Die Tür schlug laut hinter uns ins Schloss. Meine Augen wanderten ein letztes Mal über die Fassade des Anwesens, bis wir dem Gut den Rücken kehrten. Wir wendeten uns nach Nantes und zogen uns auf unser Hotelzimmer zurück. Unser Ziel war der Einblick in das Arbeitszimmer von Mademoiselle Sinclaire. Dies hatte größte Priorität, denn es war unsere größte und wahrscheinlich auch einzige Chance, einen weiteren Hinweis darauf zu bekommen, wie wir einen Beweis für eine Schuld und Indizien finden sollten, die vor einem Gericht einer genauen Prüfung standhalten konnten. Unsere einzige Chance, das Buch tatsächlich zu erhalten. Über diesen Morden war das Buch weit in den Hintergrund getreten, sollte man eigentlich denken, doch mir ging nicht aus dem Kopf, dass dieses einfache, arglos erscheinende Buch der Auslöser solcher Gewalt sein sollte. Nur, weil darin Beschwörungen festgehalten worden waren? Damals vertrat ich als moderner Mensch souverän die Ansicht, dass Dämonen, Vampire, der Teufel und andere Albdrücke wie diese, die zu beschwören sich manche zur Aufgabe gemacht hatten, lediglich der zu blühenden Fantasie der stupiden, unaufgeklärten Bauern früherer Zeit entstammten, aber Gott bewahre, ich wäre zu dieser Zeit der letzte gewesen, der es ihnen zum Vorwurf gemacht hätte und das würde ich auch heute niemals wagen. Schließlich konnten sie sich ja schlecht selber aufklären und bilden... Nein, Bildung wurde allein dem Adel vorbehalten. Wie den Sinclaires. Ein Blick in die Unterlagen Mademoiselle Sinclares würde jedenfalls sehr weiterhelfen. Wir konnten, falls wir etwas fänden, es zwar nicht vor Gericht verwenden, doch vielleicht gäbe es uns einen Anstoß in die Richtung, in der wir zu suchen hatten. Bei einem Telefonat mit unserem Freund, dem Chef der Londoner Polizei, bat ich ihn inständig, die Hintergründe des Mädchens zu durchleuchten. Auf sein Versprechen hin konnte ich mich erleichtert der Planung unseres Unternehmens, von dem ich meinem Freund natürlich nichts erzählte, widmen. Ich bin mir bis zum heutigen Tag nicht sicher, ob er davon wusste oder es ahnte, geschweige denn, ob er es mittlerweile weiß...
Unsere Strategie sah vor, dass Len den Butler an der Tür ablenkte, damit ich durch die Terrassentür von hinten in das Haus hinein gelangen konnte. Natürlich war es notwendig, dass für diesen Zweck die Herrin außer Haus war, doch in Nantes fand in drei Tagen ein großer Ball, den Sérela Sinclaire nicht verpassen durfte, dessen waren wir uns sicher! Die gesamte Nanter Oberschicht würde anwesend sein, ein Makel wie das Fehlen auf dieser Veranstaltung sollte sich nur schwer wieder reinwaschen lassen. Es waren drei Tage, die in angespannter Stimmung verflogen. Wir erwogen und verwarfen immer wieder unsere Pläne, bis wir schließlich bei einem blieben, bei dem die Möglichkeit bestand, dass unsere kriminelle Tat gelang. Am Abend unseres Vorhabens ging die Sonne erst spät unter.
Dadurch, dass es mein erstes Vergehen war, das ich im Namen dieses Buches und vor allem der Gerechtigkeit beging war ich entsprechend aufgeregt. Meine Hände zitterten bereits als wir uns aufmachten, doch je näher wir dem Anwesen kamen, desto ruhiger wurde auch ich. Ich muss heute noch lachen über die Angst, die ich damals empfand, schließlich hätte mich auch ein Polizist, der vor der Tür stand nicht davon abhalten können in das Haus einzusteigen. Weit vor dem Landsitz trennten wir uns. Uns zusammen zu sehen würde den Butler nicht sehr vertrauensvoll stimmen, wenn lediglich Len an der Tür stand. Meine Schritte führten mich geradewegs in den Garten. Ich hörte, wie die Glocke an der Pforte gezogen wurde. Angespannt wartete ich darauf, dass der Butler die Tür öffnete. Als ich das Klacken hörte, das signalisierte, dass der Riegel von innen umgelegt worden war, fing ich an, mich weiter der Terrasse zu nähern. Als Len anfing zu sprechen, war das mein Einsatz. Ich wusste, dass ihr nun die Tränen aus den Augen liefen und sie erzählte, dass sie sich entschuldigen müsse, sie hätte nicht gewusst, dass Mademoiselle Sinclaire bereits mit einem Fuß im Grab stände und jeder Tag ihr letzter sein könnte. Ihre Worte hatten wir im Hotelzimmer gemeinsam sorgfältig gewählt. Es würde hoffentlich die richtige Mischung aus Reue, Mitleid und Verständnis sein, denn sie würde damit fortfahren auf jeden Überzeugungsversuch des Butlers, dass sich Sérela Sinclaire bester Gesundheit erfreute, zu entgegnen, das sie wisse, warum man eine solche Angelegenheit geheim hielt und das sie das natürlich verstand und sich unbedingt entschuldigen wolle und ob sie nicht etwas kochen solle oder ob die Familie Unterstützung bräuchte etcetera... Wir spekulierten darauf, dass der Butler zum einen überfordert sein würde und zum anderen nicht wissen würde, wie er Len abweisen sollte, ohne unfreundlich zu sein. Ich bewegte mich unterdes immer weiter auf die rückwärtige Tür des Anwesens zu. Die Tür war lediglich angelehnt und ich zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Meine Hoffnung war nicht so weit gegangen, eine offene Tür zu ersehnen. Meine Erwartung war eher dahingehend ausgeufert, dass ich sie einschlagen musste. Doch als ich die Hand gegen den Türrahmen drückte schwang sie leicht auf. Die Scharniere mussten wohl frisch geölt worden sein, sonst wäre sie wahrscheinlich nicht so lautlos aufgeschwungen. Meine Füße trugen mich nach drinnen, während mein Geist noch an einem Ort des Zweifels und der Angst ausharrte, bis ich ihn mit Nachdruck zurückbeorderte. Meine Augen schweiften rastlos durch den Raum. Die gedämpften Stimmen von vorn und das anhaltende Schluchzen schreckten mich auf. Als ich die Treppe entdeckte, setzten meine Beine sich in Bewegung. Das Ziel war fürs Erste klar, die Treppe. Als ich meine Hand auf das Geländer legte und begann hinauf zu steigen ertönte ein langgezogenes Knarren.
Sofort hielt ich inne, auf das Äußerste angespannt. Waren das schon die Schritte des Butlers, die in meine Richtung kamen? Die hysterischen Worte meiner Frau um ihn davon abzuhalten?
Ich muss hier unbedingt noch ein ganz großes Danke aussprechen! Dieses Buch hat bereits über 1000 reads und diese Zahl ist für mich schier unglaublich! Also: Danke schön!!! <3
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Das Buch
RandomWenn ihr weiterlest, werdet ihr sterben, doch das Aufschlagen sei euch vergönnt. Man mag denken,dass ich, der Verfasser dieses Buches, lüge, doch die Blutflecken, die unweigerlich auf dem Buchdeckel zu sehen sein werden, beweisen etwas anderes. Wenn...