Freak (Sally/Sherlock)

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„Sally, das hätte Ihnen doch klar sein müssen." Mit diesen Worten im Ohr stürmte Donovan aus dem Zimmer und ließ den schwarzhaarigen Mann stehen. Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein. Sie fühlte sich so bloß gestellt. Was hatte sie sich nur gedacht. Er und sie, es war einfach unmöglich gewesen. Sally verließ die kleine Wohnung und hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Zitternd blieb sie stehen und lehnte sich im Treppenhaus an die Wand.

„...und deswegen kann nur er der Mörder sein. Offensichtlicher ging es wohl kaum." In der Stimme des Detektivs lag ein spöttischer Unterton. Während Lestrade ihn mit offenen Mund anstarrte, strich er mit einem erhabenen Gesichtsausdruck über den Ärmel seines Mantels und zupfte einen kleinen Fussel von dem dunklen Stoff. Sally stand da und sah Sherlock Holmes mit großen Augen an. „Das war ..." Sie fand kein Wort dafür. Er war einfach ein Genie. Sie kannte niemand der so Intelligent und gut in seiner Arbeit war wie dieser Mann. Neben ihm sahen alle auf dem Revier wie Vollidioten aus. Einige von ihnen waren es sicher auch, doch selbst Gregory Lestrade wirkte neben ihn wie ein dümmliches Kind. Und dafür wurde er von dem Rest ihrer Kollegen gehasst. Den Sherlock Holmes war kein Mensch, der seine Erfolge und seine Intelligenz mit Bescheidenheit abtat. Viel lieber posaunte er es laut hinaus und zeigte nur allzu gern anderen Leuten ihre eigene Unfähigkeit auf. Aber Sally nervte das nicht, im Gegenteil, warum sollte man sein Können und seine Genialität unter Bescheidenheit und netten Worten verstecken. „Ihr Leute vom Scotland Yard." Sherlock schüttelte den Kopf und stellt den Kragen seines Mantels auf. „Ein Wunder, dass ihr überhaupt einen Fall ohne mich lösen könnt." Damit drehte er sich um und verließ den Raum mit großen Schritten.

Sally drehte sich hastig zu Lestrade und entschuldigte sich, ehe sie Sherlock mit schnellen Schritten nach ging. „Sherlock, warten Sie." Der Detektiv blieb stehen und wartete bis sie neben ihm stand. „Was brauchen Sie Sally?" Sie lächelte. Noch immer war es ungewohnt für sie, dass er sie bei ihrem Vornamen nannte. „Ich habe mich gefragt, ob Sie mich vielleicht wieder zum Mittagessen begleiten. Ich würde gern noch einmal hören, woran Sie den echten Täter erkannt haben." Seit etwa zwei Monaten bat sie ihn ab und an mit ihr Essen zu gehen. Eigentlich jedes Mal nachdem er einen Täter geschnappt hatte, den das war der beste Vorwand und wahrscheinlich auch der Einzige, der ihn dazu bewegte mitzukommen. Und tatsächlich Sherlock nickte knapp und die beiden gingen stumm nebeneinander her zu dem kleinen Cafe, wie sie es jedes Mal taten. Während Sally an einem kleinen Stück Gebäck knabberte und Sherlock ihr noch einmal erklärte, welche Zeichen ihn zu seiner Deduktion geführt hatten, musterte sie ihn. Sherlock war nicht nur überaus klug, sondern er sah auch sehr gut aus. Die schwarzen Locken, die markanten Wangenknochen, die Lippen mit der ungewöhnlichen Form und diese wunderschönen Augen. Er war wirklich ansehnlich. Doch von all diesen Dingen mochte sie seinen Lippen am meisten. Schon oft hatte sie darüber nachgedacht wie es wohl wäre, Sherlock Holmes zu küssen und jedes Mal wenn sie es sich vorstellte, spürte sie dieses aufgeregte kribbelnde Gefühl in ihren Bauch. Du benimmst dich wie ein kleines Mädchen, schalte sie sich in Gedanken selbst. Aber sie konnte nicht anders. Sie wusste nicht genau wie lange sie schon so für ihn fühlte. Zwei vielleicht drei Monate.

„Sally?" Sherlocks Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Er sah sie mit bewegungsloser Miene an. „Ich werde jetzt gehen." „Was?" bestürzt sah sie auf ihre Armbanduhr. Die Zeit war so schnell vergangen. Sie wollte nicht, dass Sherlock schon ging. Während Sherlock aufstand und sich seinen Mantel überstreift überlegte sie fieberhaft, wie sie es schaffen konnte mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Als er sich der Tür zuwandte, erhob sie sich überstürzt „Ich könnte Sie doch noch auf einen Tee begleiten!" Ungewollt war sie etwas lauter geworden und die Leute im Cafe sahen sie an. „Ich meine, nur wenn es Ihnen recht ist." stammelte sie mit hochrotem Kopf, während einige Gäste kicherten. Sherlock zuckte mit den Schultern. „Wenn Sie unbedingt wollen." Überrascht nahm sie ihre Jacke und folgte ihm aus dem Cafe und durch die Straßen von London.

In Sherlocks Wohnung herrschte ein unglaubliches Chaos. Sie selbst war eine recht ordentliche Person und in ihrer Wohnung, lag alles an seinem bestimmten Platz. Aber hier standen zwischen Bücherstapeln und herumfliegenden Blättern Reagenzgläser, Tassen und sogar ein Totenkopf. Sally war ein bisschen verwirrt. Sie hatte Sherlock für einen gut sortierten und reinlichen Menschen gehalten, aber das hier war das genaue Gegenteil. „Die Küche ist da drüben.." Sherlock warf seinen Mantel über einen Stuhl und nickte kurz zu einer Tür neben einem besonders großen Bücherstapel, ehe er sich über einige Blätter beugte. Sally stand für einen kurzen Moment ratlos da, ehe sie erkannte, dass sie sich den Tee selber machen musste. Vorsichtig bahnte sie sich einen Weg durch das Chaos und betrat die Küche. Sherlocks Küche sah, man hätte es nicht für möglich gehalten, noch viel schlimmer aus. Den Esstisch konnte man unter all den Gläsern und Behältern nur erahnen. Die Wand hinter dem Herd war rußgeschwärzt und in einigen Einweggläsern schwammen unkenntliche Sachen, die sie sich nicht näher anschauen wollte. Sie kam sich ein bisschen wie in dem Laboratorium eines verrückten Doktors vor, aber das war tatsächlich nur die Küche von Sherlock Holmes. Nachdem sie argwöhnisch einige Schranktüren geöffnet hatte entdeckte sie schließlich eine Schachtel mit Tee. Sie kochte etwas Wasser auf dem Herd auf, nachdem ist feststellte das der Wasserkocher zum Großteil auseinandergebaut worden war. Vorsichtig goss sie es in zwei Tassen und kehrte zurück zu Sherlock der noch immer in Gedanken versunken über den Blätter stand. Sie stellte seine Tasse Tee auf die einzig freie Stelle auf dem Tisch und setzte sich mit ihrer auf einen Stuhl neben ihn. Eine Weile lang herrschte Stille. Aber das machte ihr nichts aus, sie fand es sogar höchst angenehm. Hauptsache sie war bei ihm. Trotz der Unordnung, war Sally unglaublich froh hier zu sein. Sie hatte eine weiteren Teil von Sherlocks Leben kennenlernen dürfen und die Wohnung war schon ein ziemlich privater Ort, ihrer Meinung nach. Sie fühlte sich fast schon privilegiert, dass Sherlock sie tatsächlich mitgenommen hatte. So gleichgültig wie er immer tat, konnte sie ihm also nicht sein, oder? Könnte es sein, dass er sie genau deswegen mit gelassen hatte, nur um ihr zu zeigen, dass sie ihm wichtig war. Wäre es vielleicht sogar möglich, dass der Detektiv Zuneigung für sie empfand?

Und dann, ohne wirklich zu wissen was sie da tat, erhob sie sich, legte eine Hand auf Sherlocks Schulter und drehte ihn zu sich um. Er sah sie überrascht und ein wenig erschrocken an während Sally sich mit dem Kopf leicht nach vorne beugte um ihn zu küssen. Sie hatte sie Augen geschlossen, in der Erwartung die wunderschönen Lippen von Sherlock auf ihren zu spüren. Erst als er sich aus ihrem Griff losmachte, öffnete sie die Augen. Sherlock stand aufrecht vor ihr und sah sie mit verständnislosen Blick an. „Was sollte das?" Da wurde ihr bewusst, das sie völlig falsch gelegen hatte. Da war keine Zuneigung gewesen. „Ich ..." Sie musste Schlucken, während sich Tränen in ihren Augen sammelten. „Ich dachte Sie ..." Ja, was hatte sie eigentlich gedacht? Das sie, mit Sherlock zusammen seien könnte? "Ich dachte sie und ich ... wir..." „Sie haben doch nicht geglaubt, dass zwischen ihnen und mir mehr wäre. Das ich womöglich Gefühle für sie entwickelte hätte." In seiner Stimme schwang kein abschätziger Unterton oder etwas Ähnliches und dennoch kam sie sich vor, als würde Sherlock sie dafür verachten. „Ich hatte das Gefühl zwischen uns beiden..." sie brach ab, als ihr eine Träne über die Wange rollte. Sie musst hier raus. Sie konnte seinen Gegenwart nicht mehr ertragen. ...

Sherlocks tiefe Stimme riss sie aus ihren Gedanken. „Sally?" Sie wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers die Tränen weg. „Lassen Sie mich in Ruhe." fauchte sie ihn an. Sie wollt ihn nicht sehen und sie wollte auch sein gespieltes Mitleid nicht. Aber der Detektiv verschwand nicht, er sah sie mit unergründlicher Miene an. „Ich wusste nicht, dass Sie so für mich empfinden. Hätte ich es gewusst, hätte ich unseren Kontakt eingeschränkt. Sie sind doch nicht halb so dumm wie die anderen auf dem Revier, Sie müssten doch wissen, das ich keine Person bin die sich für eine Beziehung eignet." Ja, sie war schlau und sie hatte es gewusst und dennoch hatte sie gehofft einen Weg zu finden sein steinernes Herz zu erobern. Wut brannte in ihr auf. „Wenn sie so schlau sind, warum haben Sie es nicht gemerkt. Wieso haben Sie sich weiter von mir anhimmeln lassen. Sie, der all wissende Sherlock Holmes!" Er hatte sie zappeln lassen, wie einen dummen kleinen Fisch. „Hat es Ihnen Spaß gemacht? Fanden Sie es lustig mir zuzusehen, wie ich mich bemüht habe. Geben Sie es zu, Sie haben die Bewunderung genossen." Sherlock sah sie nur stumm an, was Sally noch viel wütender machte. „Sie brauchten jemanden der Sie umschwärmt, der Sie anhimmelt und ich kam genau richtig oder?" Natürlich hatte er es gewusst. Sie war so offensichtlich gewesen. „Sie sind Widerlich. Verdammter Freak." Sie wandte sich von ihm ab und ging hoch erhobenen Hauptes die Treppe hinunter. Sherlock Holmes war für sie Geschichte.


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