Kapitel 5

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Nach ewig scheinender Zeit verschwanden dann auch endlich Ardys Freunde und ich konnte das Badezimmer wieder verlassen.
Ich hatte Stunden in diesem Raum verharrt, da ich unter gar keinen Umständen von Ardys Freunden angesprochen werden wollte.
Ich wollte nicht das jemand von ihnen mit mir redete.
Ich wollte es einfach nicht.
Irgendetwas tief in mir drinnen sträubte sich dagegen und hatte einfach Angst eine Konversation mit ihnen zu führen.
Mein Weg führte aus dem Badezimmer raus in die Küche.
Ich lehnte mich gegen die Küchenzeile und dehnte meine Arme hinter meinen Kopf.
Ein unangenehmes Knacken ertönte und Ardy, welcher in diesem Moment ebenfalls die Küche betrat, verzog angewidert das Gesicht.
"Das ist eklig, du sollst das doch nicht machen wenn ich in der Nähe bin!", rief Ardy mir lachend zu und ging zum Kühlschrank.
Mir war nicht nach Lachen zu Mute, weswegen ich einfach still blieb und tat weswegen ich eigentlich diesen Raum betreten hatte.
Ich nahm mir ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Wasser.
"Hast du Hunger?", fragte mich Ardy, welcher grade den Kühlschrank unter die Lupe nahm.
Ich schüttelte den Kopf und setzte das Glas an meinen Mund und nahm einen großen Schluck.
"Hast du schon gefrühstückt, heute?", fragte Ardy nun wieder und sah mich prüfend an.

Sag ja. Dann lässt er dich inruhe.

"Ja, habe ich."
Überrascht zog Ardy seine Augenbraue hoch und sah mich verwundert an.
"Tatsächlich? Und was hast du gegessen?"

Brot. Sag einfach Brot.

"Brot", sagte ich und nahm einen weiteren Schluck aus meinem Glas.
Ardys Mund verzog sich daraufhin zu einem ironischen Lächeln und er schloss den Kühlschrank.
Mit langsamen Schritten kam er auf mich zu und legte seine rechte Hand auf meine Schulter.
"Taddl", begann er langsam und sah mich ernst an.
"Wir haben schon seid Vorgestern kein Brot mehr. Was hast du wirklich gegessen? Lüg' mich nicht an."

Super. Nicht mal lügen kannst du.

Was wollte Zophie jetzt?
Sie hatte mir doch vorgeschlagen zu lügen. Sie hatte mir sogar gesagt welche Lügen ich benutzen sollte.
"Was hast du heute schon gegessen?", fragte Ardy wieder und verstärkte seinen Griff an meiner Schulter von Sekunde zu Sekunde.
Ich verzog vor Schmerz das Gesicht und krümmte mich unter Ardys Hand.
"Sag es mir oder ich drück fester."

Sag nichts.

Ich schwieg.
Ardy verstärkte seinen ohne hin schon festen Griff noch ein wenig und ein schmerzhaftes Wimmern entfloh meinem Mund.
"Also?", fragte Ardy nun wieder.
"Ich habe noch nichts gegessen! Was interessiert es dich eigentlich? Du bist nicht mein Aufpasser!", schrie ich ihn an und er lockerte augenblicklich seinen Griff.
Vor Schmerz stöhnend griff ich mir an meine Schulter und blickte ihn wütend an.
"Anscheinend bin ich doch dein Aufpasser. Wir gehen jetzt etwas essen. Los, zieh dich an."
Fassungslos sah ich ihn an.
Wie kann er sich so aufführen? Er redet wie eine Mutter.

Kommt davon. Wer nicht richtig lügen kann, den bestraft das Leben.

"Halt die Fresse", murmelte ich wütend und machte mich auf den Weg, geradewegs in mein Zimmer.
"Ich hab doch gar nichts gesagt", stellte Ardian fest, der mir direkt gefolgt war.  
"Ich hab auch nicht mit dir geredet."
Ich kramte einen Pulli und eine Hose aus meinem Schrank und zog mich an.
Unsicher sah ich zu Ardy, der in meinem Türrahmen lehnte.
"Kannst du bitte raus gehen?", fragte ich vorsichtig und er blickte mich überrascht an.
"Du hast dich doch schon gefühlte tausend Mal vor mir umgezogen", lachte er und verschwand dann schließlich aus meinem Türrahmen und schloss die Tür.
Schnell schlüpfte ich in meine Klamotten und traf Ardy im Flur an, der grade dabei war seine Schuhe anzuziehen.
Ich tat es ihm gleich und kurz darauf standen wir auch schon draußen vor der Haustür.
"Komm", winkte mich Ardy neben sich und wir setzten den Weg in die Innenstadt an.
Den ganzen Weg über schwiegen wir.
Keiner von uns sagte ein Wort.
Diese Stille zwischen uns war irgendwie unangenehm.
Sonst hatten wir ständig und pausenlos miteinander geredet.
Und jetzt?
Still.
Nichts.
Ich hörte nur Ardys Schritte, die Autos und die kleinen Menschengrüppchen die an uns vorbei liefen.
Vielleicht hatten wir uns auch einfach genug über Dinge ausgetauscht.
Vielleicht war einfach nicht mehr genügend Gesprächsstoff vorhanden.

Vielleicht, höchstwahrscheinlich Nein. Ardian will einfach nicht mehr mit dir reden.

Mir fällt aber wirklich kein vernünftiges Gesprächsthema ein, liebe Zophie.
Ardy anscheinend auch nicht.
Was er wohl gerade, in diesem Augenblick denkt?
An wen er wohl denkt?

Jedenfalls nicht an dich.

Danke Zophie, aber dem war  ich mir schon bewusst.
"Taddl!", hörte ich Ardy nach mir rufen.
Ich blieb stehen und drehte mich verwundert um.
"Komm', wo willst du hin?", lachte er leicht und deutete mir mit seiner Hand, zu ihm zu kommen.
Ich spürte wie meine Wangen sich rot färben und Schweiß sich unter meinen Achselhöhlen breit machte.
Leicht beschämt setzte ich meinen Weg zu Ardy zurück an. Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich gar nicht mitbekommen hatte das ich zu weit gelaufen und Ardy schon stehen geblieben war.
Als ich bei ihn an kam, klopfte er mich grinsend auf die Schulter und wir betraten den kleinen Bäcker.
Als wir durch die Automatik Tür gingen kam uns ein warmer Luftstrom entgegen und eine Gänsehaut machte sich auf meinem ohnehin schon vor Kälte zitternden Körper breit.
Ardian und ich suchten uns einen kleinen freien Tisch  und ließen uns um den rotgepolsterten Stühlen nieder.
"Was möchtest du denn essen?", fragte Ardy nach einer Weile, in der er konzentriert dir Speisekarte des Bäckerladens studierte.
Ich zuckte mit den Schultern und ließ meinen Blick zur Theke wandern.
Eine alte Dame die sich auf ihren Krückstock lehnte versuchte mit ihrer heisernen Stimme ein Brötchen zu bestellen.
Die Angestellte des Bäckerladens allerdings interessierte der angehende Hunger der alten Dame anscheinend wenig, da sie lieber ihre Fingernägel betrachtete anstatt die Kunden zu bedienen.
Ein erneutes Mal versuchte die alte Frau etwas zu bestellen, scheiterte allerdings wieder, dank der angehenden Ignoranz der Verkäuferin.
Die alte Frau hielt sich den Bauch und verzog leicht ihr Gesicht.
Ich stand auf und bewegte mich auf die Theke zu.
"Entschuldigen Sie", räusperte ich mich, und die junge Bäckerin blickte verwundert von ihren Fingernägeln auf.
"Was ist?", fragte sie pampig und meine Augenbrauen zogen sich zusammen.
"Diese junge Dame hier möchte vielleicht etwas bei ihnen kaufen, und sie interessieren sich nur für ihre Nägel! Das ist los!", entgegnete icj Ohr etwas lauter als geplant.
Die alte Dame sah mich leicht erschrocken an, ebenso wie die Verkäuferin.
Ich räusperte mich da sie keinerlei Anstalten machte sich zu bewegen.
Genervt rollte sie mit den Augen und blickte nun die alte Dame, die immer noch hungrig und sich den Bauch haltend neben mir stand.
"Was wollen Sie denn?", pumpte sie wieder und ich räusperte mich.
Erneut wiederholte sie ihre Frage, diesem mal allerdings in einem freundlichen Tonfall.
Die alte Frau bestellte und biss genüsslich in ihr Brötchen nachdem sie bezahlt hatte.
"Danke junger Mann", entgegnete sie, lächelte mir dankend zu und verließ den Bäckerladens mit ihrem Krückstock.
Mit einem letzten ernsten Blick zur Verkäuferin setzte ich mich wieder zu Ardy an den Tisch, der seine Karte bereits zur Seite gelegt hatte.
"Wow, du kannst ja doch noch nett sein und lächeln", sagte Ardy als ich die Speisekarte in die Hand nahm.
Ich zuckte mit den Schultern und las mir die Angebote durch.

Wieso warst du so nett?

Weil die Frau Hunger hatte.

Wieso hast du sie nicht hungern  lassen? Sie ist sowieso schon zu fett.
So wie du auch.

Danke, aber die Frau war nicht dick.
Und ich weiß  auch das ich zu dick bin, deswegen esse ich auch nichts.
Ich legte die Speisekarte aus der Hand nach dem Ardy bestellt hatte.
Ich sagte der Bedienung das ich keinen Hunger hatte und sie verschwand.
Ardys nun zornigen Blick, allerdings nicht.

Low battery.   || A Tardy FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt