Esmee
Layla ging zu der alten Theke, zog einen zerknüllten Zettel aus ihrem Stiefel und gab ihn Ingrid. Die alte Frau musterte ihn und hielt für einen kurzen Moment Blickkontakt mit Layla bevor sie sagte: "Warte hier, ich hol es." und in ihren Hinterraum verschwand. Mit gerunzelter Stirn stellte ich mich zu Layla, ihr Gesicht war blass und besorgt. "Geht es dir nicht gut?",fragte ich meine Freundin.
Sie schüttelte viel zu schnell den Kopf und schenkte mir ein müdes Lächeln. Dann herrschte kurze Stille bis Ingrid mit einem kleinen Beutel wiederkam und ihn vor Layla stellte. "Danke." flüsterte diese und drückte ein paar Münzen in die faltrige Hand der alten Frau. Ingrid lächelte sie mitleidig an, "Kein Problem." Dann wusste niemand so richtig was er sagen sollte bis ich die ungeklärte Stille nicht mehr aushielt. "Ingrid?" fragte ich, "Letzte Nacht habe ich den roten Mond gesehen, ist es wahr?" Es schoß einfach aus mir herraus und ich merkte wie Layla neben mir zusammenzuckte...sie hatte es doch gesehen. Ingrid atmete tief ein und versuchte sich zu sammeln. "Du bist nicht die erste die danach gefragt hat. Aber es ist wichtig das du -und die anderen- wissen das es echt war." sagte sie.
Früher hatte Ingrid ständig von der "Legende" gesprochen, sie hatte gesagt das es bald wieder passieren würde, aber niemand hatte ihr geglaubt. Die Erwachsenen hatten sie für verrückt gehalten und den Kindern diente es als Gruselgeschichte.
"Also ist es wahr?" fragte Layla nun. "Ja, und es ist nicht aufzuhalten." meinte Ingrid und betrachtete den kleinen Beutel in Laylas Hand. "Erzähl es nochmal." sagte ich und merkte das meine Stimme leicht zitterte, "Alles, bitte." Ingrid nickte, stützte sich an der Theke ab und begann zu erzählen:
Vor ungefähr 80 Jahren lebten hier große Familien, Loména war eine Stadt mit einem mächtigen Herzog. Die meisten Bewohner verdienten sich ihr Geld durch Fischerei oder betrieben Viehzucht, nicht anders als heute. Als der rote Mond das erste Mal aufging wachten sie alle auf, sahen ihn, doch niemand nahm es ernst, außer der Pfarrer -ein unbeliebter Mann- der versuchte das Volk davon zu überzeugen das Gott Teufel auf die Erde geschickt hatte. Zwei Tage später war die erste Haustür mit Blut beschmiert. Die Teufel hatten zugeschlagen. Ein junges Mädchen war das Opfer gewesen, sie war kaum älter als 15. Der Herzog zog seine Räte zusammen und sie unterhielten sich darüber ob der alte "Kirchenmann" doch die Wahrheit gesagt hatte. Nachdem in der nächsten und übernächsten Nacht immerwieder Morde stattfanden wurde das Volk ängstlich, sie fragten nichtmehr den Herzog sondern den Pfarrer was nun zu tun sei. Er sagte, dass die Teufel mitten unter uns lebten und daher mussten Hinrichtungen stattfinden, jeder sollte am nächsten Tag eine Wahl abgeben wer einer der Teufel sein könnte. Zuerst waren alle verunsichert doch dann fanden sich die Bürger einen Tag später auf dem Marktplatz ein und gaben ihre Wahl ab. Es war ein junger Mann der am meisten Stimmen bekam, er wurde sofort vom Henker hingerichtet. Als er jedoch tot am Pfahl hing veränderte sich seine menschliche Leiche in die eines toten Wolfes.
Sie hatten den ersten Teufel geschnappt.
Das Volk wählte jeden Tag weiter, während die Werwölfe nachts die töteten, bei denen sie Angst hatten, dass sie zuviel wussten. Außer den Werwölfen gab es noch unzählige andere Kreaturen, gutartige und bösartige, die sich nachts verwandelten und Kräfte bekammen. Man lebte in Angst und Trauer. Familien wurden auseinander gerissen und oftmals wurden Unschuldige erhängt, die erst als sie starben ihr "wahres Ich" zeigten. Die Zahl der Dorfbewohner sank von über 500 auf 20. Als der Herzog starb und niemand mehr die Kontrolle über die Stadt hatte kam es zu Aufständen. Häuser wurden niedergefackelt. Alle wollten sich gegeneinander nur noch umbringen. Nach fast einem Jahr stand eine Geisterstadt dort, wo früher nur Lachen und Lebensfreude gewesen war.
Der letzte Werwolf starb an einem kalten Dezembertag. Übrig blieben ein kleines Mädchen, ein Junge und der alter Pfarrer, der sich zwei Tage später selbst an einer knorrigen Eiche erhing. Umgeben von Leichen und Leere, rannten die beiden Kinder weg. Die beiden heirateten und wurden älter, doch es zog sie wieder in ihre Heimatstadt die sie mit Hilfe von Freunden wieder aufbauten und bewohnten.
Josev und ich wussten das die Gefahr bestand, das es wieder geschehen könnte. Der alte Pfarrer hatte uns davor gewarnt.
Mit einem verlorenen Blick starrte Ingrid in die Ferne als sie ihre Erzählung beendet hatte. "Br..brachten sich mehrere Menschen selbst um?" fragte Layla zitternd. Was war nur los mit ihr? Ingrid sah direkt in das Gesicht meiner Freundin und beantwortete ihre Frage mit einem "Ja.". Daraufhin drehte sich Layla um und rannte aus der Apotheke. Ich wollte ihr nachlaufen doch Ingrid hielt meine Hand fest. "Pass auf sie auf Esmee. Pass auf dieses Dorf auf." sagte sie in so einer traurigen Tonlage das ich es mit der Angst zu tun bekam und mich losriss. Ich rannte aus dem Haus zu dem Mädchen was einsam auf dem Platz stand, den Kopf in dem Nacken und die Augen geschloßen. "Layla!" rief ich und lief auf sie zu.
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The wolf game
FantasyVier Werwölfe. Ein Mädchen. Ein Verfluchter. Eine Legende, die ein fuchtbares Schicksal mit sich bringt. 16. Jahrhundert: Plötzlich ist es vorbei mit dem ruhigen und friedlichen Landleben für die Bewohner Loménas. Der rote Mond schenkt jedem Bewohne...