Kapitel 2

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Blair POV:

Ich erwachte. Vom Vorfall noch ganz benommen blinzelte ich. Jeder Wimpernschlag raubte mir die Kraft. Meine Lippen waren aufgeplatzt und rissig und mein Mund war unangenehm trocken. Meine Pupillen verengten sich, da mich das grelle Licht blendete. In mir erlangte ein träges Gefühl die Oberhand. Mein Körper lag schwach und regungslos auf einem alten Sofa. Ich war fehl am Platz, das konnte ich spüren. Ich zog meine Finger an und ballte meine Hand zu einer Faust, kraftlos lag sie an meinem Körper.Ich schaute mich in dem kleinen Raum um, wobei meine Augäpfel bei der kleinsten Bewegung schmerzten. Ich befand mich in einem leeren Raum mit zwei Fenstern, welche von staubigen Vorhängen vermummt waren. Staubteilchen tanzten im stechenden Licht welches von der Lampe über mir ausging. Die ganze Atmosphäre drückte unbehaglich auf meinen Körper. Ich fasste mir an den Kopf in dem es schrecklich pochte. Sogleich dachte ich an den rasend und panisch wirkenden Herzschlag des Jungen, und daran wie er mich in seinen starken Armen fest hielt. Mich durchfuhr ein flaues Gefühl denn irgendjemand beobachtete mich. Als ich mich umblickte war jedoch niemand im Zimmer. Ich rappelte mich auf und versuchte aufzustehen, was mir auch gelang, aber nach ein paar schwankenden Schritten fiel ich hin. Das Adrenalin schoss meine Adern empor und ließ mich aufseufzen. Ich war bereit für den nun folgenden Schmerz. Doch der Aufprall mit dem dumpfen Geräusch war nicht zu hören.

Mein benommener Blick wanderte an den muskulösen Armen, die meinen Körper fest umschlangen, nach oben in wunderschöne dunkelbraune Augen. Ich war wie gefesselt und hing an ihnen, welche im Licht schon fast schwarz erschienen. Sie umschlossen mich und ließen mich nicht los. Ich konnte und wollte mich nicht bewegen. Mein Herz setzte für zwei drei Schläge aus und ich verlor jegliches Gefühl des Bewusstseins. Die Zeit stand still und ich erlebte diesen Augenblick wie in Trance. Ich atmete tief ein und nahm den Sauerstoff in meinen Lungen auf. Mit meiner Zunge fuhr ich über meine spröden Lippen und faste wieder einigermaßen Boden.

"Danke...du kannst mich jetzt wieder los lassen". Sagte ich leise, ließ dabei nicht von seinen Augen ab. Der Junge rührte sich jedoch nicht. Er trug einen dunkelblauen Kapuzenpulli, so lag sein markantes Gesicht im Schatten und ich konnte seine Gesichtszüge nur erahnen. Für mich war er ein Gesichtsloser, eine Silhouette meines Gedankenflusses. Nur seine anziehenden Augen brannten sich in meine. Er schaute kurz über seine Schulter und dann wieder zu mir. Er wirkte verunsichert und seine Körperhaltung verriet mir, dass er sich Sorgen machte, Sorgen um mich.

Behutsam löste er sich von mir und half mir auf. Er schaute mich mit einer mir zuvor unbekannten Intensität in die Augen und sprach mit einer melodisch klingenden Stimme zu mir, ohne jedoch dabei seine Lippen zu bewegen. Sie erfüllte auf angenehme Art und Weise meine Seele und schmiegte sich an mein Herz.

"Geh! Geh nach Hause und vergiss unsere Begegnung. Vergiss mich und alles was dein kleines Herz vernommen hat. Geh! Geh nach Hause und lass deine Lippen darüber schweigen..." Innerlich schüttelte ich mich. Es war falsch was er sagte und ich wollte die Worte aus mir heraus schütteln um sie los zu werden. Seine Worte nahmen mich in Besitz und vernebelten meine Wahrnehmung. Der Junge berührte sanft mit seinen Lippen meine Stirn. Dann ging er aus der Tür und schaute mich an.

"Komm, ich werde dich nach Hause fahren Blair" Hauchte er über seine Lippen. Ich richtete mich auf und nahm den verflogenen Kuss, ohne mich dagegen zu sträuben an. Meine Sicht war verschleiert, doch folgte ich ihm mit sicheren Schritten, ohne einen weiteren Gedanken.

Müde kniff ich meine verquollenen Augen zusammen. Der beißende Schmerz kroch in meinen Körper, als ich mich vorsichtig aufrichtete und die Bettdecke beiseiteschob. Ich war verwirrt und suchte vergeblich nach Orientierung. Mein Blick huschte von einem Zimmerende zum anderen, auf der Suche nach Hinweisen und Puzzleteilen, die ich selber nicht zusammensetzen konnte. Mühsam rappelte ich mich auf und suchte Balance auf meinen Beinen, welche unter meiner Last zu zersplittern schienen. Mit schweren Schritten bewegte ich mich Richtung Fenster.

Zurzeit war wegen den zugezogenen Rollläden mein Handy die einzige Lichtquelle in meinem Zimmer. Dies erschwerte mir zusätzlich die Sicht und ich taumelte über die auf dem Boden verstreuten Klamotten.

Müde blickte ich auf mein Handy, 08.30 Uhr... Mein Smartphone hatte guten Grund dazu mich aus dem Schlaf zu reißen.

Anstatt den Wecker auszuschalten ließ ich ihn laufen. Schon vorbereitet schloss ich meine Augen und öffnete dann das Rollo, welches erst jetzt kräftige Sonnenstrahlen in mein Zimmer ließ. Ich öffnete langsam die Augen und zog mich an. Mein Bett machte ich nie. Wieso denn auch, wenn ich am Abend wieder schlafen gehen würde? Ich tapste mit schmerzen ins Bad und stützte mich mit den Händen auf dem Waschbecken ab. Mein Spiegelbild keuchte mich durch den Spiegel  an und betrachtete mich mitgenommen. Meine Fingerknöchel waren aufgescheuert und meine Wange zierte eine große Schramme. Ich hatte wohl eine schreckliche Beule am Hinterkopf, da mich das Bürsten meiner Haare immer wieder aufkeuchen ließ. Auch mein Bauch hatte mehrere blaue Flecken. Ich bekam Angst, hatte keinen leisen Schimmer von einem Vorfall mit derartigen Ausmaßen an meinem Körper. In meinem Kopf schwirrten unzählige Gedankenfetzen herum, die ich, wie sehr ich es auch gewollt hätte, unter keinen Umständen zusammenflicken könnte. Ich ließ das kalte Wasser über meine Handgelenke laufen und umklammerte das Waschbecken fester. Der Schmerz schoss schlagartig in meinen Kopf und lies mich erschüttern. Ich schloss meine Lider und biss mir auf die Unterlippe. Ich schmeckte das bittere Blut und fuhr mit der Zunge über eine Schramme die sich von meiner Lippe zum Kinn hin zog.

Ich wollte auf keinen Fall dass Chloe mich so sah. Schnell ließ ich optisch meine Verletzungen so gut es ging verschwinden und ging in die Küche um den Tisch zu decken. Meine Hände zitterten, ich fühlte mich noch immer schrecklich. Chloe würde gleich kommen um gemeinsam mit mir zu Frühstücken. Doch die Angst, Chloe Antwort zu gestehen, doch sie selber nicht einmal zu kennen, ließ mich nicht los. Sie saß in mir fest, ganz tief. Es klopfte zart an der Haustür, wodurch ich aus meinen Gedanken gerissen wurde. Ich lief zur Tür und öffnete sie mit einem tiefen Atemzug.

"Hey, Süße." Begrüßte mich Chloe, wie immer munter, und gab mir einen Schmatzer auf die Backe. Ich umarmte sie und versuchte so gut es ging zu vergessen, was mich in diesem Moment bewegt hatte. Ich wandte mich ab, setzte mich auf einen Hocker und zog ihn näher an den Tisch. Chloe tat es mir gleich und drapierte mit einem Grinsen zwei Donuts auf den Tellern. Ich blickte auf und schenkte ihr ein leichtes lächeln und wollte ihr gerade einen Tee anbieten, als sie meine Fingerknöchel sah.

"Was ist denn mit dir passiert Blair? Du warst doch nicht etwa ohne mich beim Training?" Fragte sie neckisch. Ich zog meine Hand erschrocken zurück und versuchte ihrem Blick zu entrinnen.

"Nein... keine Sorge. Um ehrlich zu sein weiß ich noch nicht einmal was passiert ist!" Wir nippten an unserem Tee und aßen unsere Donuts. Dabei schaute sie mich besorgniserregend an, harkte aber nicht weiter nach. Ich konnte ihr aber ansehen, dass sie mit meiner Antwort nicht zufrieden war.

"Na wirst du heute wieder alle fertig machen?" Chloe wechselte das Thema schnell, um das Schweigen zu brechen. Wir waren gerade auf den Weg zum Kickboxen. Den ganzen Weg zur Haltestelle hatten wir kein Wort gesprochen. Ich wand mich ihr zu und lächelte sie an, ich war dankbar für ihr Verständnis. Und sie hatte Recht, im Kickboxen war ich unschlagbar. Bis jetzt hatte noch niemand aus unsere Gruppe je gegen mich gewonnen.

"Na klar! Aber dich lasse ich heute auch mal gewinnen, sonst steigst du noch voller Frust aus."

"Hey du bist doof!" Sie boxte mir in die Seite. Daraufhin durchfuhr mich ein Stechen in meiner Hüfte. Ich sah vor meinem geistigen Auge mein Spiegelbild von heute Morgen. Ich krümmte mich leicht vor Schmerz, versuchte ihn aber zu unterdrücken. Noch nie hatte ich im Training gefehlt. Ich ließ mich ja noch nicht einmal von einer Verstauchung aufhalten. Ich zog ein breit gequältes Lächeln über meine Lippen während ich Chloe die Tür zur Sporthalle öffnete. Sie durchschaute mich sofort und ging mit einem Kopfschütteln Richtung Umkleide. Hinter mir schloss sich die Tür. Ich atmete ein und aus um die Kontrolle über meinen Körper wieder zu erlangen. Ich schloss die Augen, biss die Zähne aufeinander und folgte Chloe.

Gefährtin der NachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt