Kuss für einen Totgeglaubten (Anderlock)

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Er hockte auf seinem Sofa vor den roten Vorhängen und sah mit offenen Mund den Mann an, der auf einem Stuhl vor ihm saß. Ungläubig musterte er sein Gegenüber genau. Die weichen schwarzen Locken, die Augen, deren Farbe man nicht genau beschreiben konnte, die wunderschönen Lippen, die hohen Wangenknochen, der blaue Schal und der unverkennbare Mantel. Dieser Mann vor ihm, war tatsächlich Sherlock Holmes. Der tot geglaubte Sherlock Holmes.

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er hatte tatsächlich recht gehabt. Vielleicht nicht mit seinen Theorien aber damit, dass Sherlock noch lebte. Er wusste genau, dass auch Sherlock ihn musterte und er wusste genau was der Detektiv sah. Seit dem angeblichen Selbstmord, hatte er sich ziemlich verändert und das nicht zum Guten. Er hatte sich nicht mehr rasiert, seine Haare hingen ihm fettig und strähnig ins Gesicht und er hatte abgenommen. Alles in allem sah er aus als wäre er psychisch labil und er musste zugeben, dass er sich manchmal auch so benahm. Er wusste es selbst und er verachtete sich dafür. Aber nachdem er von Sherlock's "Selbstmord" erfahren hatte, war es als wäre er in ein dunkles Loch gestürzt, aus dem er einfach nicht mehr heraus gekommen war. Er hatte einfach nicht die Kraft gehabt. Die Schuldgefühle hatten ihn fast erdrückt, doch nun saß er tatsächlich hier und er lebte. Sherlock Holmes lebte tatsächlich.

"Sie sehen schrecklich aus Anderson." Sherlock musterte ihn mit leicht gerümpft Nase ein weiteres Mal von oben bis unten. Anderson ignorierte seine Worte und die Verachtung die darin mit schwang. Er konnte es einfach nicht glauben. "Ich wusste dass Sie leben" flüsterte er. Kurze Zeit nach der Nachricht von seinem Tod, hatte er angefangen nach Zeichen zu suchen. Er hatte einfach nicht glauben können dass Sherlock tatsächlich tot war. Schluss endlich fand er, seiner Meinung nach plausible Beweise für Sherlocks Überleben und hatte sich mit Leuten ausgetauscht, die genauso dachten wie er. Und sie hatten tatsächlich recht gehabt. "Nun Anderson. Ich habe von Lestrade gehört, dass mein, nun ja falscher Selbstmord Sie ziemlich mitgenommen haben soll. Warum auch immer. Also sollte, ich meinte wollte ich nur sagen, dass Sie, da ich doch noch am Leben bin, sich nicht länger schuldig fühlen müssen." Sherlocks Stimme klang kalt als hätte er das eben Gesagte einstudiert. In Anderson stieg Wut auf. War das sein Ernst?! Er tauchte hier tatsächlich, mit einer von Lestrade oder John vorgefertigten Rede auf. Er konnte es nicht glauben. Dieses arrogante Arschloch. Schoss es ihm durch den Kopf. "Kapieren Sie es denn nicht." schrie er zornig und sprang auf. "Sie haben doch keine verdammte Ahnung wie schuldig ich mich gefühlt hab." Er kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen.Verdammt was war den nur los mit ihm. Das letzte was er eigentlich wollte, war nun vor Sherlock zu weinen. "Scheiße, ich dachte Sie wären tot und jetzt kommen Sie mit irgendeiner blöden einstudierten Entschuldigung. Ich dachte ich wäre schuld. Wie ich mit Ihnen geredet und mich Ihnen gegenüber Verhalten habe. Ich und meine beschissenen Kommentare und Beleidigungen. Dabei hab ich es nie so gemeint. Verdammt ich habe doch bloß versucht, meine Gefühle für Sie zu überspielen" Noch bevor er die Worte zu ende gesprochen hatte, wurde er sich bewusst was er gerade laut gesagt hatte. Aber eigentlich war es der perfekte Moment es ihm zu sagen. Noch weniger konnte Sherlock wohl nicht mehr von ihm halten. Also wieso nicht? Sherlock sah ihn verwirrt an. Er hatte doch tatsächlich die Bedeutung der Worte nicht verstanden. Doch für Anderson gab es nun kein zurück mehr. "Als ich hörte was... was passiert war. Ich konnte es nicht glauben, ich wollte es nicht glauben." Er sank wieder zurück auf das Sofa und vergrub das Gesicht in den Händen, um seine Tränen zu verstecken. "Ich hab es nie vor jemanden zugeben wollen, aber ich habe Sie immer bewundert." Seine Stimme war kaum mehr als ein flüstern und trotzdem kam es ihm vor, als würde er jedes einzelne Wort schreien. "Der große unglaublich schlaue Sherlock Holmes!" Er lachte bitter auf und sah Sherlock an. Der versuchte seine Überforderung und sein Unbehagen die er in dieser Situation empfand zu verstecken.

"Zuerst hab ich Sie gehasst, weil ich neidisch auf Sie war. Dann hab ich Sie gehasst, weil Sie so ein verdammter Besserwisser sind, Sie haben es ja jeden förmlich unter die Nase gerieben, dass Sie schlauer sind als wir gewöhnlichen Leute. Schlauer als alle anderen. Aber am meisten hasste ich Sie schon immer dafür, dass Sie diese widersprüchlichen Gefühle in mir auslösen. Gefühle, die ich anfangs nie verstanden habe." Endlich sprach er das Alles aus. Seit Jahren wollte er es Sherlock sagen und endlich konnte er es. Er hatte sich wieder erhoben und stand nun vor dem noch immer verständnislos dreinblickenden Sherlock, der aber gleichermaßen aufgestanden war. "Ich, ich verstehe nicht..." Anderson legte ihm seine Hände sanft auf den Schulter. "Ich wusste es!" Er lächelte ihn schief an. "Wissen Sie Sherlock, ich habe an Sie geglaubt!" Auf einmal sah er Erkennen in Sherlock's Augen. Er hatte es tatsächlich verstanden. Der große, schlaue Sherlock Holmes hatte so lange gebraucht um es zu verstehen, aber nun hatte es auch bei ihm Klick gemacht. "Die anderen hatten Sie schon aufgegeben, aber ich nicht!" Anderson's Herz schlug so laut, dass er sich sicher war, dass Sherlock es hörte. Er sammelte all seinen Mut für das was nun folgte. "Sherlock. Ich konnte Sie nicht aufgeben weil ..." er atmete tief ein. Endlich würde er es sagen. "Ich konnte Sie nicht aufgeben, weil ich Sie liebe!" Sherlock öffnete seinen Mund, doch bevor er etwas sagen konnte, drückte Anderson vorsichtig seine Lippen auf die des Detektivs.

Er hatte erwartet das Sherlock ihn wegschubsen, ihn verächtlich anschauen und gehen würde. Aber Sherlock tat nichts dergleichen. Er stand einfach da und hatte seine Augen vor erstaunen weit aufgerissen. Nach einer kurzen Weile, die ihm aber wie eine halbe Ewigkeit vorkam, löste sich Anderson von Sherlock und schaute ihn abwartend an. War er zu weit gegangen? Warum sagte Sherlock nichts? Wieso verflucht nochmal hatte er das gerade überhaupt getan? Er biss sich auf die Lippe und wartete auf eine Reaktion. Aber es kam nichts. Sie standen einfach nur beide da und rührten sich nicht. Irgendwann hielt Anderson das Schweigen nicht mehr aus. „Sherlock, es tut mir leid. Ich weiß nicht was in mich gefahren ist." beschämt sah er zu Boden. „Das hätte ich nicht tun sollen." Er drehte sich um und ballte die Hände zu Fäusten. Er hätte sich selbst ohrfeigen können. Wieso hatte er ihm das alles gesagt. Er war ein Idiot. Genau so wie es Sherlock immer gesagt hatte. „Schon okay." Andersons Kopf schnellte nach oben. Hatte er gerade richtig gehört? „Ich denke Sie sind gerade einfach ein wenig ... überemotional!" Sherlock versuchte seine Stimme gleichgültig klingen zu lassen, doch Anderson bemerkte das leichte Zittern."Eine schönen Tag noch." und mit diesen Worten verließ Sherlock Holmes mit eiligen Schritten die Wohnung und ließ einen verwirrten Anderson zurück.

Er hatte Sherlock Holmes geküsst. Schoss es ihm immer wieder durch den Kopf und auf seine Gesicht breitete sich langsam ein breites Lächeln aus, während er mit seinem Fingern seine Lippen berührte. Er hatte tatsächlich Sherlock Holmes geküsst.

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Sherlock  ShipsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt