Read me

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"Annalena"

...

"Annalena!", weckte mich eine fremde Stimme auf. Ich erkannte die Stimme nicht.

"Er öffnete die Tür und.."

...

"Das Dunkle trat herein."

Was waren das für Stimmen. Sie raunten durch den Raum, wie die krächzenden Stimmen von Furien. Sie durchdrangen meine Ohren und bereiteten mir auf dem ganzen Körper Gänsehaut.

"Annalena.", flüsterte eine der Stimmen wieder meinen Namen.

"Peter?", flüsterte ich ängstlich in die Dunkelheit, welche mich umgab. Doch ich bekam keine Antwort nur ein Grummeln vom Ende des Raumes, welches Definitiv zu ihm gehörte. Ich setzte mich langsam auf und horchte. Hatte ich mir die Stimmen gerade eingebildet?

"Vorsicht hinter der Weide!" rief eine andere Stimme plötzlich hervor und ich zuckte heftig zusammen.

"Flieh, du musst fliehen.", kam es aus einer anderen Ecke von einer tiefen Stimme. Hatte ich einen Alptraum?

"Hüte dich vor dem Schatten!"

Meine Augen suchten den dunklen Raum nach der Quelle dieser Stimmen ab und etwas von mir entfernt, sah ich etwas aufleuchten. Ich nahm all meinen Mut zusammen und rückte an den Rand meines Bettes und streckte meinen Arm entgegen. Desto näher meine Hand dem leuchtenden Etwas kam, desto lauter und nerviger wurden die Stimmen. Doch als meine Hand etwas zu fassen bekam, herrschte Stille in dem Raum. Peter hatte scheinbar von all dem hier nichts mitbekommen.

Ich zog den Gegenstand zu mir und erkannte das Buch wieder, welches mir Peter weggenommen hatte. Es hatte seinen Weg zu mir zurück gefunden.

"Lies mich.", flüsterte eine kleine zierliche Mädchenstimme und ich erzitterte wieder kurz. Das dieses Buch sprechen konnte, war mir neu aber das war irgendwie auch ein Beweis für Felix Theorie mit dem Zauber, der angeblich darauf liegen sollte. Kurzerhand öffnete ich das Buch an der ersten existierenden Seite. Der herausgerissene Teil fehlte noch immer aber die Buchstaben auf dem Papier leuchteten in einem matten Licht, so dass ich es lesen konnte. Unsicher sah ich im Raum umher. Was würde passieren, wenn Peter davon etwas mitbekommen würde.

Das Buch lag wartend auf meinem Schoß, darauf gebrannt mir seine Geheimnisse zu offenbaren, aber konnte ich mir das leisten? Wer weiß was mich darin erwartet, geschweige denn was Peter mit mir macht, wenn er mich hierbei erwischt?

Ich wollte gerade anfangen die ersten Worte zu lesen, als mich eine Stimme aus meiner Faszination riss.

"Annalena?", fragte mich Peter mit rauer Stimme. Scheiße. Er war aufgewacht. Das gibt Ärger.

"J-ja?" fragte ich schluckend. Meine Stimme war nur ein unsicheres Zittern in der Luft.

"Kannst du nicht schlafen?", fragte er. Etwas verwirrte blickte ich in die Dunkelheit...Warte...er konnte das Buch nicht lesen... hieß dass dann vielleicht auch dass er die leuchtenden Buchstaben nicht sehen konnte?

"Ja.", log ich und wartete auf eine Reaktion.

"Alptraum?", fragte er. Seine Stimme schien mir nahe zu sein, aber ich hatte ihn nicht aufstehen hören.

"Nein, ich komm nur irgendwie nicht zur Ruhe.", log ich weiter und hoffte, dass er mir das abkaufte.

"Versuch einfach noch mal einzuschlafen. Die ganze Nacht rumsitzen, macht es nicht besser.", sagte er und ich vernahm ein Gähnen.

"Du hast Recht.", meinte ich und legte mich auf den Rücken, das Buch lag noch immer offen auf meinem Schoß und die Buchstaben leuchteten vor sich hin, wie Glühwürmchen in der Nacht. Nach einiger Zeit, in der ich mir Sicher geworden war, dass Peter wieder schlief, hob ich das Buch an, so dass es senkrecht auf meinem Bauch stand. Ich nahm noch einen tiefen Atemzug ehe ich anfing zu lesen.

Tief im Wald lebte ein dunkles Wesen, dessen Klauen lang und spitz waren. Jeder Ritter der ihm zu nahe kam wurde von genau diesen Klauen zerfetzt, doch der Prinz wollte den Bruder seiner Verlobten rechen und suchte nun im Wald nach genau diesem Ungetüm. Seiner Geliebten hatte er nichts davon erzählt. Er wollte mit dem Schwert des damaligen Ritters zurückkehren, um es seiner Zukünftigen am Tag ihrer Hochzeit zu überreichen. Es war Nacht als er die erste Spur des Wesens fand. Ein großes, nicht zu übersehender Fußabdruck war in der feuchten Erde des Waldes erhalten geblieben. Der junge Prinz kniete sich vor den unmenschlichen Abdruck nieder und sah skeptisch drein. Bei der Größe des Fußes wurde ihm bange. Er konnte sich nun grob vorstellen, vor welchem Wesen diese Dorfbewohner, der nahegelegenen Siedlung erzitterten. Es war kein kleiner Wolfsabdruck, er war riesig und kaum zu übersehen. Er nahm sein Pferd und ritt etwas weiter gen Norden, um weitere Spuren zu suchen, doch er verlor sie, was ihn erzürnte. Dieses Monster sollte doch nicht schwer zu finden sein! Doch dann hörte er einen schrillen Schrei, der durch sein Rückenmark fuhr und sein Pferd unruhig machte. Sofort ritt er in die Richtung aus der er glaubte, dass der Schrei kam. Und tatsächlich. Etwas weiter entfernt, fand er sie. Ein junges Mädchen, er schätze sie zwei Jahre jünger als sich, lag an einen Baum gelehnt. Ihr ganzer Körper erzitterte und sie sah ihn mit ängstlichen Augen an. Ihr Gesicht war im schwachen Mondlicht blass und ihre dunkelbraunen Haare hingen ihr schlaff ins Gesicht.
"Was ist passiert?", fragte der Prinz und sprang von seinem Pferd, welches treu stehen blieb.
"Es war hinter mir!", flüsterte das Mädchen und sah sich hektisch um.
"Was?", fragte der Prinz und sah sich um.
"Das Biest! Es hat seine Klauen in mich vergraben.", meinte sie heulend. Und da erkannte er ihre Schulterverletzung, welche nur so vor Blut triefte.
"Wohin ist es?", fragte er, doch sie schüttelte nur den Kopf.
"Ich weiß es nicht, es ging so schnell. Es hatte mich aus dem Nichts zu Boden gerissen und dann zurück gelassen.", erklärte sie keuchend das Passierte. Ihr war der Schock noch immer ins Gesicht geschrieben und der Prinz bekam Mitleid mit ihr. Wie sie dort am Baum saß. Zitternd wie Espenlaub und bleich wie ein Stück Kreide.
"Ich bringe dich zur Siedlung.", sagte er und versuchte ihr aufzuhelfen. Sie war leicht und dünn, weshalb er sie sehr leicht aufs Pferd heben konnte, anschließend setzte er sich hinter ihr darauf und ritt vorsichtig zurück. Weg vom Norden. Und weg von dem Biest.

Ich hörte auf zu lesen, als ich spürte wie sich wieder die Gänsehaut bemerkbar machte. Täuschte ich mich, oder war es in dem Raum kälter geworden? Ich klappte das Buch müde zu, doch wohin sollte ich es tun? Peter dürfte es morgen nicht finden und die Sonne würde in wenigen Stunden aufgehen. Ich konnte es auch schlecht einfach hier hinlegen..obwohl. Ich könnte so tun als hätte ich es nie bemerkt. Als hätte ich geschlafen und Peter findet es dann morgen früh, wenn er aufsteht. Das wäre eine Idee. Ich krabbelte wieder an den Rand meines Bettes und platzierte das Buch mit genug Abstand zu mir in die Mitte des Zimmers. Ich hoffte, dass Peter das nicht durchblickte.. oder mich vorhin doch erwischt hatte.

Danach legte ich mich wieder hin, doch die Stimmen flüsterten die Geschichte, welche ich gerade gelesen hatte, noch einmal, wobei ich dann in einen traumlosen Schlaf fiel.

Welcome to NeverlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt