Kapitel sechs - Vorbereitungen

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Ich starre Johanna mit großen Augen an.

Wieso?

Nun, ich denke, sie wollte, dass du in guten Händen bist. Außerdem warst du als Kind immer misstrauisch gegenüber Fremden. Aber das war bei Herr von Eisberg anders. Nach seinem ersten Besuch bist du richtig aufgeblüht. Das meinte zumindest deine Mutter. Sie war eine tolle Frau. Es ist wirklich schade, dass du so wenig Zeit mit ihr hattest. Apropos Zeit. Es geht schon gegen Mittag zu. Wir sollten uns wenigstens schon auf ein Kleid festgelegt haben, bis es Zeit für das Essen ist.

Ich stehe auf und wir begeben uns zurück in den Kleiderraum. Die Auswahl fällt ziemlich rasch auf ein waldgrünes Kleid mit Brokatverzierung und schwarzer Spitze von Dekolleté bis Rocksaum sowie an den Ärmeln. Dann hilft mir Johanna in ein schlichtes, weißes Kleid und geleitet mich zum Speisesaal, den ich erst einmal zu Gesicht bekommen habe. Nach dem Essen nimmt Johanna sogleich meine Haare in Angriff. Sanft kämmt sie meine blonden Locken und drapiert sie gelockt überall an meinen Kopf. In der Mitte lässt sie meine Haare nach unten fallen und kämmt sie glatt.

Du siehst bezaubernd aus, Katharina. Lass uns einen Moment allein Johanna.

Kaum ist Johanna gegangen, presst er mich an sich.

Wie ein Engel.

Dann küsst er mich. Seine Hände wandern über meinen Körper, ich tue es ihm gleich.

Nicht, mein Engel. Denk an deine Frisur. Wenn du jetzt weiter machst, werde ich mich nicht mehr beherrschen können. Bis heute Nacht werden wir uns noch gedulden müssen.

Er hält meine Hand fest. Dann entfernt er sich von mir. Bevor er geht gibt er mir noch einen Handkuss.

Ich warte an der Treppe auf dich, wenn es soweit ist.

Ich sehe ihm verträumt hinterher. Seit der Erinnerung hatte ich das Bedürfnis ihn zu sehen. Das alles hat sich gerade noch viel intensiver angefühlt als gestern noch. Und das eben war nur ein Kuss gewesen.

Katharina!

Ich zucke zusammen. Vor mir steht Johanna. Sie hat ihre Hände in die Hüften gestemmt und sieht mich tadelnd an.

Wo bist du heute nur mit deinen Gedanken, mein Kind.

Sie schüttelt den Kopf. Ich ziehe sie an mich und drücke sie.

Luft!

Sie keucht. Erschrocken lasse ich sie los.

Sie sollten auf ihre Kraft achten, Madam. Vampire sind viel stärker als Menschen.

Sie verschnauft noch kurz, während ich mich von dem Schreck erhole.

Jetzt aber schnell. Die Gäste werden bald eintreffen.

Sie hilft mir vom einen Kleid ins nächste. Plötzlich klopft er an der Tür und dann tritt ein junges Mädchen in den Raum. Sie kann höchstens zwölf Jahre alt sein.

Bitte sehr, Madam.

Dankeschön. Wie heißt du, meine Kleine?

Rose, Madam.

Sie macht einen Knicks und macht sich schnell wieder vom Acker. Ich trinke das Blut in einem Zug.

Du musst mir alles über Rose erzählen, Johanna. Was macht sie hier?

Später. Die Gäste dürften jeden Moment da sein.

Sie tupft noch ein letztes Mal in meinem Gesicht herum und bringt mich dann zur Treppe, wo Robert mich schon sehnsüchtig erwartet. Seine Augen weiten sich, als er mich mustert.

Du siehst bezaubernd aus. Es tut mir Leid, mein Engel. Aber das Personal muss morgen begrüßt werden. Ich höre schon die ersten Gäste kommen.

Wen erwarten wir alles?

Es werden vier Ehepaare mit uns speisen. Alle sind Gutshofbesitzer aus der Gegend. Bernard und Isolde de Facounau. Gunnar und Maria van der Belt. Falko und Annabell Marinelli. Hubert und Viktoria von der Klippe.

Während er mir das alles erzählt, erwacht der Vampir in mir plötzlich zum Leben. Mein Geruchssinn verschärft sich drastisch und lässt mich das süßliche, köstliche Blut von sich nähernden Menschen riechen.

Sind das alles Menschen?

Ja!

Schick sie wieder weg. Ich kann das nicht.

Robert seufzt und schaut mich bittend an. Da klopft es an der Tür und ich beschließe spontan in Ohnmacht zu fallen, bevor der Drang, mich auf die Menschen zu stürzen, Oberhand nimmt. Robert fängt mich auf und trägt mich weg, während er noch Befehle gibt.

Sag den Gästen, dass ich gleich komme.

Dann legt er mich sanft auf unser Bett. Als er mich loslassen will, reiße ich meine Augen auf und kralle ich mich an ihm fest. Er keucht überrascht auf.

Was soll das, Katharina?

Seine Augen leuchten gefährlich und seine Stimme ist scharf. Erschrocken schnappe ich nach Luft. Dabei dringt wieder der tolle Duft von Menschenblut in meine Nase. Meine Augen fangen an zu glühen und ich verliere die die Kontrolle über mich. Wild geworden, versuche ich mich aus Roberts Schraubstockartigem Griff zu befreien.

Tut mir leid, Katharina. Sei mir nicht böse, aber ich muss das jetzt tun.

Das sind die letzten Worte die ich höre, dann wird mir schwarz vor Augen. Als ich aufwache, weiß ich weder was passiert ist noch wo ich bin. Mein Kopf schmerzt und mein Körper ist eiskalt. Und warum bin ich bitte nackt?

Gespaltene SeeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt