Schattengeflüster

Prolog

„Dieses Kind ist nicht normal, John. Was sollen wir denn machen?", stieß meine Mutter leise hervor, darauf bedacht, dass sie niemand, außer mein Vater, hörte. Vergeblich, dachte ich mir. Sie dachten wohl, dass ich noch immer in meinem Zimmer war. „Das geht jetzt schon seit ihrem Geburtstag so."

„Beruhige dich, Danielle. Vielleicht ist es nur eine Phase. Du kannst das Mädchen nicht in eine Psychiatrie stecken, mit ihren sechs Jahren. Und Jake, wie würde er sich denn fühlen, wenn seine große Schwester nicht mehr da ist?", argumentierte mein Vater.

Sie wollten mich in eine Psychiatrie stecken? Es war doch nur ein bisschen Blut, das ich getrunken hatte, nichts Schlimmes. Was auch passierte, ich würde auf keinen Fall dorthin gehen. Niemals. Ich hab nur mal ein paar Dinge über Psychiatrien gehört und das, was ich wusste, reichte mir, um zu wissen, dass ich auf keinen Fall dort hin wollte.

„Dann gehen wir mit ihr zum Arzt. Wir müssen Amelia helfen." Das war der letzte Satz, den meine Mutter hervor brachte, ehe sie in Tränen ausbrach und aus dem Wohnzimmer stürmte. Beinahe wäre sie mit mir zusammen gestoßen, wäre ich ihr nicht im letzten Moment ausgewichen. Sie hatte mich wohl nicht entdeckt, denn sie lief unbekümmert weiter. Vorsichtig spickte ich in das Wohnzimmer, wo mein Vater mit verzweifelter Miene auf dem Sofa saß.

„Dad? Werdet ihr mich jetzt weggeben?", wisperte ich leise und kam ihm langsam näher.

„Nein, mein Schatz. Wir werden zu Dr. Evans gehen. Vielleicht weiß er ja, was mit dir los ist.", antwortete er mit müder Stimme. Er sah wirklich fertig aus. Und das alles wegen mir. „Geh jetzt bitte schlafen. Du bist sicher müde."

„Du doch auch.", sagte ich sofort. Ich machte mir Sorgen um ihn und um meine Mutter auch. War ich vielleicht eine Belastung für sie?

Ohne ein weiteres Wort schob mich mein Vater in Richtung meines Zimmers. Auch, wenn ich es nicht wollte, legte ich mich in mein Bett und schlief ein, bis ich am nächsten Morgen von lauten Stimmen geweckt wurde.