Kapitel 4

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"Würdest du nun bitte mitkommen? Herr Schulte wartet schon", mahnte mich die Angestellte der Psychiatrie.

Herr Schulte war zum Verständnis mein Psychologe.
Jeden Tag muss ich zu ihm und reden.
Ich muss alles erzählen was mir gerade einfällt.
Oftmals interessieren ihn auch meine Träume der vergangenen Nacht.
Ich habe Albträume, ständig.
Würde ich ihm das aber erzählen, würde sich meine Zeit, hier, an diesem Höllenort automatisch verlängern, und das wollte ich unter keinen Umständen.

"Beeilen sie sich nächstes Mal ein wenig", meckerte die Angestellte, die hinternwackelnd vor mir her lief.
Ich ignorierte ihre nervenden Zickerrein, und konzentrierte much wieder auf die Bilder die an den Wänden hingen.

"Hallo Thaddeus, wie geht es dir heute?", fragte mich Herr Schulte, nachdem ich ihm gegenüber auf einem kleinen, ungemütlichen Stuhl Platz genommen hatte.
"Bestens."
Er nickte und schrieb etwas auf sein Klemmbrett, welches auf seinem Schoß lag.
"Was hast du heute geträumt?"
Ich schüttelte den Kopf und ließ meinen Blick durch das Zimmer wandern.
Hin und wieder stellte mir Herr Schulte einige Fragen, die ich nur mit irgendwelchen Geräuschen beantwortete, und betete die Decke an, dass dieser Besuch schnell vorbei ging.

"Herr Tjarks, sie könnten sich doch mal unter Menschen bringen. Unser kleiner Gartenkurs könnte noch ein paar Helfer gebrauchen. Oder wie wäre es mit Kochen?", fragte mich nun eine andere Angestellte, eine von den Älteren.
Ich sah sie gelangweilt an und sie verdrehte mal wieder die Augen.
Jedes Mal, wenn ich von Herrn Schultes Sprechstunde zurück kam, und Margaret, die Angestellte, mich zurück zu meinen Zimmer brachte, führten wir die gleiche Unterhaltung.
Margaret war unbedingt dafür, mich unter Leute zu bringen, und mich nicht ständig, alleine im Zimmer zurück zu ziehen.

Sie schloss mein Zimmer auf, lächelte mich an und verließ dann den Raum.
Gelangweilt sah ich mich im Raum um, und mein MP3-PLAYER fiel mir ins Auge. Handys waren hier drinnen nicht erlaubt, also hatte ich so ein altes Teil bekommen.
Besser als gar nichts.
Ich kramte die Kopfhörer aus meiner Hosentasche und ließ mich, mitsamt des MP3-PLAYERS auf das harte Bett nieder.
Das erste Lied lief an, und mir schossen Tränen in die Augen.
Ich schloss die Augen und sofort kamen mir Bilder in den Kopf, die ich eigentlich verdrängen wollte.

"Taddl?", brüllte Ardy und klopfte laut gegen meine Tür.
Genervt drehte ich mich wieder um und drückte mir mein Kissen über die Ohren.
"Taddl, mach jetzt auf!", brüllte Ardy wieder, und ich erhielt die Erkenntnis, dass die Kissen in ihrer Aufgabe versagt hatten.
"Was willst du?", grummelte ich rau.
"Mach mal auf."
Laut seufzte ich, erhob mich aus meinem weichen Bett und schlurfte zur Tür um sie schließlich auf zu schließen.
"Guten Morgen", grinste Ardy und zog mich unsanft aus meinem Zimmer, quer durch die Wohnung, mitten ins Wohnzimmer auf die Couch.
"Warte hier", meinte er grinsend, streckte mir kurz seine Zeigefinger entgegen und verließ dann den Raum.
Müde blickte ich ihm hinterher und fuhr durch meine Haare.
"Mach mal die Augen zu!", rief Ardy aus einem anderen Zimmer und ich verdrehte die Augen.
"Nein!", schrie ich zurück, und ich konnte hören, wie er genervt schnaubte.
"Guck mal", raunte er als er im Türrahmen stand und Menschen betraten das Wohnzimmer.
Nur waren es nicht irgendwelche Menschen, sondern Freunde.
Ardians Freunde.
Ich begann zu grinsen und erhob mich dann von der Couch.
"Ich weiß schon was ihr mir sagen wollt, ich erspare euch das Gerede also. Und Ardian, danke das du mir deine Freunde gezeigt hast", meinte ich beim raus gehen und klopfte Ardy noch einmal auf die Schulter, bevor ich das Badezimmer betrat und die Tür verschloss.

"Setzt euch", hörte ich Ardy gedämpft murmeln.
"Was meinte er damit, 'ich weiß was ihr mir sagen wollt'?", ertönte nun die Stimme von Felix.
Das Geläster beginnt.
Vielleicht sollte ich ihnen noch Tee und Kekse bringen, damit es auch erst richtig Spaß macht.
"Er glaubt, dass ihr nicht mehr mit ihm befreundet sein wollt."
Ich grinste, als ich diesen Satz hörte.
Ich glaube es nicht nur, es ist auch so.
Tatsache.
"Wie kommt er denn auf den Trichter? Er sagt doch ständig ab, wenn wir etwas mit ihm unternehmen wollen."
Das war die Stimme von Marius.
Marius war mal einer meiner besten Freunde.
Ich hatte mit ihm viel Spaß.
Und jetzt, jetzt saß er in meinem Wohnzimmer auf der Couch und beteiligte sich an der kleinen gemütlichen Lästergruppe.
Ich zuckte zusammen als es plötzlich an der Tür klopfte.
"Taddl, ich muss mal auf die Toilette", drang Ardians Stimme gedämpft an mein Ohr.
Ich drehte den Schlüssel und öffnete die Tür.
Mein Blick war war starr auf den Boden gerichtet und ich habe fest den Plan, einfach in mein Zimmer zu gehen, jedoch verhinderte Ardy diesen und zog mich am Handgelenk zurück ins Bad'.
Nun war er es der die Tür verschloss.
Er sah mich prüfend an, streckte dann seine Hand nach oben, und tastete den Türrahmen ab.
Er grinste zufrieden, zog den Schlüssel aus dem Schloss und ließ ihn mal wieder in seiner Hosentasche verschwinden.
Er zwängte sich an mir vorbei und setzte sich auf den geschlossenen Toilettendeckel.
"Wieso bist du raus gegangen?",fragte er langsam und sah mir ernst an.
Ein genervtes Stöhnen entfuhr mir und ich fuhr mir durch die Haare.
"Wann warst du das letzte mal duschen?"
Mit hochgezogener Augenbraue blickte ich vom Boden wieder zu ihm.
"Wie bitte?"
Er verdrehte die Augen und musste leicht schmunzeln.
"Wann du das letzte mal duschen warst?", wiederholte er seine Frage.
Ich ließ meine Hände in meine Hosentaschen wandern und zuckte mit den Schultern.
"Okay, wie wäre es dann wenn du jetzt duschen gehst? Oder, vielleicht nimmst du ja auch ein Bad", versuchte Ardy mich zu motivieren.
Jedoch schüttelte ich nur den Kopf.
"Ich hab keine Lust."
Wieder seufzte Ardian.
"Worauf hast du dann Lust?"

Sterben?

"Ja."
Verwirrt zog Ardy seine Augenbrauen zusammen.
"Was 'Ja' ?"
Mein Gesichtsausdruck glich nun seinem und wir starrten uns gegenseitig an.
Ardy hat schöne Augen, fällt mir gerade mal so auf.

Du nicht.

"Ich weiß", seufzte ich und Ardy versuchte seine Brauen noch weiter zusammen zuziehen.
"Was weißt du?"
Mein Blick wanderte durch das Bad und ich ließ nur ein kleines 'Vieles' aus meinem Mund ertönen.

Gott, antworte doch nicht immer laut auf meine Fragen und Aussagen.

"Alles okay?", fragte Ardy, der nun vor mir stand und seine Hände auf meine Schultern gelegt hatte.
Ich nickte.

'Wer bist du? Und wo bist du?', fragte ich in Gedanken und bekam gar nicht richtig mit, wie Ardy mich in seine Arme gezogen hatte.

Zophie. Erinnerst du dich?

'Ja.'

"Ich vermiss dich, Brudi", flüsterte Ardy in meine Halsbeuge, und erst jetzt hatte ich das Gefühl wieder vollkommen in der Realität zu sein.
"So hast du mich schon lange nicht mehr genannt", stellte ich leicht traurig fest.
Seine Antwort war nur, dass er mich noch stärker an sich drückte.
"Hast du Lust, morgen was zu unternehmen?", flüsterte er gegen meinen Hals, und bei jedem Wort berührten seine Lippen leicht meinen Hals.
Wärme machte sich in mir breit, und so langsam hatte ich das Bedrängnis Ardy, soweit es denn ging, noch fester an mich zu drücken.
Ich brummte als Antwort auf Ardians Frage und schlang meine Arme sanft um seinen Oberkörper.
Kurz nachdem ich ihn dann auch an mich drückte, löste er sich wieder von mir und lächelte mich sanft an.
"Ich freue mich auf Morgen, Brudi", raunte er, schloss die Tür auf und ließ mich wieder alleine im Badezimmer zurück.

Ich schloss die Tür wieder und lehnte mich mit dem Rücken dagegen.
"Vielleicht hasst Ardy mich ja doch nicht", flüsterte ich und blickte zur Decke.

Vielleicht. Aber höchstwahrscheinlich doch.

"Wo bist du, Zophie?", fragte ich zur Decke gerichtet, und lag mittlerweile mit dem Rücken auf dem Boden.

Immer bei dir.

"Dann bin ich wenigstens nicht alleine."


Low battery.   || A Tardy FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt