Er sollte es nie lesen.
Er sollte nie von ihren Geheimnissen erfahren, sollte nicht über ihren Wunsch zu sterben Bescheid wissen.
Er sollte noch nicht mal ihr Pfleger sein.
Heaven war verzweifelt.
Er würde sicherlich ihrer Therapeutin über das Buch und seinen Inhalt erzählen.
Dann würde diese Heaven wieder stundenlang predigen, dass der Tod keine Lösung sei.
Heaven schrie frustriert auf.
Sofort kam ihr Pfleger hineingestürzt.
Als er Heaven auf dem Boden sitzen sah, atmete er erleichtert auf.
Der Schrei hatte sich so angehört als hätte Heaven sich umgebracht.
Seit er das Buch gelesen hatte, sah er sie mit anderen Augen.
Er wollte sie nicht mehr nur pflegen und sich um sie kümmern.
Er wollte ihr helfen.
Noch nie hatte er so ein starkes Bedürfnis empfunden jemandem zu helfen.
„Heaven, alles okay?"
Heaven schaute auf und schüttelte den Kopf.
Bei ihr war nie etwas okay, solange sie noch lebte.
Sie zeigte abermals auf das Buch, das immer noch an der Stelle lag an der er es abgelegt hatte.
Er schaute sie fragend an und verstand nicht was sie von ihm wollte.
Er wünschte sie würde wieder reden. Dann wäre alles so viel leichter.
Sie wünschte sie könnte wieder auf Blätter schreiben.
„Heaven, ich möchte dir helfen", sagte er.
Er konnte ihr nicht helfen.
Sie war verloren und hoffnungslos.
„Ich habe eine Idee", sagte er und stürmte aus dem Zimmer.
Heaven fragte sich was er wohl vorhatte.
Als er wieder reinkam, schob er einen Rollstuhl vor sich her.
Sie riss erschrocken die Augen auf und rückte panisch in eine der Ecken.
Sie wollte nicht raus.
Sie hatte Angst vor der Welt da draußen.
Draußen waren alle böse und egoistisch.
Sie fing an panisch zu schluchzen.
Er bemerkte ihre panischen Blicke und sein selbstsicheres Lächeln verschwand.
Er fragte sich, wovor sie Angst hatte.
„Heaven. Wir werden nur in den Park gehen. Niemand wird uns bei dem Wetter da draußen begegnen", versuchte er sie zu beruhigen und zeigte nach draußen, wo es aus Kübeln regnete.
Doch sie schüttelte nur den Kopf.
Sie wusste, dass er log.
Sie hatte schon oft bei Regen aus dem kleinen Fenster geschaut.
Jedes Mal befanden sich viele Menschen dort und eilten von Haus zu Haus.
Sie hatte über das rege Treiben geschrieben.
Sie rennen wie Gejagte über den Platz.
Es scheint als hätten sie Angst vor dem Wasser, als sei es ihnen ungeheuer.
Dabei ist Regen wunderschön.
Die einzelnen kleinen Tropfen die von der Schwerkraft angezogen werden, auf dem Boden aufprallen und mit anderen Tropfen einen kleinen See bilden.
Einmal hatte Heaven einen kleinen Vogel in der Pfütze baden sehen.
Sie hatte bei dem Anblick lächeln müssen.
Es war selten, dass Heaven lächelte.
Zu tief saß die Trauer.
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Heaven
Short StoryHeaven redet nicht, sie schreibt. Copyright: Pastelltoene Cover: Pastelltoene Best Ranking: #3 in Kurzgeschichten am 09.02.16 und 20.03.16 #13 in Aktuelle Literatur am 20.02.16