Annabellas Auftrag Teil 1

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Am nächsten Morgen wachte Meredith acht Minuten und zweiundzwanzig Sekunden vor ihrem Wecker auf. Sie war hell wach, kullerte sich aus ihrem Bett und nahm ihren Kulturbeutel. Ihr Bad war zu klein für eine Dusche, daher musste sie, wie alle Schülerinnen, das Gemeinschaftsbad benutzen. Und bevor die anderen Mädchen sich dort hinein quetschten ging sie drei Stunden vor dem Frühstück. Meredith griff nach ihrem Handtuch und eine Shorts mit einfachem T-Shirt und verließ ihr Zimmer. Der Flur war noch Menschenleer, was Ihr ein Grinsen aufs Gesicht zauberte.

Im Bad ließ sie ihre Sachen neben einer Duschkabine fallen und entledigte sich auch von ihrem Schlafanzug. Sie stellte das Wasser erst auf Lauwarm und ging unter den sanften Wasserstrahl. Nachdem Meredith ihre Haare gewaschen und Zähne geputzt hatte, stellte sie das Wasser ab und griff nach ihrem Handtuch. Eine Tür wurde geöffnet und Meredith seufzte. Sie schlüpfte in ihre Klamotten und verließ das Bad. Ein Mädchen mit roten Locken kam ihr entgegen und senkte schüchtern den Kopf, als sie Meredith sah. Ihr entgingen die blauen Flecken nicht, die das Mädchen unter ihrem Pulli zu verstecken glaubte. "Du solltest es besser deinem Klassenlehrer sagen, sonst landest du bald im Krankenhaus", sagte Meredith trocken und das Mädchen zuckte zusammen. Verschreckt und verängstigt sah sie sich um, bevor sie ihre grünen Augen auf Meredith richtete. "Sag bitte niemandem davon", flehte sie mit zittriger

Stimme. Sie kannte das Mädchen, sie war in ihrer Klasse, fiel aber nicht weiter auf, da sie immer mit solch einer leisten, kaum hörbarer Stimme sprach. Ihr Name war Annabella Swen. „Annabella, komm in fünfzehn Minuten ins Zimmer 221B", sagte Meredith und Annabella sah sie überrascht an. „Woher kennst du meinen Namen?", fragte sie schüchtern. Meredith seufzte schwer, dieses Mädchen verstand aber auch gar nichts. „Wir sind in einer Klasse und daher werde ich dir helfen, dafür verlange ich aber eine geringe Entschädigung", erkläre sie der rothaarigen. „Was für eine Entschädigung?" Meredith deutete auf ihre rechte Hand, wo sich etwas Druckerschwärze befand. „Sobald du die Morgenzeitung durch hast gibst du sie an mich weiter, besser als wenn du sie wie jeden morgen wegschmeißt", erklärte sie und das andere Mädchen seufzte erleichtert. „Das lässt sich einrichten", sie lächelte schüchtern und lief dann weiter ins Bad. „Fünfzehn Minuten und keine Sekunde später!", rief Meredith ihr hinterher und lief ebenfalls weiter zu ihrem Zimmer.

In ihrem Zimmer angekommen verstaute sie ihre Sachen in ihren Kleiderschrank, machte ihr Bett und setzte Wasser für drei Tassen Tee auf. Diese holte sie von ihrem Regal herunter und stellte sie auf den kleinen Rattantisch, den Cam und sie gestern gekauft hatten, passende Stühle hatten sie auch bekommen. Es war zwar mühselig gewesen die ganzen Sachen ins Wohnheim zu schleppen, aber es hatte sich gelohnt, dadurch konnte Meredith in Ruhe ihre Klienten in ihrem Zimmer in Empfang nehmen. Ein kleines Büchlein, das als Klientenbuch dienen sollte, hatte Cam ihr geschenkt. Es hatte sie gefreut, dass er ihr eine Überraschung gemacht hatte, auch wenn sie es ihm nicht gezeigt hatte, Gefühle waren eben nicht ihre Welt. Der Wasserkocher piepte und Meredith schüttete das Wasser über die Teebeutel. Nachdem sie den Wasserkocher zurück gebracht hatte setzte sie sich auf einen der weißen Stühle und nahm das Büchlein. Es war in hellbraunem Kunstleder gebunden und das Bändchen war ebenfalls aus Kunstleder. Meredith hatte gestern Abend noch in sauberer Handschrift die Seiten vorbereitet und blätterte sie noch einmal kurz durch, um sich die Zeit zu vertreiben.

Pünktlich nach fünfzehn Minuten klopfte Annabella verhalten an die Tür. Meredith stand auf und ging zur Tür, um diese zu öffnen. Sie deutete ihr an, den Raum zu betreten und das andere Mädchen folgte der Aufforderung. Die Tür fiel leise ins Schloss und Meredith ging mit Annabella zum Tisch. „Zwei Löffel Zucker, richtig?", fragte sie Annabella und sie nickte perplex. „Nun setzt dich endlich auf den Stuhl, oder willst du weiter wirr im Zimmer stehen?" Meredith sah sie tadelnd an und rasch setzte sie sich. Es klopfte erneut und die braunhaarige Detektivin seufzte genervt. „Du bist zu spät", fuhr sie den Neuankömmling an. „Ich hab tief und fest geschlafen, als mein Wecker plötzlich los ging und du mir eine Nachricht im selben Moment geschrieben hast. Wann hast du den bitte eingestellt?"; murrte Cam und drückte sich an Meredith vorbei in ihr Zimmer. „Hey Bella", begrüßte er lächelnd die Rothaarige und legte eine kleine Tüte auf den Tisch. „W-was machst du hier Cam?", fragte Annabella mit, vor Überraschung geweiteten Augen. „Er hat eine Sondergenehmigung wegen der Sache Gestern", erklärte Meredith an Cams Stelle. „Also habt ihr wirklich den Diebstahl aufgeklärt?", fragte Annabella. „Ich nicht, aber sie", Cam grinste und deutete auf Meredith, die neben ihm stand. Meredith setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Bella und Cam zog sich den Schreibtischstuhl an den Tisch. Wortlos drückte sie ihm das kleine Buch in die Hand. Er nahm es entgegen und öffnete die erste Seite. „Lies vor", befahl Meredith und griff in die Tüte, ein Schokoladenbrötchen kam zum Vorschein und sie biss hinein. Mit einem Nicken gab sie auch den anderen beiden die Erlaubnis, sich etwas zu nehmen. „Wie großzügig", scherzte Cam, nahm sich ebenfalls eins und begann dann mit vollem Mund an zu lesen. „Also Bella, ich werde ein paar Sachen überspringen, wie Name und so, das weiß Meredith eh schon", er grinste und Meredith verdrehte die Augen. „okay, okay. Was ist dein Anliegen Bella?", lenkte er ein, als er das genervte seufzten seiner Partnerin hörte. „Also, eigentlich wollte Meredith, dass ich zu ihr komme", stammelte die Angesprochene und sah verlegen zu ihr. „Dann werde ich eben das Anliegen vortragen", sagte sie entnervt und überschlug ihre Beine. „Tina und Karina haben es sich zur Aufgabe gemacht, Bella, wie du sie nennst, zu schikanieren und zu schlagen. Grund dafür ist ihre Beziehung mit dem Star der Theater-AG. Die beiden sind sich letztes Jahr näher gekommen, als Bella die Hauptrolle übernehmen musste, da die eigentliche Besetzung krank geworden ist. Henry, angetan von ihrem Talent begann sich für sie zu interessieren und die beiden unternahmen viel zusammen in den Pausen, bis er ihr kurz vor den Sommerferien gestanden hat, dass er sich in sie verliebt hat. Bella konnte ihr Glück kaum fassen, da sie wegen ihrer schüchternen Art kaum mit Jungen reden konnte und sie schon eine Weile für Henry geschwärmt hatte, sich aber keine Hoffnungen gemacht hat", erklärte Meredith und Cam sah sie bewundernd an, wie hatte sie dies nun wieder heraus gefunden, was selbst er nicht wusste? „Bella und Henry begannen dann offiziell eine Beziehung zu führen, was den beiden vorher genannten Mädchen ein Dorn im Auge war, denn auch sie hegten Gefühle für Henry und sahen es nicht ein, dass jemand wie Bella mit Henry zusammen war. Daher fingen sie an sie zu schikanieren. Erst beschimpften sie sie nur, doch damit gaben sie sich nicht zufrieden und dehnten es aus. Krempelst du bitte deinen Pulliärmel hoch?" Bella tat, was Meredith von ihr verlangte und kleine, sowie große blaue Flecken kamen zum Vorschein. „Sie haben dich geschlagen und du hast es dir gefallen lassen, aus Angst, dass Henry es mitbekommen würde und weil die beiden dich erpressen, richtig?", Meredith sah abwartend zu ihr und Bella schluckte schwer bevor sie nickte. „Womit haben diese beiden dich erpresst?", fragte Cam aufgebracht und hätte fast seine Teetasse umgeschmissen, als er aufgesprungen war. „Setz dich hin", wies Meredith ihn zurecht und er gehorchte. Annabella zog ihr Handy aus ihrer Hosentasche und reichte es Wortlos Cam. Auf der Unterlippe kauend sah er sich das Foto an. Es zeigte Bella, wie sie einen blonden Jungen umarmte. „Und damit haben sie dich erpresst? Ziemlich einfallslos wenn du mich fragst, man sieht doch, dass ihr nicht zusammen seid, dafür hältst du ihn zu sehr auf Abstand", er reichte ihr das Handy zurück und Meredith nickte zustimmend. „Wie dieser Einfallspinsel eines Partners bereits gesagt hat, wenn man sich dieses Foto genauer ansieht erkennt man, dass ihr zwei weder Freunde noch ein Paar seid, sondern einfach nur Cousin und Cousine. Nun aber zur Lösung dieses Problems." Entrüstet sah Cam zu ihr und verschränkte beleidigt seine Arme vor der Brust. „Ich bin doch kein Einfallspinsel", verteidigte er sich und Meredith trat ihm unsanft gegen das Schienbein. „Ich habe dich nicht nach deiner Meinung zu deiner Person gefragt, sondern nach Lösungsvorschlägen", konterte sie. Er blinzelte gegen den Schmerz und sah dann nachdenklich in seine Teetasse. „Wir sollten sie in eine Falle locken, hat Gestern ja auch schon geklappt", schlug er vor und Meredith schlug ihn auf den Hinterkopf. „Man benutzt niemals denselben Trick hinter einander, merk dir das gut, Einfallspinsel." Cam brummte etwas Unverständliches und sah zu Meredith. „Wir werden sie direkt darauf ansprechen, aber erst brauchen wir Beweise, die drauf hindeuten, dass die beiden die Täterinnen sind und sie durch die schwere Beweislage aufhören dich zu schikanieren", erklärte Meredith und Annabella nickte. „Cam und ich werden dich heute im Schatten begleiten und sobald die beiden zuschlagen greifen wir ein", Meredith Augen blitzten und Cam konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, dieses Mädchen liebe selbst den kleinsten Hauch von Nervenkitzel. „Aber was, wenn sie nicht aufhören?", fragte Annabella verängstigt. „Mach dir keine Sorgen, sobald Meredith eingreift hat jeder Angst vor ihr und lässt freiwillig von dir ab, oder wird Nonne", lachte Cam und Meredith sah ihn erneut wütend an. „Wenn wir das geklärt haben", sagte Meredith mit einem Räuspern und nahm Cam das Buch vom Schoß, woraufhin er sie empört ansah. „Was? Benimm dich nicht wie ein kleines Mädchen", fauchte Meredith Augen verdrehend und reichte das Buch an Annabella weiter. „Hier einmal unterschreiben. Damit stimmst du zu, dass Cam und ich uns um deine Angelegenheit kümmern dürfen und du keine Mistschuld an unser Tun trägst, des Weiteren stimmst du zu, eine Gegenleistung zu erbringen", sie tippte mit einem Kugelschreiber auf die Seite und reichte ihn dann an das andere Mädchen weiter. „Ich werde anonym gehalten?", fragte die Rothaarige überrascht. „Ja natürlich, wir wollen ja unsere Klienten nicht in Schwierigkeiten bringen", sagte Meredith Achsel zuckend und Annabella unterschrieb ihre Kartei.

Sie verabschiedeten sich von einander und Annabella ließ Cam und Meredith im Zimmer zurück. „Musst du mich immer schlagen?", fragte er sie, noch bevor die Tür richtig ins Schloss gefallen war. Verständnislos sah sie ihn mit ihren grün-braunen Augen an. „Wusstest du nicht, dass ein Schlag auf den Hinterkopf das Denkvermögen fördert?" „Und gegen das Schienbein hilft wobei?", fragte er grimmig und sah zu ihr runter. „Das bringt zum Ausdruck, wie sehr du mich zur Weißglut bringst Watson", erwiderte sie bissig. Cam seufzte und ließ sich wieder auf den Schreibtischstuhl fallen. Meredith setzte sich neben ihn und nahm einen Schluck von ihrem Tee.

„Und was machen wir jetzt?", fragte Cam zaghaft, als die Stille ihn zu erdrücken schien. „Wir machen gar nichts, denn wenn du nicht umgehend aus dem Fenster steigst und zum Sportplatz läufst, wirst du zu spät zum Training kommen und dadurch das Frühstück verpassen, da du danach mindestens dreißig Runden über den Platz rennen musst und ich habe keine Lust, Schuld daran zu haben", antwortete Meredith mit einem Blick auf die Uhr. Er folgte ihren Blick. „Scheiße, darf ich wirklich aus deinem Fenster?", fragte er, sprang vom Stuhl auf und war bereits zum Fenster geeilt. „Ja natürlich, durch das Fenster sparst du zwei einhalb Minuten und bist dreißig Sekunden vor halb sieben auf dem Sportplatz", erklärte sie und öffnete das Fenster. Zum Glück hatte er seine Sportsachen schon angehabt, da er damit gerechnet hatte, dass es länger dauern würde, aber das es so knapp sein würde, hatte er nicht gedacht. Er kletterte aufs Fensterbrett und sprang, elegant wie eine Katze, aus dem Fenster und landete leichtfüßig auf den Rasen. Er drehte sich noch einmal zu Meredith um, grinste und winkte wild. „Bis nachher Meredith und wehe du erlebst etwas Spannendes ohne mich, dann bin ich eingeschnappt", scherzte er und rannte zum Sportplatz. Meredith lehnte aus ihrem Fenster und sah ihm hinterher, wie seine blonden Haare im Wind wehten und er leichtfüßig über den Hof sprintete. „Was für ein Einfaltspinsel", belustigt schüttelte sie ihren Kopf, drehte sich um und ging zu ihrem Bücherregal, um sich ein Buch zu nehmen. Mit einem dicken Wälzer setzte sie sich in den Rattansessel und begann zu lesen, um sich die Zeit bis zum Frühstück zu vertreiben und um nicht die Leere zu merken, die in ihrem Zimmer herrschte, nun wo Annabella und auch Cam gegangen waren. Denn so hatte sie die Einsamkeit immer bekämpft, mit Lesen.




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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 21, 2015 ⏰

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Meredith Holmes- oder wie ein Genie Alltag überlebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt