Kapitel 6

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Viel schlafen kann ich nicht. Es ist kalt und von überall höre ich merkwürdige Geräusche. Zum ersten Mal, seit ich hier in der Wüste bin, bekomme ich Angst. Davor musste ich mich immer auf andere Sachen konzentrieren. Das Aufstehen. Das Laufen. Meine Wunden. Doch nun wo ich hier einfach nur im Sand liege, mir über nichts Gedanken machen muss, steigt die Angst in mir auf. Was wenn ich nie wieder nach Hause komme? Was wenn ich hier armselig verdurste und mich dann die Geier aufessen? Die Vorstellung ist grauenhaft, doch sie lässt sich jetzt nicht mehr aus meinem Kopf vertreiben. Gibt es hier überhaupt Geier? Bestimmt. Ich beginne zu zittern. Keine Ahnung ob es die Angst oder die Kälte ist. Wahrscheinlich beides. Ich will einfach nur nach Hause.
Ich falte die Hände und mache etwas, was ich davor selten-eigentlich nie-gemacht habe.
Ich bete.
Ich bete für mich, dass ich hier nicht verdurste, schnell Wasser finde oder vielleicht Menschen hier vorbeikommen, mich finden und mitnehmen, dass das alles hier endlich ein Ende hat. Aber am meisten bete ich für Sam. Dass sie noch am Leben ist und wohlauf im Hotel. Dass sie sich, wenn sie noch lebt, keine allzu großen Sorgen macht. Und vor allem, dass sie ihr Lächeln durch dieses schreckliche Ereignis nicht verloren hat. Denn ihr Lächeln ist bezaubernd. Wenn sie lächelt scheint die ganze Welt für einen Augenblick stillzustehen. Wenn sie lächelt, verschwinden alle Sorgen dieser Welt für einen Moment.

Ihr Lächeln. Das ist es, was ich am meisten vermissen werde, wenn sie...Nein! Nicht daran denken. Bloß nicht daran denken. Ich muss mich ablenken. Doch mit was?

Ich zittere immer noch. Es ist kälter, als ich es mir jemals bei einer Wüste vorgestellt hatte. Meine Zähne klappern und ich spüre, wie die Kälte unter meine Haut kriecht. Langsam stellt sich jedes meiner Haare auf. Ich reibe mit meiner Hand über meinen Arm und meine Beine, doch es bringt nicht wirklich viel. Meine Hotpants und das Top, das ich anhabe, halten mich kaum warm. Für tagsüber sind sie gut. Aber jetzt wünsche ich mir, ich hätte wenigstens eine dreiviertel Hose angezogen und ein Jäckchen über das Top.
Ich ziehe meine Beine noch näher an meinen Körper. Meine Zähne klappern und ich beiße sie fest zusammen um es zu unterdrücken. Eine Weile funktioniert es, doch irgendwann tut mein Kiefer weh. Ich entspanne ihn und prompt fängt das Zähneklappern wieder an. Langsam spüre ich, wie meine Finger taub werden. Ich balle meine Hände zu Fäusten und löse sie wieder um wieder Gefühl in meinen Fingerspitzen zu bekommen. Meine Augen habe ich immer noch geschlossen in der Hoffnung ich würde vielleicht doch irgendwann noch einschlafen, doch als ich eine gefühlte Ewigkeit da so im Sand rumlag, merke ich, dass ich diese Nacht garantiert keinen Schlaf finden werde. Also öffne ich die Augen. Ich sehe den Rand eines Sternenhimmels.

Ich will ihn ganz sehen.

Darauf bedacht meinen rechten Arm und die rechte Schulter so wenig wie möglich zu bewegen drehe ich mich auf den Rücken. Und dann sehe ich den ganzen Sternenhimmel über mir. Er ist wunderschön. Ich hab ihn noch nie richtig gesehen. Zu Hause konnte man ihn nicht sehen. Zuhause sind einfach zu viele Lichter. Aber hier...hier ist nichts, was einem die Sicht versperren könnte oder was die Sterne schwächer leuten lässt. Zum ersten Mal sehe ich ihn in seiner vollen Pracht. Mein Blick wandert von Stern zu Stern und ich kann mich gar nicht sattsehen. Alle sagen immer, dass Promis schön sind, oder Farben. Das finde ich auch. Doch jetzt erst erfasse ich sie Bedeutung wahrer Schönheit. Das hier ist wahre Schönheit.

Nach langer Zeit kommt von mir auch endlich mal wieder was.
Ich hoffe es gefällt euch und schöne Ferien euch allen.

Falling worldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt