Bloßgestellt...

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-Alice-
"Alice? Liebling wo bist du?", ertönte die Stimme meiner Mutter aus dem Haus und ich seufzte, setzte mich aber nicht in Bewegung. Ich genoss die letzten Minuten draußen an der frischen Luft, bevor ich in die Schule musste. "Alice!", rief meine Mutter jetzt schön ärgerlicher und ich raffte ergeben mein bodenlanges braunes Kleid. Ich drehte der Sonne und dem nicht-gemähten Feld den Rücken zu und eilte nach unten zum Haus. "Da bist du ja Kind, deine Mutter macht sich schon Sorgen! Und wie du wieder aussiehst! Was hast du mit deinen Haaren angestellt? Und dieses schreckliche Kleid was werden nur die Leute den..." Ich ließ unsere Haushälterin Madame Sofy einfach im Flur stehen und betrat die Küche. "Morgen Mam.", sagte ich und schnappte mir einen Apfel. "Schatz, Kate ist schon losgegangen, wo warst du denn bitte?" fragte mich meine Mutter. Ich griff nach meiner Tasche und lächelte. "Ich war draußen" antwortete ich als würde das alles erklären und machte mich auf den Weg zur Schule.

Ich schlenderte durch die Straßen von Little-Village, einem der reicheren Viertel in unserer Stadt. Ich wohnte erst seit kurzem hier und ich konnte mich ehrlich gesagt nicht besonders gut einfinden. Meine Mutter und ich hatten nie viel Geld besessen. Sie war mit mir weggelaufen als ich ein Jahr alt war und wir hatten seit ich mich erinnern konnte immer darauf achten müssen was wir kaufen. Bis meine Mam vor etwa einem halben Jahr Monsieur Curtié aufgefallen war. Meine Mutter war klug. Sie gab seinem Werben nicht nach, wies seine Geschenke aber nicht ab. Und diese wurden immer teurer, immer wertvoller, sodass sie uns mit ihrem Verkauf ein neues Haus und noch viel mehr kaufen konnte. Ich meine klar ist es cool, ein großes Haus, ein eigenes Zimmer, die beste Freundin gleich nebenan...aber ich passte da nicht rein. Ich wollte nicht um Punkt drei Tee trinken und mit gepudertem Näschen über die Nachbarn herziehen. Ich wollte rausgehen, auf meinem Pferd durch die Wälder galoppieren, in einem schlammigen aber versteckten Teich schwimmen gehen. Lang wegbleiben ohne dass jemand Angst hatte, dass die Nachbarn darüber reden könnten. Ich schüttelte den Kopf und ging weiter. Dort vorn stand auch schon die Kutsche, die die reicheren Kinder zur Schule fuhr. "Alice!" Ich hob den Kopf. Dort stand ein Mädchen mit blonden Locken. Sie trug ein rosa Kleid mit einer Schleife im Haar und eine weiße Ledertasche und lächelte mich strahlend an als sie auf mich zukam. "Hey Rose" sagte ich und zog die Augenbrauen hoch. Sir grinste nur und zuckte mit den Schultern als ich ihr Outfit betrachtete. "Weißt du, dein Modegeschmack hat sich rein gar nicht verändert obwohl du jetzt genug Geld hättest um dir auch mal ein Kleid zu kaufen." meinte sie verschmitzt und ich verdrehte die Augen als wir zur Kutsche gingen. "Ich bin doch keine Puppe" schnaubte ich und deutete mit dem Kinn auf die anderen Mädchen die bereits in der Kutsche saßen um nicht zu dreckig zu werden und Rose musste lachen.

"Ich habe gesehen dass heute bereits die Auswahl der Kurse aushängt. Ich bin gespannt ob wir genommen wurden." meinte Rose nachdenklich als wir über den Schulhof schlenderten und uns einen Weg durch die anderen Schüler suchten. "Ich meine, ich habe gehört dass sie in Mathematik beinahe gar keine Mädchen aufnehmen, es ist beinahe ein reines Jungenfach." grübelte sie vor sich hin und ich musste lachen. "Dich nehmen sie bestimmt, du stellst doch alle Jungen in den Schatten mit deinem Zahlengehirn." Sie lächelte mich strahlend an. "Ich bin mir sicher dass du in Deutsch&Literatur auch genommen wurdest. Ich kenne niemanden der so viele Bücher gelesen hat wie du. Du musst doch bald die ganze Stadtbibliothek auswendig können." scherzte meine beste Freundin und ich grinste. "Poesie meine Liebe, sie erfüllt unsere Herzen und unsere...ah!" Ich wurde von hinten gestoßen und prallte hart gegen eine Schulter. Ein Paar eisblaue Augen fuhren zu mir herum und fixierten mich mit einem stechend kalten Blick. "Hast du mich gerade gestoßen du Missgeburt?" zischte Edward Curtié und ich riss die Augen auf und schüttelte panisch den Kopf. Er sah mich weiter an. "Ich will keinen Dreck auf meinem Gewand also verschwinde oder es setzt was. Verstanden?" Ich nickte mit weit aufgerissenen Augen und die Mädchen die Edward umringten kicherten gehässig. "Du bist ja immer noch da." sagte er leise und kniff die Augen zusammen. "Hast du dir ins Kleid gemacht? Das würde wenigstens den Gestank erklären. Obwohl man bei diesem Sack nicht gerade von einem Kleid sprechen kann." stichelte eines der Mädchen und mir traten dir Tränen in die Augen während Rose hinter mir scharf die Luft einzog. "Hör zu du Missgeburt. Ich weiß nicht was mein Vater an deiner Mutter findet, aber verzieh dich und hör auf meine Luft hier zu verpesten. Es stinkt!" lächelte er mit zusammengekniffenen Augen und beobachte zufrieden wie ich mich umdrehte und ins Schulhaus rannte. Das Gelächter der Truppe schallte mir hinterher und Roses wütende Beschimpfungen verschmolzen mit den Lachern der anderen Schüler...

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