Kapitel 1

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Verdammt! Gleich am ersten Schultag zu verschlafen, sind natürlich die besten Voraussetzungen für das neue Schuljahr. Ein Glück hatte ich noch zehn Minuten Zeit, bis der Unterricht beginnen würde. Dann musste ich wohl heute mal das Frühstück auslassen. Mit der überaus praktischen Vampirgeschwindigkeit flitzte ich aus meinem Wohnheim und rüber zum Klassenzimmer Trakt. Im Gang zu meinem Klassenzimmer drosselte ich mein Tempo und lief ganz normal weiter. Als ich in den Raum eintrat, wurde ich plötzlich umgestoßen.

"Oh, sorry! Eigentlich wollte ich dich nur umarmen."

Ich blickte in das Gesicht von meiner besten Freundin, die lachend zu mir hinab schaute. Sie half mir hoch und sie zog mich sofort in eine Umarmung. "Ich hab dich so vermisst, Ruby.", murmelte ich in ihre feuerroten Haare.

"Ach Amelia, ich dich doch auch. Seit wann bist du da? Ich bin gestern Abend erst gekommen."

"Schon seit Freitag. Ich hab gestern mein Zimmer nur zum Essen verlassen. War stinklangweilig hier, ohne dich.", erzählte ich ihr und wir setzten uns an einen Platz.

Ich ging auf ein Internat für Vampire, mitten in der Pampa in Colorado. Ich war schon ein paar Tage früher hierher zurück gekommen, um mich besser auf den ersten Schultag vorbereiten zu können. Stattdessen habe ich gar nichts gemacht, außer natürlich den ganzen "Tag" fernzusehen. Denn, wenn für die Menschen Nacht war, war es bei uns Tag. Unsere Augen waren besser und unsere Haut war wesentlich empfindlicher als die der Menschen. Auch wenn wir auch in die Sonne gehen konnten, bekommen wir sehr schnell einen Sonnenbrand, der höllisch weh tut.

Ruby und ich fingen an uns gegenseitig von unseren Ferien zu erzählen. Ich war drei Wochen lang in einem Camp mit meinem Bruder Jake. Ich wurde von unseren Eltern dazu gezwungen und ich war mir sicher, dass ich garantiert nie wieder dahin gehen würde, aber dazu später. Als der Lehrer in den Raum eintrat, verstummten plötzlich alle Gespräche. Es war ausgerechnet Mr. Connor, der gefürchtetste Lehrer auf der Academy.

Er schaute uns mit seinen kalten, dunklen Augen entgegen und räusperte sich.

"Fangen wir an. Dieses Schuljahr ist nichts für Faulenzer. Wir werden einige Themen behandeln. Gibt es irgendwelche Fragen?", fing er an zu reden. Er hatte diese Gabe, jeden in der Klasse gleichzeitig zu beobachten, was wirklich ziemlich gruselig war.

Ben, ein Junge aus meiner Klasse, hob die Hand und stellte seine Frage. "Sie sind unser Klassenlehrer?", fragte er, als er von Mr. Connor aufgerufen wurde. Ben wirkte eingeschüchtert als er sprach.

"Richtig. Sonst noch Fragen?" Er ließ seinen Blick durch den Raum gleiten und sein Blick blieb auf mir ruhen.

"Aah, Miss Hayes. Wie schön. Lasst uns doch mal schauen, wie viel Sie vom letzten Jahr noch wissen. Miss Hayes, erzählen Sie mir doch mal, wie der letzte Bürgerkrieg in unserer Welt begann."

Mr. Connor und ich hatten letztes Jahr leider eine unschöne Begegnung miteinander, während ich nachsitzen musste und er die Aufsicht übernahm. Ich dachte, dass unsere Sekretärin Aufsicht hatte und beschmierte den Stuhl mit Kleber. Meine Mitschüler haben mich verpfiffen, da sie nicht nochmal nachsitzen wollten und seitdem hatte mich Mr. Connor auf dem Kieker.

Natürlich wusste ich die Antwort nicht, also musste ich wohl passen.

"Entschuldigung, Mr. Connor, Sir. Ich weiß es nicht." Er schaute mich nur triumphierend an und schrieb etwas in sein kleines Buch. Er stellte nochmal dieselbe Aufgabe, fragte jedoch dieses Mal die ganze Klasse und nicht nur mich. Es meldete sich Lotta und beantwortete, wie immer, die Frage perfekt. Wie jeder Lehrer antworten würde.

Die Stunde zog sich und ich dachte schon, der Schultag würde nie zu Ende gehen, bis ich mich in mein Zimmer zurück zog. Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn ich wurde geweckt, durch ein Hämmern an der Tür. Als ich sie öffnete, stand mein genervter kleiner Bruder Jake vor mir.

In Erwartung, dass er etwas sagt, schaute ich Jake an, doch er hielt meinem Blick genervt stand.

"Was willst du, Jake?", fragte ich, nachdem einige Sekunden verstrichen waren.

"Du hast meinen Kapuzenpulli."

"Wegen einem Kapuzenpulli machst du so einen Aufstand?"

"Das ist mein Lieblingspulli." Ich verdrehte die Augen. Ich kramte seinen bescheuerten Pulli aus meinen Sachen hervor und drückte ihn ihm in die Hand. Ich drehte mich wieder um und schlug die Tür vor seiner Nase zu.

Als ich wieder zu meinem Bett lief, hörte ich noch ein gedämpftes "Danke" von ihm, bevor er wieder den Gang entlang zu seinem Zimmer rannte. Als ich mich gerade wieder hinlegen wollte, klopfte es erneut. Ich stand auf und lief zur Tür, um sie zu öffnen. Vor mir stand Ruby. Sie hielt zwei Äpfel in der Hand und drückte mir einen davon in die Hände.

"Du siehst scheiße aus. Hast du geschlafen?" Sie lief an mir vorbei und setzte sich auf mein Bett.

"Ehrlich wie eh und je. Jake hat mich gerade geweckt.", antwortete ich und biss in den Apfel.

Komischerweise hatte Ruby immer einen Apfel dabei. Sie liebte Äpfel, aß aber nur die ganz roten. Auch wenn sie nicht viel anders schmeckten als welche, die gelb oder grün waren.

"Wollen wir uns die neuen Schüler anschauen?", fragte sie mich, nachdem wir uns eine Weile unterhalten hatten. Natürlich willigte ich ein und wir erzählten immer noch von unseren Ferien. Ich hatte meine besonderen Erlebnisse noch nicht erwähnt, als sie mich danach fragte. Bisher hat eigentlich nur sie geredet, was mir nichts ausmachte, denn ich wollte nicht so wirklich darüber reden. Ich wollte gerade anfangen zu reden, als ich plötzlich gegen jemanden stieß und auf den Boden fiel.

"Oh sorry, das tut mir- Du?" Ich blickte in das Gesicht meines Erzfeindes, Isaac, den ich von diesem bescheuerten Camp kannte.

"Was machst du hier?", zischte ich ihn verdutzt an, während ich mich aufrappelte. Schon das zweite Mal an diesem Tag, dass ich umgestoßen wurde.

"Nein, was machst du hier? Ich geh hier zur Schule. Und das schon seit der ersten Klasse."

"Ich vielleicht auch?"

Er schien ganz außer sich zu sein. Kein Wunder, denn wir konnten uns auf den Tod nicht ausstehen. Wütend lief er an mir vorbei, zu seinem Wohnheim, das, wie ich feststellen musste, dasselbe war, in dem ich wohnte. Warum waren wir uns vorher noch nie begegnet? Er war doch im selben Jahr wie ich.

"Wer war das denn? Der war ja total heiß.", fragte Ruby.

"Erzähl ich dir wann anders. Lass uns zu den neuen Schülern gehen."

Ich wollte wirklich nicht darüber reden, vor allem weil es mir total peinlich war. Und, auch wenn ich es nicht zugeben wollte, Isaac sah wirklich sehr gut aus.

In dem Grundschulgebäude herrschte totales Chaos. Wie jedes Jahr waren die Eltern der Kinder da, um sich bei ihnen zu verabschieden, denn manche werden ihre Familie erst wieder in einem Jahr sehen, weil viele nicht vor Ende des Schuljahres nach Hause kommen.

Auch wenn es schon Nachmittag war, waren die Schüler gerade erst aus ihren Klassenzimmern gekommen, weil am ersten Schultag der ersten Klasse, den Schülern einen Vortrag gehalten wird, der alles beinhaltete, was sie wissen mussten.

Ich erinnerte mich noch genau an meinen ersten Schultag. Der Vortrag war sterbenslangweilig, aber es war auch der Tag, an dem ich Ruby kennenlernte. Wir saßen nebeneinander und mitten im Vortrag bot sie mir einen Apfel an. Seitdem waren wir unzertrennlich.

SchattengeflüsterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt