3. Wir waren keine Familie.

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07.03.2003

Mein Schlüssel steckte im Schlüsseloch. Ich seufze noch einmal und drehte dann den Schlüssen herum. Ein klick Geräusch ertönte. Die schäbige Holztür ging auf. Während ich meine Schuhe auszog, hing ich das Metallische Ding an das alte Schlüssebrett.

So wie es aussah, war niemand daheim. Mein großer Bruder war warscheinlich auf irgendwelchen Partys und legt tausende Weiber flach. Meine Mutter war bestimmt Arbeiten und machte mit dem Chef rum, um nicht ihren Job zu verlieren. Und mein Dad? Der war höchstwarscheinlich in irgendein Stripclub. Wenn er dort nicht war, war er in irgendeiner Bar. Diese Idioten, wo sich Familie nennt, kommen bestimmt erst heute Abend.

Nein, wir waren keine Familie. Das wussten wir alle. Meine Mutter wollte unbedingt ein Kind. Dabei kam mein Bruder raus. Das zweite mal als sie dann mit mir schwanger war, war ungewollt. Doch sie wollte auch nicht Abtreiben, oder mich in die Babyklappe stecken. Ich war ungewollt und damit lebte ich.

Wir waren - etwas - reich. Dennoch kaufte ich mir mit dem Geld keine Freunde, Aufmerksamkeit oder ähnliches. Soetwas brauchte ich nicht. Wir hatten auch kein wirklich großes Haus. Unser Haus war so groß, das wir alle hinein passen. Als ich geboren wurde, lebten wir schon hier. Ich dachte, das sie hier eingezogen waren, als mein Bruder zur Welt kam.

Meine Mutter hatte im Lotto gewonnen, deshalb waren wir halbwegs reich. Es gab definitiv reichere Familien. Wo meine Mutter arbeitet, weiß ich nicht. Das einzigste was ich weiß, war, das sie von morgens um acht bis spät in die Nacht arbeitete. Meistens kam sie erst so um dreiundzwanzig Uhr oder sogar noch später nach Hause. Mein Vater arbeitet nicht, wir waren ja so 'reich'. Viel lieber besuchte er den Stripclub und steckte den Schlampen die Scheine in den Slip. Mein Bruder ist volljährig. Um genau zu sein ist er 19 Jahre alt. An arbeiten hat er nie gedacht, immer nur saufen und ficken. Die zwei Männer kamen auch sehr spät nach Hause. Meistens sind sie über die Nacht weg und kommen morgens um Elf Uhr nach Hause. Oft war ich alleine zu Hause, was mich nicht wirklich gejuckt hat. Am alleine sein war ich gewöhnt. Früher, als ich fünf oder sechs war, war ich auch auf mich selbst gestellt. Mutter hatte mir essen gekocht, das ich nicht verhungerte, aber das war es auch schon. Doch ich lebte damit. Es war schon immer so.

"Du siehst heute mal wieder hässlich aus, Schwesterherz", begrüßte mich mein angetrunkener Bruder.

Ich zögerte nicht lange und erwiderte: "Ich bin dein Spiegelbild, Bruderherz"

SuicideWo Geschichten leben. Entdecke jetzt