Was zum Teufel ist los

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Am nächsten Tag fehlt sie. Ich suche den ganzen Schulhof ab, wobei mein langer Hals sicherlich eine Hilfe ist.

Doch sie ist nicht da. Mops wirft heimlich einen Brief in Daisys Schließfach. Sie wird ihn hassen.

Es ist Freitag, was heißt, dass ich bis 5 Uhr bei der Theater-AG bin. Nicht freiwillig versteht sich. Mops wollte unbedingt der Prinz sein. Wenigstens muss ich nicht auf die Bühne, ich bin für den Hintergrund und bei der Aufführung für die Technik zuständig. Während ich einen Baum anmale beobachte ich Mops und Anna auf der Bühne. Wir spielen Cinderella, weil unsere Lehrerin das Märchen so sehr liebt.

Anna sieht nicht aus wie Cinderella. Sie ist kleiner als Mops, hat kurze dunkelblonde Haare und grüne strahlende Augen. Sie ist eine tolle Schauspielerin und gibt Mops immer wieder Tipps, ohne dabei arrogant rüberzukommen. Ich habe beschlossen sie zu mögen.

"Wer bist du?", ruft Anna und weicht zurück.
"Keine Sorge ich werde dir nichts tun.", versucht Mops sie zu beschwichtigen.
"Woher soll ich das wissen? Du könntest ein Vergewaltiger sein!"

Wir haben das Stück umgeschrieben, als Kompromiss, dass überhaupt Cinderella gespielt wird.

"Ich schwöre bei meinen heißgeliebten Haaren.", Mops fährt sich durch seine schwarzen Löckchen.

Kurz bevor die Probe zu Ende geht, öffnet sich die Tür zur Aula und ein kleiner Wirbelwind kommt herein. Heute trägt sie eine abgenutzte Latzhose und in ihren Haaren ist ein grünes Band eingeflochten. Sie redet kurz mit Frau Zinn. Keiner außer mir scheint sie zu bemerken. Dann klatscht unsere Lehrerin in die Hände, was das Signal dazu ist, uns um sie zu sammeln.

"Das ist Hedwig Falk, sie ist erst in den Ferien angekommen und wird eine der Schwestern spielen."

Hedwig.

Ich sehe sie an und sie strahlt offen in die Runde.
Einige murmeln ein leises 'Hallo'.
Jetzt weiß ich wenigstens schonmal, wie sie heißt. Das ist ein großer Schritt, denke ich. Und dass sie in der Theater-AG ist, macht es mir eigentlich umso leichter sie mal anzusprechen.

Während wir weiterarbeiten beobachte ich sie. Sie redet aufgeregt mit einigen Mädchen, lässt sich erklären was sie zu tun hat. Ich vermale mich mehrmals, weil ich nicht aufpasse.

Natürlich traue ich mich nicht, sie anzusprechen. Was habe ich denn gedacht? Das ich mutig bin? Das ich es schaffen könnte? Ich kenne mich doch.

Mops und ich sitzen in einem Cafe nicht unweit der Schule. Nur wenige Sitznischen weiter sitzt Daisy mit zwei Freundinnen. Sie ist sehr hübsch, blond mit großen blauen Augen. Sie ist die Königin der Schule, jedenfalls wird so immer über sie geredet. Man kann Daisy nicht nicht mögen, sie ist wundervoll.

"Was hast jetzt du vor?", frage ich Mops, worauf dieser mich mit großen Augen ansieht.

"Weiß nicht, schätze ich beobachte sie einfach nur."

"Dass ist nicht dein Ernst."

Die Augen verdrehend schlürfe ich an meiner Limonade. Mops ist eigenartig, wenn es um Daisy geht. Seit dem Kindergarten schwärmt er nur von Daisy. Daisy hier, Daisy da. Es gab nie ein anderes Mädchen für ihn. Mann könnte meinen, es wäre süß, doch ich kenne die Wahrheit dahinter. Er ist besessen. Diese Hexe hatte ihm irgendwann etwas in sein Trinken gemischt und er kann gar nicht anders, als sie zu vergöttern. Jedenfalls ist das meine Sicht auf diese ganze Geschichte zwischen den beiden. Es ist nämlich alles andere als dass sie ihn nicht bemerkt. Sie spielt nur mit ihm und das hasse ich an ihr.

"Doch."

Er ist noch naiver als ich es bin.

Daisy und ihre Freundinnen stehen auf, sie dreht sich, sodass ihre Haare fliegen und dann zwinkert sie ihm zu. Ich kann förmlich beobachten, wie Mops dahinschmilzt. Wut kocht in mir hoch. Ich hasse sie. Und ich hasse es, dass ich Mops nicht davon überzeugen kann, wie schlimm sie eigentlich ist.

Lis ist zuhause. Sie sitzt auf dem Sofa, spielt an ihren Haaren herum, während sie ein Buch ließt. Sie begrüßt mich und ich setze mich zu ihr.

"Was ließt du?"

"Interessiert dich doch eh nicht.", lächelnd legt sie das Buch zur Seite. "Also, was ist los?"

Sie kennt mich zu gut. Ich seufze, lehne mich nach hinten und strecke die langen Beine unter den Wohnzimmertisch.

"Ich weiß nicht."

"Du weißt es ganz genau. Seit wann lügen wir uns an?", sie stupst mich in die Seite, dann legt sie einen Arm um mich und streichelt mein Haar. Ich liebe dieses Gefühl von Geborgenheit. Ich brauche es, denn ohne habe ich Angst.

"Tut mir leid. Es geht um... die Neue.", grummele ich.

Jetzt ist ihr Interesse geweckt. Auch wenn Eli und nicht sie meine leibliche Mutter ist, ist sie doch ein Elternteil für mich. Ich wüsste nicht was ich tun sollte, könnte ich nicht mit ihr reden.

"So so, die Neue?"

"Ja."

"Und was hat sie gemacht?"

"Gar nichts."

Es war eine sehr schlechte Idee damit zu ihr zu kommen. Doch ich habe es zu spät realisiert. Lis wird mich für den Rest meines Lebens mit dieser Geschichte aufziehen, sollte ich es hier nicht beenden.

"Weißt du was? Ich muss noch ganz dringend Hausaufgaben machen." Schnell bin ich wieder auf den Beinen, auch wenn mir jetzt ein wenig kälter ist, dann verschwinde ich in meinem Zimmer.

Doch anstatt Hausaufgaben zu machen schmeiße ich mich auf mein Bett und frage mich, was zum Teufel mit mir los ist.

Tjorgen.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt