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Laut klingelt mein Wecker. Es ist sechs Uhr morgens. Also war alles ein Traum, wie immer.
Ich bin noch so aufgewühlt, kann mich lebhaft an alles erinnern. Die Angst, die Verzweiflung, den Schmerz in der Lunge vom laufen.
Und die Sehnsucht nach Aiden.
Alles sehr real, wie so oft in letzter Zeit, wenn ich aus einem Traum erwache.
Und wie so oft in letzter Zeit, bekomme ich keine Antworten auf meine Fragen.
Wie geht es weiter? Wer war dieser Mann mit den glühend roten Augen? Und das wichtigste, was war mit Aiden passiert?
Nächste Nacht träume ich wieder diesen gleichen Traum, doch er wird mir keine dieser Fragen beantworten.

Ich seufze. Es war Zeit aufzustehen und in die Schule zu gehen. Langsam krabble ich aus meinem Bett, ziehe mich um und fahre das Rollo hoch.
Es regnet. Wir haben Mitte April, doch vom kommenden Sommer kann kaum die Rede sein. Ganz im Gegenteil, es war ja noch nicht mal Frühling. Naja wie kann es auch anders sein, das Wetter spiegelt mal wieder meine Gefühle wieder.
Wie passend. Leise mache ich meine Tür auf und gehe ins Bad.

Die Zähne sind schnell geputzt, die Haare schnell zu einem Zopf gebunden. Was ein Luxus für meine Familie. Ich brauche nicht lange im Bad, schminke mich nicht und mit meinen Haaren kann man machen was man will, am Ende sieht alles aus wie vorher auch. Das einzige was mir an meinem Gesicht gefällt ist die gerade Nase und meine Augen. Meine Augen sind etwas ganz besonderes. Das eine eisblau, das andere golden. In dem goldenen habe ich sogar ein Muttermal. Noch etwas ganz besonderes. Manchmal mache ich mir ein Spaß daraus, fremde Leute anzugucken, bis diese sich weg drehen, weil es ihnen unangenehm ist, lange in meine Augen zu schauen. Naja soviel zu mir.

Ich brauche nie länger als zehn Minuten im Bad.
Ich gehe nach unten wo meine Mutter bestimmt schon mit dem Frühstück auf uns wartet.
An der Treppe begrüßt mich Diesel, unser Familienhund. Der große  Wuschel ist jetzt drei Jahre alt.
Ich setzte mich an den Esstisch und fange an zu frühstücken, da platzt meine Mutter auch schon ins Zimmer.
" Guten Morgen mein Schatz, hast du gut geschlafen?" Ich zucke nur mit den Schultern. Ist auch egal, eine Antwort wartet sie auch gar nicht ab und schon ist sie raus zur Tür. Typisch Mum, seit mein Dad uns verlassen hat, flüchtet sie sich in ihre Arbeit. Ist mir ganz recht, so habe ich wenigstens meine Ruhe.
Kurz nachdem meine Mum das Haus verlassen hat, betritt mein Bruder Colin den Raum. "Morgen" brummt er mir nur zu. So ein Morgenmuffel.
" Guten Morgen" antworte ich. Dann wird mal wieder geschwiegen.

Mein Bruder ist vier Jahre älter als ich, schon 21. Auf meine Schule geht er schon lange nicht mehr, hat sein Abitur abgebrochen, nachdem unser Vater uns verlassen hat und hat eine Ausbildung zum Automechaniker angefangen. Selber schuld. Jetzt geht er für wenig Geld, den ganzen Tag arbeiten.
Ein gutes Verhältnis habe ich schon lange nicht mehr zu ihm, was eigentlich sehr schade ist, da Aiden sein bester Freund ist.

" Gibst mir mal die Butter?", reißt Colin mich aus meiner Tagträumerei. "Klar" antworte ich und gebe ihm die Verpackung. Ich stehe auf, räume meinen Teller in die Spüle und gehe Richtung Tür.
"Aiden hat nach dir gefragt" hörte ich meinen Bruder sagen. Ich renne zurück zum Tisch. "Wie jetzt, warum das?", frage ich und werde prompt rot. "Keine Ahnung er hat mich gerade angerufen und gefragt wie lange du heute Schule hast."
Ungläubig schaue ich meinen Bruder an. Ziemlich verwirrt gehe ich zur Tür. Aiden hat nach mir gefragt? Warum interessiert ihn, wie lange ich heute Schule habe. Nie hat er auch nur die kleinste Andeutung gemacht, das ihn irgendetwas was mit mir zu tun hat, interessiert. Warum jetzt auf einmal? Ich gehe raus und ziehe die Tür hinter mir zu.

"Oh Mist. Meine Schultasche." Genervt Klingel ich nochmal an. War ja klar, mein Schlüssel habe ich auch nicht mit. Mein Bruder macht mir lachend auf, ich renne rein, schnappe mir meine Klamotten, den Schlüssel und bin wieder weg.

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Im Bann meiner TräumeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt