Mandy P.O.V
Ein lautes Krachen; daraufhin ein Fluchen, ertönte, als ich einige Stunden später vor Maries Haus stand und klingelte. Die Tür wurde weit aufgerissen und eine pitschnasse Marie stand vor mir. »Was ist denn mit dir passiert?« Lachend trat ich in Maries Flur. »Das Klingeln hat mich erschreckt. Ich habe Wasser über mich gekippt.« Schulterzuckend schloss sie die Tür hinter sich. »Wie trinkst du denn Wasser?« Meine Schuhe landeten auf der Kommode, während Marie in der Küche verschwand. »Du glaubst nicht wie laut und schrill das Klingeln ist. Selbst wenn ich jemanden erwarte erschrecke ich mich jedes Mal. Wein oder doch lieber einen Cocktail?«, fragte sie mich ihr nasses T-shirt ignorierend. Nachdem Marie sich von mir zu Hause verabschiedet hatte, lag ich noch eine Weile in meinem Bett, bevor ich den Entschluss fasste alles vergessen zu wollen. »Ich glaube, heute mal lieber einen Cocktail. Ich brauche das harte Zeug.« Maries Grinsen wurde breiter. »Heißt das, du trinkst Shots mit?« Ich verzog mein Gesicht, bei dem Gedanken an die ekligen Alkoholischen Getränke die pur meine Kehle runterflossen. Ich hasste Shots. Aber es war vermutlich der einfachste Weg um betrunken zu werden. Da dies heute mein Ziel war, würde ich da wohl durchmüssen. »Ja, von mir aus. Heute ist ein Tag an dem ich es nötig habe.« »Yeay«, freute sich Marie. Manchmal machte ich mir Sorgen, dass sie zur Alkoholikerin wurde. Wenn es irgendwo was zu trinken gab, dann bei Marie. Sie besaß jede Art von Alkohol und ich hatte nie das Gefühl, dass es weniger wurde. Ganz im Gegenteil. Jedes Mal hatte sie eine neue Variation da, die ich unbedingt probieren musste. Wie auch jetzt, als sie mir eine Flasche unter die Nase hielt. »Riech mal. Das ist Kiwi Likör. Schmeckt total super. Habe ich letztens entdeckt« Lachend schüttelte ich meinen Kopf und roch an der offenen Flasche, woraufhin ich Überrascht eine Augenbraue in die Höhe zog. »Das riecht ja gar nicht nach Alkohol.« »Ich weiß, schmeckt auch kaum danach. Brennt nur ein bisschen.« Sie füllte zwei Shotgläser randvoll und reichte mir eins. Ich nahm es in die Hand und sah einer zufriedenen Marie ins Gesicht. Noch nie war mir ein Mensch begegnet, der so einfach glücklich zu stellen war. Marie war ein total einfacher Mensch. Immer zufrieden, super freundlich und so gut wie nie schlecht gelaunt. Vermutlich war der anhaltende Pegel ihres Alkoholkonsums dafür verantwortlich. »Darauf, dass Brandon, der Arsch, verdient was er bekommt und Kim ihr Happy End bekommt.« Wie ich diesen Namen, Kimberley Wilson, hasste. Ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen. Jedes Mal, wenn mich jemand Kim nannte, wollte ich schreien: Das ist nicht mein Name. Hört auf mich so zu nennen. Aber das war nun mal ich. Meine neue Identität. Kimberley Wilson. Aber besser als manch andere Namen die ich bereits besaß. In Seattle kannte man mich unter Celeste Baker. In einer Kleinstadt in Arkansas wurde mir der Name Karen Park gegeben und in Denver war ich bekannt unter Chandelier White. Wer immer mir diesen Namen gegeben hatte, hatte vorher eindeutig etwas geraucht. Chandelier White. War ja nicht so, als wäre es mein Ziel nicht aufzufallen. Der Name war in dieser Hinsicht absolut keine Hilfe. Jeder zweite dort wäre in der Lage gewesen, einen Hinweis auf meinen Aufenthaltsort zu geben. Kimberley Wilson war dagegen noch schwer in Ordnung. Aber es war einfach nicht mein Name. Ich konnte mich damit nicht identifizieren. Jedes Mal dauerte es eine Weile bis ich auf die neuen Namen reagierte. Und wenn ich mich gerade daran gewöhnt hatte hieß es, dass wir wegziehen mussten und ich eine neue Identität bekam. Kimberley war ich mittlerweile seit vier Jahren und ich hoffte inständig, dass ich nun einfach Kimberley bleiben konnte. Auch wenn ich es nicht leiden konnte nicht ich selbst zu sein. Aber ich hatte einfach keine Kraft mehr alles erneut zu verändern. Alles hinter mir zu lassen.
»Auf ein Happy End«, sagte ich und kippte mir den Shot die Kehle hinunter, welcher erstaunlich gut schmeckte. »Bist du sicher, dass dort Alkohol drin ist?«, fragte ich verwirrt. »Wann würde ich denn bitte einen Shot ohne Alkohol trinken? So gut solltest du mich mittlerweile doch schon kennen«, sagte sie lachend. Mein Glas auf die Theke abstellend, begann Marie bereits damit mir einen Cocktail zu mixen. Man wusste nie genau was für Zutaten ihre Cocktails enthielten. Wenn man sie fragte was genau drin war, hatte sie keine Ahnung und nur sehr selten war sie in der Lage denselben Cocktail noch einmal zu mixen. Mehrere Male hatte ich ihr den Rat gegeben, sich die Zutaten aufschreiben, jedoch bezweifelte ich, dass sie sich meinen Vorschlag zu Herzen genommen hatte. »Brandon und Lara also?«, fing Marie das Gespräch an und versuchte auf das Gespräch bei mir zu Hause zurück zu kommen. Seltsamerweise hatten wir dort nur über Brandon geredet und nicht über Lara. Stöhnend legte ich meinen Kopf in den Nacken, konnte jedoch ein leichtes Lächeln nicht verhindern. Trash talk über Lara war genau das, was ich jetzt brauchte. »Ja, kannst du das glauben? Lara?« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich konnte Lara nie leiden.« Verwirrt sah ich sie an. »Du? Ich dachte du kannst jeden Menschen leiden. Du bist immer so nett und kommst mit jedem klar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemanden nicht magst.« Dankend nahm ich den Cocktail an, den sie mir reichte, und nahm einen Schluck. »Wow, der schmeckt super. Was ist drin?« »Ehm, ich glaube Baccadi Razz, Pink Gin, Kiwi Likör, Dos Mas, Wild Berry Tonic, Orangensaft und Kokossirup. Denke ich. Kann sein, dass ich was vergessen habe«, lachte sie. »Also so gut wie nur Alkohol?« »Du wolltest was Starkes. Aber schmeckt man doch kaum oder?« Erneut setzte ich das Glas an meine Lippen und war mal wieder überrascht über ihre Kunst Alkohol nicht nach Alkohol schmecken zu lassen. »Du konntest Lara nie leiden?«, fragte ich sie, um auf unser vorheriges Gesprächsthema zurück zu kommen. Erneut zuckte sie mit den Schultern. »Ich komme mit ihr klar, wenn es sein muss. Aber so richtig gemocht, habe ich sie nie wirklich. Sie strahlt so eine negative und leicht nervige Aura aus. Echt keine Ahnung was Brandon an ihr findet.« Ihr Mitleidiger Blick legte sich auf mich. »Wir können sehr gerne in den Wald gehen. Zum schreien. Tut super gut. Oder irgendwas kaputtschlagen gehen. Es gibt in LA einen Rage Room. Einen Raum extra um Sachen zu zertrümmern. Wir könnten einen Girls Trip machen. Vielleicht will noch jemand mit.« Lächelnd fand das Glas erneut meine Lippen. Marie hatte aus irgendeinem Grund die Gabe, meine Probleme kleiner erscheinen zu lassen. »Ein Girls Trip klingt gar nicht mal schlecht. Vielleicht möchte Naomi auch mit.« Seufzend wurde mir meine Lage wieder bewusst. Stupid Brandon. »Ich bin einfach nicht für die Liebe geschaffen. Das Universum ist gegen mich. Keine Ahnung was ich getan habe, aber anscheinend habe ich kein Happy End verdient. Ich habe einfach kein Glück in der Liebe«, seufzte ich und nahm einen erneuten Schluck von meinem Cocktail. Brandon war auf irgendeine Art und Weise ein Teil von mir gewesen und ich hatte ihn geliebt. Auch wenn er Jason nicht ersetzten konnte, so hatte ich dennoch nach all dieser Zeit Gefühle für ihn entwickelt, auf welchen herumgetrampelt hatte als wären sie nichts wert. Und meine erste große Liebe, an welcher ich immer noch leicht hing, war der Annahme, dass ich ihn einfach ohne Grund verlassen hatte. Bis heute schmerzte der Gedanke ihn gehen gelassen zu haben, unwissend über seine wunderbare Tochter. Von der er vermutlich niemals erfahren würde. Was würde ich dafür geben, um ihm sagen zu dürfen, wie toll unsere gemeinsame Tochter war. Dass sie seine strahlend blauen Augen und sein verschmitztes Lächeln hatte welches mich tagtäglich an ihn erinnerte. Er würde sie lieben, so wie er mich geliebt hatte. Mehr als nur einmal in den letzten acht Jahren war ich kurz davor ihn anzurufen. Auch wenn ich eine neue Nummer und jeglichen Kontakt zu meinen damaligen Freunden und allen Menschen die ich kannte abgebrochen hatte, so kannte ich seine Nummer auswendig und hatte sie nie aus meinem Kopf bekommen. Doch sobald ich kurz davor stand ihn anzurufen, kamen erneut Bilder von Annie hoch und ich hatte panisch mein Handy weggeworfen. Wie sie regungslos in ihrem Zimmer auf dem Boden lag, während Malcolm weiter im Haus nach mir suchte. Wie ich panisch die Luft anhielt um ja nicht von ihm entdeckt zu werden. Wie ich Annies kalten leblosen Körper vor mir sah als er mich schlussendlich doch gefunden hatte, am Hals packte, um mich ebenfalls zu ermorden. Seine kalten hasserfüllten Augen welche mich durchbohrten. Sein schelmisches Grinsen, als hätte er sein ganzes Leben nur auf diesen Moment gewartet. Ich schüttelte meinen Kopf, um diese Erinnerung nicht weiter auszuspannen. Dies war eine Erfahrung die ich nicht einmal meinem schlimmsten Feind wünschte. Schon gar nicht jemanden, der mir alles bedeutete. Aus diesem Grund durfte ich ihn nicht anrufen. Seitdem wir aus Houghton weggezogen waren, konnte ich wieder normal schlafen ohne panisch im Bett zu liegen und bei jedem Geräusch zusammen zu zucken. Die letzten Tage in Houghton waren von Panikattacken durchzogen gewesen in denen ich bei Connor im Bett geschlafen hatte. Wenn ich es denn schaffte einzuschlafen ohne die ganze Nacht an Jason zu denken. Dabei war es, während ich am Weinen war, nicht gerade hilfreich, dass ich mir zum Schlafen öfters mal ein T-Shirt von ihm anzog, welches ich ihm damals geklaut hatte. Eher gesagt, er hatte es mir gegeben und es bis heute auch nicht zurückverlangt. Was er auch nicht mehr konnte. Schnell verdrängte ich ebenfalls die Gedanken an Jason. Allein nur daran zu denken brachte Tränen in mir hervor, welche ich gerade nicht gebrauchen konnte. Brandon hatte mir damals geholfen über ihn hinweg zu kommen. Mehr oder weniger. Er hatte alles getan um mich abzulenken. Erinnerungen an die schönen Momente mit Brandon machten sich in meinen Gedanken breit. Wie wir zusammen gekocht und gelacht hatten. Gemeinsam wandern waren, um uns den Sonnenuntergang anzusehen und vieles mehr. Es herrschte totales Chaos in meinem Kopf. Es war als wollten sowohl Jason als auch Brandon sich darin einnisten und mich um den Verstand bringen. Marie, die gerade dabei war den ganzen Mädels Trip zu planen, riss mich aus den Gedanken. »Übrigens kommen gleich noch Jannik, Matty und ein paar andere vorbei. Hoffe das ist in Ordnung?« Nickend bestätigte ich, dass ich kein Problem damit hatte. Je mehr Menschen umso besser. Ich brauchte irgendwas um Ruhe in meine Gedanken zu bringen. Momentan war einfach viel zu viel los in meinem Kopf, was dort überhaupt nicht hingehörte. »Gut, dass ich genug Alkohol habe. Ich hoffe, du hast vor, noch einiges mitzutrinken?«, lächelte Marie schelmisch und legte fragend ihren Kopf schief. Seitdem ich im Zeugenschutzprogram war, betrank ich mich eher weniger. Ab und zu trank ich etwas Alkohol, wie ein Glas Wein, aber nie wirklich viel. Zu groß war die Angst etwas Dummes anzustellen. Doch in dem Augenblick war mir das egal. Im Moment wollte ich alles vergessen. Jason, Brandon. Einfach alles. Ich wollte einfach nichts mehr fühlen. Also nickte ich. Heute würde ich mich nicht mit dem Alkohol zurückhalten.
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Don't break me again
RomanceStille. Dann ein panischer Schrei. Es war nur ein Tag. Ein Moment, der Mandy Stewards leben komplett veränderte. Acht Jahre war dieser Tag jetzt her und dennoch verfolgte sie dieser Tag bis in die Gegenwart und schien sie nicht loszulassen. Trotz...