IV. Paradoxon

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Vielleicht kann man es nicht wirklich als Paradoxon bezeichnen, doch es gehört zweifellos zu den unlogischen Dingen des menschlichen Charakters.

Einsamkeit

Wer einsam ist spürt dieses Ziehen, diese abschnürende Wucht an der Kehle.
Wer einsam ist versinkt immer tiefer in seinem Leid, weil niemand da ist, um den Schmerz zu lindern. Denn genau daraus entsteht er erst.
Wer einsam ist versteckt sich immer mehr, baut eine immer größere Mauer, webt sich eine immer dichtere  Fassade. Treibt die Maskerade immer weiter.
Wer einsam ist, zergeht am eigenen Leid.
Wer einsam ist, wird auf eine gewisse Art und Weise egoistisch,
weil er nicht egoistisch sein will, niemandem sein Leid erzählen will, niemanden belasten.
Er hält sich für zu unwichtig und zu wichtig zugleich.

Wer einsam ist sieht sich niemals um, denn wessen Leid kann er noch aufnehmen, wo seines ihn schon ausfüllt? Wessen Schmerz nicht nur mit einem mitleidigen Lächeln streifen, wo er selber schon zerfressen ist?

Dabei wäre der einfachste Weg aus der Einsamkeit, einem Einsamen zu helfen.
Doch der Mensch kann nicht anders.

Er verletzt sich, um sich nicht zu verletzen.

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