Back to yesterday

-Zurück in die Zukunft-

-Leah-

Alice starrte mich über den Tisch hinweg neugierig an und zwirbelte eine braune Haarsträhne um ihren Zeigefinger. Unwillkürlich musste ich lächeln. "Was ist?", fragte sie und zog die Augenbrauen hoch. "Nichts. Ich mache das auch immer wenn ich nicht weiß was ich sonst tun soll." Sie runzelte die Stirn und musterte mich nachdenklich. Immer noch trug sie das nasse und zerrissene Kleid, das sie bereits anhatte als ich sie gefunden hatte und sie uns zu ihr nach Hause gebracht hat. "Du siehst echt aus wie ich.", meinte sie. Ich lächelte verlegen. "Ich wusste bis vor einer Stunde auch nicht dass du überhaupt existierst." Alice stützte ihr Kinn auf der rechten Hand auf. "Mensch, das ist ja mal richtig irre."
"Weißt du was noch irre ist? Nirgendwo in diesem Haus gibt es etwas zu essen. Also, nichts richtiges. Nur Karotten und Salat und so ein Zeug." Mimi stapfte aus der Küche und Alice sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Tut mir wirklich leid wenn wir deinen Wünschen nicht gerecht werden können, aber ich schätze, das Zeug, das du normalerweise isst, wurde bei uns hier noch nicht erfunden." Ich musste grinsen und Alice wandte sich wieder mir zu. "Sag mal, macht ihr das öfter?" "Was?" "Na, dieses Zeitreiseding." Ich schüttelte den Kopf. "Nein. Das war das erste Mal..." "...und dann sitzt du hier ganz ruhig am Tisch?" Sie sah mich fassungslos an. "Also ich an deiner Stelle würde komplett ausflippen." "Tu ich doch. Innerlich. Außerdem würde ich an deiner Stelle ausflippen, wenn mich gerade der Typ den ich mag beinahe vergewaltigt hätte." Alice wurde kreidebleich. Dann biss sie sich auf die Lippe und stand auf. "Ich gehe mich mal umziehen", murmelte sie und eilte mit gesenktem Kopf aus dem Zimmer. Ich schluckte betreten. Wartete. Sprang auf und ging ihr hinterher.

"Alice?" Ich spähte durch eine weiße Holztür und sah meine...Schwester auf ihrem Bett sitzen. Ihre Schultern bebten und ich biss mir auf die Lippe. Ich ging zu ihr und setzte mich vorsichtig zu ihr auf die Bettkante. "Hey Alice..." Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und sah mich an. "Es tut mir leid. Ich habe nicht nachgedacht." Sie schluckte. "Schon okay er...er ist einfach ein Arschloch." Ich lächelte. "Schimpfwörter wurden bereits erfunden?" Alice musste ebenfalls lächeln. Dann wurde ich wieder ernst. "Aber ich weiß was du meinst. Jungs sind manchmal....richtige Idioten." Sie sah erstaunt hoch. "Hast du auch gerade.... Also..." "Jungsprobleme? Das kannst du laut sagen.", antwortete ich und sah zu Boden. Sie seufzte und wischte sich die letzten Tränen weg. "Du bist also ehrlich meine Schwester?", fragte sie aufmerksam. "Sieht ganz so aus hm?" Ich deutete auf unsere identischen Gesichter. "Na dann...Hallo Schwester." Sie umarmte mich und ich drückte sie zurück. Und in diesem Moment dachte ich nicht an Luke. Nicht an meinen Dad oder meine bis vor wenigen Stunden für tot erklärte Mutter. Nicht daran dass ich gerade mehrere Jahrhunderte in die Vergangenheit gesprungen war und keinen blassen Schimmer hatte wie ich wieder zurückkommen sollte. In diesem einen Moment hielt ich sie im Arm. Meine Schwester. Meine zweite Hälfte. Und erst in diesem einen Moment wurde mir klar, wie sehr ich dieses Mädchen vermisst hatte. Das Mädchen, von dessen Existenz ich bis vor zwei Stunden noch keine Ahnung hatte. Nach der ich mich trotzdem mein Leben lang gesehnt hatte.

"Alice? Bist du zu Hause?" Alice fuhr zurück. "Oh Gott, das ist meine, ich meine unsere, Mum!" Panisch sah sie an sich hinab. "Verdammt... JA MAMA, ICH BIN DA!", rief sie über die Schulter während sie sich das dreckige Kleid vom Körper riss. Sie wedelte mit der Hand und sagte mir ich solle mich umdrehen. Die Frauenstimme erklang wieder, diesmal schon viel näher an der Zimmertür: "Wie war das Fest, mein Schatz?" Alice knallte die Schranktür zu und bemühte sich mit einem Fuß in das saubere hellgrüne Kleid. "Uhm ganz okay eigentlich." "Möchtest du noch etwas essen?" Ihre Mutter machte noch ein paar Schritte in Richtung des Zimmers und Alice rief hastig: "Eh ja bitte ich eh..verhungere!" Die Frau drehte sich wieder um und ging hinunter in die Küche. Ich wurde von Alice herbeigewinkt und knöpfte ihr hastig das Kleid zu während sie mit den Fingern dich ihr zerzaustes Haar fuhr. Da erklang ein angsterfüllter Schrei aus dem unteren Teil des Hauses: "Ja aber was zum Teufel....WER BIST DU!?" Alice und mein Kopf fuhren gleichzeitig hoch und unsere Stirne knallten gegeneinander. "Oh, eh guten Tag. Schönes Haus haben Sie hier, Mrs eh...?", antwortete eine ängstliche Stimme. "Mimi!", fluchte ich und wir rannten aus dem Zimmer, eine Hand auf die jeweils schmerzenden Stirn gepresst. Dabei stießen wir im Türrahmen gegeneinander und blieben für zwei Sekunden darin stecken. Ich duckte mich und schob mich an Alice vorbei und wir stürmten stolpernd die Treppe hinunter direkt hintereinander zu den anderen in die Küche. Die Frau wirbelte herum und ihre Augen wurden groß. "Ach herrje ich glaube ich sehe doppelt!" Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und schloss die Augen. "Mum das...", setzte meine Schwester an. "Alice da ist eine Fremde in meinem Haus und du stehst zwei Mal vor mir. Bitte sei kurz ruhig." Alice schloss den Mund und die Dame öffnete ihre Augen. "Okay, du bist immer noch hier und siehst ziemlich lebendig aus, also bist du anscheinend keine Projektion meines Unterbewusstseins als Reaktion auf die Gläser Alkohol am Straßenfest. Wer bist du?" Sie sah mich ruhig an und richtete sich auf. Ihre Augen jedoch funkelten und in ihnen schien sich sehr wohl Wissen um meine Herkunft zu verbergen. Sie ahnte wer ich war. "Mum das ist Leah. Sie..." Sie stockte als die Frau zischend die Luft einsog und sich von ihrem Stuhl erhob. "Leah? Meine Leah?" Meine Stimme zitterte als sie auf mich zutrat und mich mit ihren großen grünen Augen ansah. Mit meinen grünen Augen! "Hey Mum.", flüsterte ich und ihr traten die Tränen in die Augen. "Oh Gott.." Sie trat zwei Schritte auf mich zu, doch dann wich sie zurück. "Du solltest nicht hier sein. Du solltest ganz und gar nicht hier sein." Sie drehte sich zu Mimi um.

"Ihr beide müsst sofort wieder zurück in die Zukunft!"