Auf der Straße stolpert er, krümmt sich zusammen. Sein Magen verkrampft sich, doch alles was hervorkommt ist Galle. Schwächer als zuvor zieht er sich an einem alten, morschen Balken hoch und blickt in die gleißende Sonne, die die ganze Straße erhellt. Die rege Triebsamkeit, der Lärm.. auf seine eigene Weise gibt es ihm die Energie, vorsichtig weiterzugehen. Er nimmt sich einen Apfel von einem der Stände und wirft dem Verkäufer zehn Bolívar zu, auch wenn der Apfel ziemlich weich war und sicher nicht ganz frisch - es war besser als nichts. Damit setzte er sich in eine schattige Ecke und beobachtete die Straße. Ein paar der Gesichter kamen ihm bekannt vor, und einige kannte er wirklich - bekannte Bandenmitglieder, die ihre Identität nicht versteckten. Schnell das Gesicht unter dem Schal versteckt und ein Stück weiter in die Ecke gerutscht. Musste ja nicht jeder wissen, dass er noch lebte - vermutlich dachte er, es gäbe ihn gar nicht mehr. Konnte gut sein, nachdem man eine Woche lang absolut nichts von ihm gehört hatte.
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Eine Berührung an seiner Schulter weckte ihn, was ihn sofort zusammenzucken ließ. Er war auf der Straße eingeschlafen, verdammt, das hätte sein Tod sein können!
Na gut, wen juckt's. Seine Beine taten weh und er war leicht verkühlt, seine Arme ganz taub. Vorsichtig streckte er sich und drehte sich dann der Person zu, die ihn geweckt hatte - und jetzt genau neben ihm in der Hocke war. Dunkelbraune Augen starrten ihn unter dichten, schwarzen Brauen an. Er sah nicht gerade freundlich aus, die Narbe die seine Lippe einschnitt sprach Bände. Nathanial hob herausfordernd die Augenbrauen.
"Is' was?" Instinktiv hatte er Spanisch gewählt, und der zuckende Mundwinkel seines Gegenübers sagte ihm, dass er damit richtig lag. Diese antwortete mit gesenkter Stimme:
"Wer bist du, und was machst du hier, Fremder?" Das letzte Wort spuckte er Nathanial fast entgegen.
"Bin eingeschlafen, ich verschwinde ja schon." Rasch stand er auf und brachte etwas Abstand zwischen sich und den Fremden. Er hob halb die Hand um sich zu verabschieden, dann wandte er sich um und ging raschen Schrittes davon, als er die Schritte hinter sich hörte und eine Hand auf seiner Schulter. Der Fremde war ihm näher als ihm lieb wäre, und hatte ihm eine Hand auf die Schulter gelegt. "Du hast ein ziemliches Chaos hier angerichtet.. Nathanial. Und dachtest auch noch, wir würden dich nicht finden - falsch gedacht. Aber du hast Glück. Wir sind die Guten hier, wir töten dich nicht einfach, das ist nicht unser Stil. Wir warnen dich. Verschwinde aus Caracas, hier ist kein Platz für dich. Wir wissen dass du keine Bande hast, dass du nicht unser König bist. Du gehörst hier nicht her. Was macht ein Europäer in Venezuela? Was hast du hier zu suchen? Hast du dich mit Mami gestritten und bist abgehauen, 8500 km von Zuhause weg? Caracas wird dich umbringen, Kleiner. Es wird dich in Stücke reißen." Genau diese Worte brachten Nathanial dazu, sich noch einmal umzudrehen.
"Ich weiß nicht wer du bist. Und du kennst meinen Namen, aber sonst nichts. Ich bin schon tot, glaub mir das." In seiner Stimme schwang ein hässlicher Unterton mit, dann drehte er sich wieder um und ging davon.
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Krebstot
AdventureNathanial hat Krebs. Genauer gesagt einen Hirntumor im Endstadium. Er wird sterben, schon bald. Doch so einfach wird er das nicht akzeptieren.