1 Ginger's Welt
Es stank ganz entsetzlich in diesem Park. Nach Bier, Scheiße, Verwesung, irgend sowas. Und natürlich nach Müll. Herrlich, dieser Müll. Dass meine Nase diesen vorzüglichsten aller Gerüche überhaupt noch wahrnehmen konnte, verwunderte mich immer wieder aufs Neue. Angepisst stach ich mit meinem Müllstab in ein herumflatterndes Schokoriegelpapier und beförderte es in meine Mülltüte. Noch drei Wochen, dann hatte ich meine Sozialstunden abgearbeitet und war endlich, endlich wieder frei. Frei von Belastung dieser Art.
‚Frei bist du nie, nie, nie' - Still. Sei endlich still, dachte ich und wurde wütend. Da saß er, der kleine Clown im roten Anzug, schnitt eine fürchterliche Grimasse und lachte mich aus. An diesem Tag hasste ich ihn. Gestern war er nicht da, vorgestern auch nicht. Ich bin frei, wenn du weg bist, dachte ich und der Clown lachte. ‚Also nie!' Ich hasse dich, du elendiger Bastard. ‚Mit Liebe!' Schrei nicht so.
Ich zwinkerte und kam mir wieder sehr verrückt vor. ‚Ver-rück-t, verrückt, verrückt!' Was schreist du denn so, verdammt? Dann rannte der Clown weg und ich atmete durch, konzentrierte mich wieder auf stinkende Müllfetzen und stob den Januarschnee auf.
Ich wollte keinen sehen, ich wollte diese beschissenen zwei Stunden hinter mich bringen, mir Zuhause die Birne zudröhnen und dann einen schlechten, blutigen Zombiefilm ansehen. Dabei irgendwas Fettiges essen. Ich hasste den Januar, ich hasste das Müllsammeln und ich hasste den Clown.
Jemand schlug mir auf die Schulter und ich wollte zurückschlagen. Ich konnte jetzt echt keine Menschen gebrauchen. „Na, Alter, wie läuft's", strahlte mich Tom an, irgend so ein kleiner Depp, der der Meinung war, wir wären Freunde oder so. Was wir auch waren, aber nicht heute, heute hab' ich wirklich keine Lust auf Freunde. Ich antwortete nicht und stocherte weiter im Schnee rum. „Was'n mit dir passiert?" Ohne eine Antwort abzuwarten, begann er, mich zu zu schwallen, mit diesen üblichen Geschichten über seine Freundin, seinen verdummten Idioten von Vater und noch irgendwas, das mich auf den Tod nicht interessierte. „Tom, bitte verpiss dich." Ich lachte ihn an. Seine Mundwinkel sanken, dann spuckte er auf den Boden. „Hast du schon wieder deine Tage?" Ich lachte noch mehr, verdammt, dieses blöde Gesicht tat so gut. ‚Kontrolle, du lachst nur, weil du Kontrolle brauchst, armseliger Wurm!' Der Clown war deutlich besser im Auslachen als ich. Scheiße.
Also hörte ich damit auf, warf den Müllstab zu Boden und hustete gereizt. „Sorry, Tom. Hab' heute keinen guten Tag." Tom nickte wissend. „Du bist wie eine kleine, überemotionale Diva." Ich tat so, als hätte er einen guten Witz gemacht. „Ja, schon gut. Sorry. Wie gesagt. Hast du ‚ne Kippe?" Und Tom nickte wieder, zog eine Schachtel hervor und hielt sie mir hin. Freunde waren manchmal zu doch was gut. „Seit wann rauchst du denn?", fragte er noch irritiert.
Seit wann, dachte ich. ‚Seit dem Vogel, der dir deinen hässlichen Kopf verdreht hat, der Vogel, der Vogel!', brüllte der Clown. Ich wollte widersprechen, doch dann dachte ich zurück. „Mh, seit drei Monaten oder so?" Seitdem Robin wieder da war, sie so ganz plötzlich in mich rein gestolpert war und sich alles wieder änderte, einschließlich meinem Rauchverhalten. Tom nickte, lies mich wissen, dass der Scheiß ungesund sei und dann qualmten wir in einheitlicher Stille. Ich versuchte, den Clown telepathisch zu töten, aber er wich mir aus und verspottete mich, der blöde Wichser.
Er ist kein richtiger Clown und einen richtigen Anzug trägt er auch nicht. Eigentlich ist er nur ein etwas zu klein geratener Typ in Hose und Hemd, darüber trägt er einen blutroten, jackettähnlichen Mantel, wie die eleganten Männer in den alten Vampirfilmen sie tragen. Mit Kragen und allem. Ich habe ihm noch nie ins Gesicht gesehen. Er hat eine Maske auf, diese verfluchte Clownsmaske, und die sieht immer anders aus. Schwarz und zornig, blau und sanft, rot und spottend, es ist, als würde ein Filter darüber liegen, der das Gesicht flimmern lässt und nie, nie erhasche ich einen Blick in seine Augen.
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Vier Welten
Teen FictionFortsetzung Freebirds - Die Verrückten haben es geschafft, sie haben sich durchgeschlagen, doch jetzt ist alles anders. Der Alltag als Inbegriff des Normalen, des Irren größter Feind. Sie leben so aneinander vorbei und doch, der rote Faden zieht sic...