Ich schrecke aus meinem unruhigen Schlaf und taste nach Robert. Doch der Platz zu meiner Rechten ist leer und eiskalt. Ich beginne zu zittern, als ich mir ins Gedächtnis rufe, warum ich so plötzlich aus dem Schlaf gefahren bin. Ich habe sehr anschaulich von meinem Tod geträumt, was mich an Roberts Worte erinnern lässt.
Was du auf jeden Fall meiden solltest, sind die Sonne und Feuer. Die Sonne dörrt dich langsam und qualvoll aus bis nur noch Asche von dir über ist. Bei direktem Kontakt mit Feuer verbrennst du. Wenn deine Zeit gekommen ist, verbrennst du von innen heraus. Legt ein anderer Vampir ein Feuer auf deinem Grund und Boden, wünscht dieser deinen Tod und die Tat wird als Kriegserklärung gesehen zwischen den beiden Vampiren bzw. Vampirclans. Ein Vampirclan besteht aus den Nachkommen, geboren und gebissen, des Vampiroberhauptes des Clans.
Ich schüttele den Gedanken daran, bei lebendigem Leib zu verbrennen, während der Clan des Feindes lachend um mich herum steht, ab und mache mich auf die Suche nach Robert. Ich finde ihn, wie wenige Stunden zuvor, in seinem Arbeitszimmer. Er ist wieder in seine Papiere vertieft, doch dieses Mal ist sein Gesichtsausdruck nicht zufrieden, sondern verärgert.
Was ist passiert?
Robert seufzt. Dann legt er die Papiere zur Seite und verlässt seinen Schreibtisch.
Nichts, das auch noch Zeit bis morgen hat!
Du würdest es mir doch sagen, wenn es um etwas geht, dass auch mich betrifft?
Diese Frage habe ich gestellt, ohne dass ich etwas dagegen machen kann. Nennt es Übervorsichtig oder Intuition. Sofort heftet sich sein Blick auf mich. Er mustert mich genau.
Wieso sollte ich dir etwas verheimlichen, Liebling?
Nun, ich weiß noch ganz genau, wie lange es dauert hat, alles von dir zu erfahren, was du mir über Vampire sagen kannst. Das hatte konkret etwas mit mir zu tun, denn es ist doch wichtig, alles über sich selbst zu wissen, ist das nicht so?
Auf seine Antwort bin ich jetzt gespannt. Denn ausführlich darüber gesprochen haben wir nicht, immer ist er ausgewichen. So auch dieses Mal.
Das ist alles? Ich dachte, du vertraust mir! Ich werde dir schon alles zur rechten Zeit beibringen.
Du gibst also zu, dass ich noch nicht über alles informiert bin?
Katharina, hier ist weder der rechte Ort noch die rechte Zeit über dieses Thema zu reden. Du gehörst ins Bett! Warum bist du überhaupt wach geworden?
Ich zucke bei seinem harschen Tonfall zusammen. Doch seine Frage ist liebevoll. Als ich an meinen Traum denke, erschaudere ich leicht. Der Tod, vor allem wenn es der eigene ist, ist nun mal kein angenehmes Thema für eine Frau, die Mitte im Leben steht. Ich erzähle ihm stockend von meinem erschreckenden Traum, während seine Augen immer größer werden.
Das hast du wirklich gesehen? War ich dort auch irgendwo?
Asche! Da war nur ein Aschehaufen, der vom Wind weggeweht wurde!
Meine Stimme ist tonlos, als ich das sage. Kurze Zeit ist es still. Dann ergreift Robert das Wort.
Ich fasse es nicht! Du bist eine Seherin! Du kannst in die Zukunft sehen!
Wie bitte? Wie kommst du denn jetzt darauf?
Mein Ton ist ungehalten.
Das ist nicht so wichtig. Deine Gabe hat sich manifestiert. Seher sind selten.
Ich sehe ihn einfach nur fassungslos an und schüttele schließlich den Kopf, sodass meine blonden Locken hin und her hüpfen. Er tut es schon wieder. So langsam bin ich mir sicher, dass es ihm Freude bereitet, mich mit seinen ausweichenden Antworten zur Weißglut zu bringen.
Hast du denn eine Gabe? Und denke nicht daran mir eine ausweichende Antwort zu geben!
Freiwillig würde er mir soetwas sicher nicht sagen.
Ja!
Und die wäre?
Ich bin ein Täuscher. Ich kann mit meinen ausweichenden Antworten mein gegenüber in die Irre führen.
Völlig vor den Kopf gestoßen, starre ich ihn an. Dann platzt mein Knoten.
Wie konntest du mir so etwas wichtiges verschweigen?
Jetzt mache bitte kein Drama daraus, Katharina!
Wie bitte? Wie soll ich da kein Drama daraus machen? Weißt du wie anstrengend das für mich ist? Immer nachbohren zu müssen und dann doch keine richtige Antwort zu bekommen? Hätte ich gewusst, dass das einfach in deiner Natur liegt und du das nicht nur zum Spaß machst, hätte ich mich gleich damit arrangieren können anstatt mich darüber zu zermürben.
Er sieht mich während meines Ausbruchs erstaunt an. Als er Anstalten macht, mich umarmen zu wollen, wehre ich mich. Doch da er momentan noch viel stärker ist als ich, zwingt er mich doch in eine Umarmung, in die ich mich schließlich fallen lasse und in Tränen ausbreche.
Es ist alles gut, Katharina! Es ist alles gut!
Die ganzen Wochen des Lernens und der Anstrengungen mich in meinem neuen Leben zurecht zu finden, kommen jetzt zum Vorschein.
Ich denke es ist besser, wenn wir morgen einen Tag ausruhen.
Ich nicke unter Tränen. Ich fühle mich tatsächlich vollkommen ausgelaugt.
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Gespaltene Seele
Ficción históricaDie 18-jährige Katharina ist in der Obhut ihres Vater aufgewachsen. Für ihn ist eine gute Erziehung das Wichtigste. Dementsprechend kultiviert geht es in seinem Haus zu. Katharina wurde ihrem Stand nach, als Bürgerin der Oberschicht, zu Hause unterr...