Rechte, die jeder verrückte Angeklagte hat

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„Ich sag nichts ohne meinen Anwalt! Ich habe das Recht zu schweigen!", plärrte ich seit einer halben Stunde den Kaufhausfritzen an, der sich knapp als „Mr Stolen" vorstellte.
Ich saß neben Niall an einem Tisch und der Kerl uns gegenüber.
Er sah gelangweilt aus. Zwischendurch hatte er sich 'nen Kaffee geholt, in einer Zeitschrift geblättert und ein kurzes Telefonat geführt. Ich bezweifelte, dass er mir überhaupt noch zuhörte.
„Das ist eine Zumutung! Sie können uns gar nichts nachweisen! Sie müssen erst Fingerabdrücke finden, Zeugenbefragungen durchführen und so!"
Niall nickte gequält. Er hielt sich einen Kühlbeutel an die Schläfe.
Ich deutete anklagend auf ihn.
„Er ist verletzt! Unzurechnungsfähig! Lassen sie meinen Mandanten, ich meine, lassen sie meinen Freund laufen!"
Mr Stolen sah mich seufzend an.
„Sind wir jetzt fertig?"
„Wir sind noch lange nicht fertig! Aber ich will endlich gehen" schimpfte ich.
„Das dürfen sie nicht. Ich muss erst ihre Personalien und Aussage aufschreiben", erklärte Mr Stolen. Ich schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Also, fangen wir nochmal ganz von vorne an. Sie heißen?" Er sah mich abwartend an.
„Flo", fauchte ich.
Mr Stolen verdrehte die Augen. „Ihr voller Name, bitte"
Ich schwieg.
„Flora Flair", kam es von Niall.
Verräter.
Der Typ sah ihn dankbar an und kritzelte auf ein Blatt.
„Und sie?", fragte er Niall.
„Niall James Horan", meinte Blondie brav.
„Wo wohnen sie?"
„Das geht sie gar nichts an!", knurrte ich.
Mr Stolen seufzte wieder.
„Ok, das können wir später noch nachtragen. Wollen sie mir vielleicht erstmal sagen, was los war?", fragte er mich.
Ich schüttelte den Kopf.
„Ich verweigere die Aussage. Alles, was ich jetzt sage, kann und wird vor Gericht gegen mich verwendet werden"
Mr Stolen sah mich schräg an. „Kann es sein, dass sie zu viel NAVY CIS anschauen?", fragte er.
„Kann es sein, dass sie als Kind vom Wickeltisch gefallen sind?", konterte ich bissig.
„Ok... Wollen sie vielleicht reden?", wollte Mr Stolen von Niall wissen. Der legte den Kühlbeutel auf den Tisch und fasste knapp unsere Prügelei zusammen. Der Mann schrieb fleißig mit und ich fragte mich, warum die hier kein Aufnahmegerät hatten. Als Niall fertig war, legte Mr Stolen den Kugelschreiber zur Seite und schüttelte die Hand.
„Kann irgendjemand ihre Aussagen bestätigen?", wollte er wissen.
„Sehen sie sich doch die Überwachungsvideos an", meinte ich schnippisch.
„Wir haben hier keine Kameras. Wir vertrauen unseren Kunden"
„WAS?!", rief ich. „Das kann nicht ihr Ernst sein! Jedes Kaufhaus hat Kameras!"
„Wir nicht" Mr Stolen klang stolz.
Na klasse. Ich prügle mich einmal in 'nem Kaufhaus und erwische das ohne Kameras.
Gratulation, verdammtes Schicksal.
Niall stöhnte.
„Dann haben wir keine Zeugen", murmelte er und hielt sich den Kopf.
„Tja, das ist schlecht. Dann wird uns nichts weiter übrigbleiben, als-"
Da ging die Tür auf und eine Frau steckte den Kopf ins Zimmer.
„Mr Stolen? Kommen sie mal bitte?" Sie klang leicht verzweifelt.
Mr Stolen stand auf.
„Ich bin gleich wieder da", sagte er zu uns und verschwand.
Kaum war die Tür zu, sprang ich auf und hechtete zum Fenster.
„Erster Stock, Niall. Mit etwas Glück brechen wir uns nichts, wenn wir rausspringen"
Niall sah mich entsetzt an.
„Bist du verrückt? Ich hüpf hier doch nicht mal eben aus dem Fenster!"
Ich kam zu ihm und zog ihn vom Stuhl hoch.
„Komm schon, Blondie! Wir hauen ab. Ich lass mich doch nicht von diesem Freak verhaften"
„Und ich will mir nicht alle Knochen brechen! Ich hab für heute genug abbekommen!", sträubte sich Niall.
„Niall! Hör auf, dich zu wehren!"
„Niemals! Spring von mir aus alleine, aber ich bleib hier!"
„Du kommst mit!"
„Nein!"
„Lass den Tisch los!"
Ich riss an seinem Arm, Nialls Hand rutschte von der Tischkante ab und zusammen knallten wir auf den Boden.
„Aua. Flo, mein Kopf", jammerte Niall.
„Wieso können wir uns eigentlich nicht mal normal unterhalten? Ständig fliegen wir aufeinander", ächzte ich.
In diesem Moment ging die Tür auf. Mr Stolen, Harry, Zayn, Louis und Liam standen da und glotzen uns an. Die Jungs hatten immer noch die Sonnenbrillen und die Schautzer.
Liam fing sich als Erster wieder.
„Flo, Niall, was macht ihr denn da? Euch kann man keine Sekunde aus den Augen lassen!"
Tadelnd kam er auf uns zu und zog Niall von mir runter. Ich starrte ihn perplex an. Harry kam zu mir und half mir hoch.
„Wir hatten euch doch gesagt, ihr sollt euch nicht so weit von der Psychiatrie entfernen!", meinte er. „Psychiatrie? Geht's noch?", fauchte ich empört.
„Da sehen sie es! Das arme Mädchen ist ganz durcheinander", wandte sich Louis an Mr Stolen, der uns stirnrunzelnd beobachtete.
„Jaja, so ein Trauma ist nicht zu unterschätzen", kam es von Zayn.
Niall schnallte ebenso wenig wie ich.
„Trauma? Welches Trauma?", fragte er verwirrt.
Liam tätschelte Blondies Schulter. „Gut so, Niall. Verdräng es"
Harry nahm mich an die Hand.
„Komm, Flo. Wir gehen"
„Pfoten weg!" Ich schlug nach seiner Hand. Harry zuckte zurück.
„Ihr Idioten erklärt mir sofort, was los ist!" Ich stemmte die Arme in die Hüfte.
Zayn kam auf mich zu.
„Flo, wir wissen, dass du Schweres durchgemacht hast. Aber wir wollen dir helfen. Jetzt komm mit" „Ich hab nichts Schweres durchgemacht!", schimpfte ich. „Ich-"
Plötzlich packte mich Harry von hinten und hielt mir den Mund zu.
„Schluss jetzt, Flo. Zurück in die Psychiatrie, wo du deine Spritze bekommst", meinte er entschlossen. Zayn nahm meine rechte, Harry meine linke Hand und zusammen versuchten sie mich mitzuziehen. „Lasst mich los!", zeterte ich und stemmte meine Füße in den Boden.
„Komm mit, Flo!", meinte Harry.
„Nein!"
„Dann halt nicht" Zayn zuckte mit den Schultern und schleifte mich mit Curly am verdatterten Mr Stolen vorbei aus dem Zimmer. Liam schob Niall hinter uns her und Louis schüttelte dem Detektiv die Hand.
„Vielen Dank, dass sie auf die Beiden aufgepasst haben"
Dann hüpfte er uns nach. Zayn und Harry zerrten mich durch einen Flur und eine Treppe hinunter, bis wir zu einer Tür kamen. Die stieß Harry mit dem Fuß auf und schob mich raus. Die Anderen folgten. Louis kam als Letzter und knallte die Tür zu. Alle atmeten auf.
Alle, außer ich.
„Könntet ihr mir bitte mal erklären, was DAS für 'ne Aktion war?!", keifte ich.
Louis kam strahlend auf mich zu.
„Klar, Flo! Mach ich gerne! War ja meine Idee" Er räusperte sich. „Nachdem der Typ euch abgeführt hatte, wussten wir überhaupt nicht, was wir tun sollten. Also haben wir uns ein Eis gekauft und uns draußen an den Straßenrand gesetzt. Dabei fiel mein Blick auf ein Straßenschild, auf dem stand: „Psychiatrie, 58 km". Na, und hatte ich einen Einfall. Wir gingen zu der Kassiererin und sagten, wir kämen von der Irrenanstalt und uns wären zwei Leute weggelaufen: Nachdem wir euch beschreiben hatte, führte sie uns gleich zu euch und erklärte dem Kaufhausdetektiv die Situation. Und der hat uns das voll abgekauft! Keine Ahnung, was du da drinnen alles gemacht hast, aber der musste dich für total abgedreht halten!"
Louis lachte. Ich sah ihn finster an.
„Naja, und dass ihr dann noch auf dem Boden lagt, machte die Sache perfekt! Du kannst echt hellsehen, Flo!"
„Sie wollte aus dem Fenster springen und mich mitzerren", kam es von Niall.
Louis guckte erst verwirrt, dann zuckte er mit den Schulter.
„Auch ein guter Plan"
Ich schüttelte den Kopf.
„Wenn hier jemand in 'ne Klapse gehört, dann ihr. Habt ihr die Einkäufe?"
Harry nickte.
„Stehen am Waldrand"
„Gut" Ich seufzte. „Dann würde ich vorschlagen, wir gehen"

Zusammen zogen wir los. Wir gingen diesmal nicht durchs Dorf, sondern außen rum. Es war ziemlich heiß und irgendwann zogen wir alle die Schuhe aus und liefen barfuß über die Wiesen. Louis entdeckte eine Spinne im Gras und hielt sie Zayn unter die Nase, der daraufhin einen halben Herzinfarkt bekam und schreiend davon lief. Niall hingegen war wieder ganz der Alte, und fragte, ob man die essen könne – was er dann auch tat. Mir wurde schlecht und ich hängte mich lieber bei Louis ein, der gutgelaunt Gänseblümchen pflückte. Harry war relativ still und Liam philosophierte über Freundschaft und Wolken. Endlich konnte ich den Waldrand sehen.
„Wer als letzter da ist, ist 'ne Niete!", brüllte Louis und raste los. Niall, Zayn und Liam folgten. Ich hingegen hatte keine Lust zu rennen. Harry anscheinend auch nicht, er lief schweigend neben mir her. Weiter vorne schubste Zayn den kleinen Niall zur Seite und überholte Louis.
„Ha! Nieten! Ihr seit alle Nieten!", schrie er ihnen zu.
„Recht hast du!", rief Liam und holte langsam auf.
„Vergiss es, Liam! Diesmal siege ich!", stellte Zayn klar.
„Idioten", murmelte Harry.
„Ja, aber liebe Idioten", grinste ich. Dann lief ich etwas schneller.
„Komm schon, Harry! Sei kein Langweiler!", lachte ich.
„Ich bin kein Langweiler!", kam es von Curly und er kam wieder auf meine Höhe.
„Bist du schon!"
„Bin ich nicht!"
„Doch!"
„Nein!"
„Doch!"
„Ok, manchmal vielleicht", gab Harry auf.
Mittlerweile hatten wir Niall erreicht, der aufgehört hatte zu rennen.
"Ich muss mich schonen", meinte er, als ich ihn fragend ansah.
 Ich lachte – und spürte plötzlich einen stechenden Schmerz in meiner Ferse.
„Autsch!" Ich blieb stehen und hob den Fuß, um zu sehen, in was ich getreten war.
„Flo, was ist los?" Harry sah mich fragend an.
„Irgendwas ist an meinem Fuß", murmelte ich. Ich spürte, wie mir schwindelig wurde.
„Zeig mal" Harry nahm meinen Fuß unter die Lupe.
„Oh, du bist in eine Biene gestiegen. Warte, ich versuch den Stachel zu entfernen"
„Eine Biene?"
Scheiße.
„Ja, aber das ist mir auch schon oft passiert. Halb so wild"
Ich konnte ihm nicht mehr richtig zuhören. Alles drehte sich, mir wurde schlecht.
„Harry... Ich..." 
Ich spürte, wie meine Beine nachgaben.
Dann wurde es schwarz um mich.

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