2.Kapitel

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Stille, nichts war ihr grade wirklich bewusst. Der Tag konnte echt nicht schlimmer werden. Warum hatte sie nicht einfach Glück im Leben, keine Sorgen, keine Probleme? Aber es sollte einfach nicht sein. Zwar hatte sie endlich eine Lehrstelle, doch was brachte es ihr, wenn jetzt doch alles schief lief? Okay, so durfte sie jetzt wirklich nicht denken, schließlich war es nur Zelo, der ihr das Leben im Moment wirklich schwer machte. Ein Klopfen an der Tür liess sie schliesslich verstummen, »Ist offen«, murmelte sie leise, wischte sich dabei die Tränen weg und setzte sich blinzelnd hin. Sie hätte aber am liebsten gleich wieder geschrien, als sie den grossgewachsenen Asiaten wieder zu Gesicht bekam. Ausser sich vor Wut und Verzweiflung nahm sie einfach den nächst besten Gegenstand in ihrer Nähe und warf damit nach ihm. »VERSCHWINDE!« schrie sie dabei und wich automatisch vor ihm zurück. Nein, sie wollte ihn nicht hier haben, sie wollte einfach nicht. »Nike, beruhig dich.« Es war klar, er versuchte sie zu versöhnen. Aber die Sache war, sie wollte sich nicht beruhigen. Unter Tränen und mit einer leichten Hysterie ging sie auf ihn zu und schlug ihm gegen die Brust, schubste ihn dabei zur Tür. »Verschwinde. Verschwinde endlich!«, schrie sie immer wieder, bis er plötzlich seine Arme um sie schlang, sie an sich zog und einfach umarmte. Ihre Schläge wurden verzweifelt, bis sie schließlich total erschlafften und sie das Gesicht weinend in sein weisses Shirt drückte. Sie spürte, wie seine Hand langsam über ihren Rücken strich, spürte, wie das erlebte, sie einholte und sie nur noch Tränen weinte, die sich über all die Zeit angestaut hatten. Dabei spürte sie einfach nur seine Hand über ihren Rücken streichen, seinen Atem auf ihren roten Haaren und seinen Geruch in ihrer Nase. Ein normaler, wirklich schöner Geruch von keinem billigen Deodorant, wie ihn sonst die meisten Männer hatten. Da kam in ihr die Frage auf, Warmer das tat. Warum stand er ihr jetzt plötzlich so bei? Sie verstand es einfach nicht, doch konnte man es denn verstehen? Nicht wirklich. Sie kannte ihn erst diesen einen Tag wirklich, sonst war er ihr noch fremd, ein Mensch, den sie oft in den Nachrichten gesehen hatte, oft in Schlagzeilen über ihn gelesen hatte. Er war hier und jetzt einfach ein ganz normaler Junge, ein Junge, den sie nicht bei sich haben wollte, unter gar keinen Umständen. Aber warum umarmte sie ihn dann? Warum weinte sie sich in seinem Shirt aus? Die Frage war leicht zu beantworten, sie brauchte einfach jemanden. Jemanden der einfach für sie da war, ohne dass Worte nötig waren, ohne das man verspottet wurde. Manchmal brauchte man einfach jemanden, der einem hilft. So wie sie jetzt momentan, diese paar Minuten. Dabei hatte sie keine Ahnung, wie lange das eigentlich dauerte, wie lange sie einfach nur stumm dastanden und sich umarmten. Irgendeinmal war es aber genug, schniefend löste sie sich von ihm. Den Blick weiter auf den Boden gerichtet, nicht im Sinne, den Asiaten wieder anzusehen. Dass sie seine Hand auf ihren Schultern spürte, reichte ihr vollkommen. Die Stille war willkommen, dennoch erdrückte sie die Stimmung merklich. Eine erdrückende, kleine Stille, die von ihm unterbrochen wurde. »Magst du vielleicht darüber reden, Nike? Manchmal hilft es einem mehr, als man denkt.« Stumm starrte sie auf den Boden, reagierte nicht auf die Worte des Asiaten. Ein kurzes Schniefen, die Arme um sich geschlungen und mit leicht gesenktem Blick. Wie sollte sie denn sonst auch reagieren? Ihre Stimme wäre zu brüchig, wenn sie jetzt was sagen würde, darum ließ sie es einfach mal sein, schaute noch ein paar Minuten an ihm vorbei, ehe sie sich umdrehte und sich wieder aufs Bett setzte, die Finger ineinander verschränkt auf ihren Schoss legte und sich die kurzen Haare ins Gesicht fallen liess. Ein Seufzen war von Zelo zu vernehmen, ehe sich die Matratze neben ihr leicht senkte und sie wieder seine Hand auf ihrem Arm spürte. »Hör zu, ich weiss wir hatten keinen guten Start, aber du bist sicher. Ich werde dir nichts tun, solange wir hier sind und du deine Klappe hältst. Ich habe ja nichtmal einen Grund dazu, dir weh zu tun.« Stumm starrte sie weiterhin ihre Hände an, reagierte nicht darauf, hörte ihm aber zu, als er fortfuhr: »Lass mich es dir beweisen. Gib mir eine Chance und ich zeige dir, dass ich nicht immer der bin, von dem in den Medien berichtet wird.« Er klang mehr als nur ein wenig glaubwürdig, langsam hob sie den Kopf, musterte sein ovales, makelloses Gesicht und presste die Lippen aufeinander. Sollte sie jetzt nicken und ihm die Chance geben? Kurz schluckte sie, fragte ganz leise mit brüchiger Stimme: »W-was willst du denn machen?« Langsam sah sie ihm wieder ins Gesicht. Er sah leicht besorgt aus, wie auch ernst. »Wie wärs, wenn du mir die Ortschaft ein wenig zeigst, damit ich mich nicht so schnell verlaufen kann? Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich auf dem Weg zur Schule schonverirrt.« Mit den Worten kratzte er sich am Hinterkopf, wandte den Blick ab und zog kurz die Luft ein. Die Vorstellung, dass der Junge, der mit dem Turnlehrer in der Turnhalle gewesen war, sich verlaufen hatte- unvorstellbar, aber komisch. Es brachte ihr förmlich ein kleines Schmunzeln auf die Lippen. Schliesslich zuckte sie dann mit den Schultern. »Ja, okay. Gib... gib mir nur ein paar Minuten.« So verheult wie sie jetzt gerade aussah, konnte sie nicht raus und mit dem großen Fleck auf seinem T-Shirt wäre es wohl auch nicht schlau. »Und du solltest dein Shirt wechseln, tut mir leid.« Murmelte sie ganz leise und zeigte mit dem Zeigefinger auf den grossen, nassen Fleck auf seinem weißen T-Shirt. Überrascht schaute er kurz darauf, machte eine abweisende Handbewegung. »Ach, keine große Sache, kann man waschen. Aber gute Idee.« Mit diesen Worten stand er auf und ging zur Tür. Blieb aber davor noch stehen und sah sie nochmal an. »Ich komm um halb vier nochmal vorbei.« Stumm nickte sie, beobachtete, wie er das Zimmer verliess und die Tür hinter sich zuzog. Lange schaute sie die weisse Tür noch an, atmete dann ganz tief durch und sah zum Fenster. Das kann ja was werden.

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