich kann nicht weit weg von der Küste sein. Tief in mir drin weiß ich, dass es nicht so ist, doch ich will es nicht wahrhaben. Ich fange an geradeaus zu laufen. Ich komme nur langsam voran, da meine Beine noch wackelig sind. Doch das ist nicht das einzige Problem. Bei jedem Schritt tut meine Schulter weh und mein Hals kratzt mit jedem Atemzug. Trotzdem zwinge ich mich weiter zu laufen und versuche einfach die Beschwerden zu ignorieren. Doch das halte ich nicht lange durch. Jeder Schritt ist eine Qual. Aber ich muss weiter, egal wie weh es tut. Die Sonne wandert langsam weiter nach links, doch es ist keine einzige Wolke am Himmel, die sie für einen Moment verdecken könnte und so Schatten spenden könnte. Es ist immer noch unerträglich heiß.

Falling worldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt