4. Kapitel

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Ihre Wärme fühlte sich für ihn so gut an. Warum auch immer er das Ganze getan hatte, warum sie ihm soviel bedeutete, auch wenn sie eigentlich eine Gefahr für ihn darstellen sollte... Es war schon eine Zeit vergangen, seit sie einfach auf dem Boden eingeschlafen war, hatte sich in ihm irgendetwas geregt. Ein seltsames Gefühl, als müsste er sie vor allem und vor jedem beschützen. Sollte das wirklich gehen, sollte er es wagen und sie beschützen? Obwohl sie das offensichtlich nicht wollte? »Gott, was mach ich denn hier?«, murmelte er leise zu sich selbst und sah auf das schlafende Mädchen an seiner Brust, sie hatte so etwas nicht verdient. ›Nein. Vergiss es, du hattest deine Chance. Du hast sie versaut. Lass mich einfach in Ruhe. Okay?‹ die Worte hallten in seinem Kopf nach, warum hatte sie das bloß gesagt? Er könnte sie nicht in Ruhe lassen, selbst dann, wenn er es wirklich wollte. Dabei hatte er die Wahl, entweder, er war jetzt produktiv und hörte das erstemal auf einen Menschen, oder er sagte gar nichts und machte weiter wie bisher. Na gut, hätte er auf Ersteres gehört, läge sie jetzt wahrscheinlich mit Simba in einem Bett, das konnte er ja auch nicht zulassen. Langsam richtete er sich auf, musterte Nike eine Weile und blickte auf die Uhr. Zehn Uhr, vier Stunden geschlafen. Zum Glück war Wochenende. Vorsichtig, um sie ja nicht zu wecken, lockerte er ihren Griff um sich, schmunzelte, als ein leises Brummen von ihr kam und sie sich umdrehte. Warum hatte er bloß das Gefühl, dass sie erst aufwachen würde, wenn sie Lust dazu hatte? Einfach zu beantworten. Sie war schon immer so gewesen. Schließlich lebte er schon einige Zeit mit ihr unter einem Dach. Seufzend musterte er sie eine Weile, sah dann zur Tür und schüttelte den Kopf. »Denk an Bonny«, rief er sich in Erinnerung und lief auch gleich aus dem Zimmer. Er müsste es vergessen, Nike durfte nicht in eine solche Gefahr geraten, das würde er niemals zulassen. Nicht in diesem Leben. Dafür war sie ihm doch zu sehr ans Herz gewachsen. Das kleine, hübsche, chaotische, rothaarige Mädchen, das er am ersten Tag bedroht hatte und es wahrscheinlich wieder tun würde. Niemand durfte erfahren, was damals passiert war. Niemals.

»Zelo? Was machst du da?« Eine leise, müde Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er zuckte zusammen, ließ dabei alles zu Boden fallen, was er in der Hand hatte, was zum Glück nur eine Holzkelle war und ein wenig vom Essen. Keine große Sauerei entstand, zum Glück. Kurz richtete er seinen Blick darauf, bückte sich dann sofort, um es aufzuheben. Nur, als er sich wieder aufrichtete, schlug er seinen Kopf irgendwo an. »Ahh, verdammt.« Blinzelnd rieb er sich die Stelle, drehte sich dann zu ihr um und konnte sich das Lächeln nicht verkneifen, als er das Kichern hörte. »Komm, lass, ich putz es auf.« Ihre Stimme war sanft, leicht schlaftrunken, aber das war es, was er gerade so süß fand. Das zu große T-Shirt, das sie sich wohl willkürlich ausgesucht hatte. Irgendeine Jogginghose hatte sie sich angezogen, nachdem er ihr am Vorabend die nasse, dreckige Kleidung ausgezogen hatte, damit sie nicht krank wurde. Egal wie sie gestritten hatten, er würde die Chance wieder verdienen. Klar, er hatte einen Fehler gemacht, einen üblen, aber er bereute es. Vielleicht sollte er doch nicht nur an sich denken. Was wohl besser für das Mädchen wäre, schließlich hatte sie das Problem, ihn am Hals zu haben. Umziehen wäre also keine schlechte Idee. Aber erst einmal müsste er etwas finden, das ihm gefiel, das war gar nicht mal so einfach, wie viele immer dachten. »Okay.« Seine Stimme war ungewollt sanft, doch störte ihn das nicht wirklich. Es waren ja nur sie zwei da, sonst niemand. Ihre Eltern waren arbeiten, beziehungsweise wie immer unterwegs. Kaum Zeit hatten sie für das Mädchen. Kein Wunder, dass sie so in sich gekehrt war. Ein kurzes Seufzen kam von ihr, ehe sie sich zum Waschbecken bewegte. Er selber nahm die Pfanne von der Platte und legte den letzten Pancake zu den anderen auf den Teller, ehe er die Pfanne in das Abwaschbecken legte und sich durch die gefärbten Haare fuhr. Es wurde endlich mal wieder zeit, dass er eine andere Farbe in betracht zog. Vielleicht in ein paar Wochen, noch gefiel es ihm so, wie es war. »Du kannst kochen?« Mit einem Blick zu den Pancakes sah sie ihn an, er zuckte nur mit den Schultern. »Kann ich nicht, naja, gerade mal das Nötigste. Aber wenn ich was kann, dann schmeckt das auch. Hat jedenfalls meine Mutter das immer gesagt.« Wenn er den eine Mutter hätte. Schließlich konnte er ja nicht sagen, dass seine Freunde... Pardon, Ex-Freunde, das immer gesagt hatten. Alles verlogene Mistkerle, die nichts Besseres zu tun hatten, als ihm die ganze Zeit etwas vorzumachen. »Wie hieß sie denn?« Blinzelnd riss er den Blick von dem Essen, richtete ihn auf sie. »Hannah, Ihr Name war Hannah.« Und hätte er damals auf sie gehört wäre sie jetzt noch am Leben. Sie starb, nur wegen ihm. Warum hatte er damals nicht auf sie gehört? Vielleicht wäre sie dann noch am Leben. »Komm, iss was.« Kopfschüttelnd schob er ihr den Teller zu. Wandte sich ab und liess das Wasser an, dieses traff auf die heiße Pfanne und löste ein Zischen und Wasserdampf aus. »Und du?« Kopfschüttelnd sah er aufs Wasser. »Ich esse schon lange nicht mehr viel. Also iss du, du hast es nötig.« Auch wenn er sie nicht ansah, konnte er ihren Blick auf sich spüren, wobei er sich dieses mal nicht sicher war, ob sie ihn auslachte oder fragend ansah wegen dem, was er gesagt hatte. »Schau nicht so. Du bist ein Stecken, brauchst mal ein bisschen mehr Fett auf den Hüften.« Ein Lachen und ein Boxen. »Danke, gleichfalls.« Mit hochgehobenen Augenbrauen sah er sie an. »Ich bin ein Junge, dann noch Koreaner, ich muss so sein.« Lächelnd legte er den Kopf schief. Legte die Hand wieder auf den Wasserhahn und schaltete diesen auch ab. »Du kennst mich, aber ich kenne dich nicht. Warum erzählst du nicht mal etwas von dir?« Er konnte hören, wie sie sich gegen den Tisch lehnte, und versuchte, etwas zu essen. Seufzend legte er die Hand auf seinen Hinterkopf, drehte sich zu ihr um und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich wurde am 15. Oktober in Mokpo, Südkorea, geboren. Bin siebzehn Jahre alt, mache gerne Musik und Sport.« Augenverdrehend sah sie ihn eine Weile an. »Du weißt, wie ich das meinte. Warum dürfen wir deinen richtigen Namen nicht erfahren? Was ist mit deiner Mutter passiert? Warum hast du mir gestern geholfen?« Warum musste sie gleich Fragen stellen, die er ihr nicht beantworten konnte? Warum hatte sie überhaupt gefragt? Was interessierte sie es. »Mein Name ist unwichtig und das andere geht niemanden etwas an.« Die Laune war so schnell im Keller, was hatte sie bloß wieder angestellt, konnte sie nicht einfach alles so lassen, wie es bis jetzt war? Warum musste sie unbedingt fragen? »Die nötigsten Sachen weiss man über mich.« Knappe Worte und ein Seufzen, mehr kam nicht mehr von ihm. Blinzelnd sah sie auf den Boden, schob den Teller und die Gabel zur Seite und sah zu Boden. Schon wollte sie wieder den Mund öffnen, doch er kam ihr zuvor. »Ich rede nicht gerne über mich. Akzeptier das bitte, Nike.« Stumm nickte sie. »Ich geh Duschen.« Mit diesen Worten verliess sie den Raum. Hoffnungslos liess er den Kopf hängen. Als er dann die Tür des Badezimmers ins Schloss fallen hörte, liess er es raus. Wütend schlug er auf die Wand ein, fluchte unterdrückt auf. Warum? Warum musste sie das fragen? Verzweifelt presste er die Lippen aufeinander. Atmete tief durch, schüttelte dann aber den Kopf. Das würde schon werden, irgendwie. Hoffentlich. Blinzelnd sah er auf das Essen, holte dann aus dem Schrank durchsichtige Frischhaltefolie und spannte sie darüber. Stellte das Ganze in den Kühlschrank und machte sich daran, den Abwasch zu erledigen. Schließlich hatte man ihm ja beigebracht, wie man sich zu benehmen hatte. Außerdem sollte er versuchen, wieder einen guten Eindruck zu machen. Irgendwie musste das ja gehen. Geschockt zog er sich zusammen, liess dabei wieder etwas fallen, alles nur, weil die Klingel ihn überrascht hatte. Ihn aus den Gedanken geklingelt hatte. Jetzt lag am Boden ein kaputtes Glas. »Super.« murmelte er leise, nahm ein paar Scherben und warf sie in den Mülleimer. Lief dann aus der Küche zur Tür und öffnete diese, klopfte sich dabei die Hände noch an seinen dreckigen Hosen ab und sah auf. »Hallo Jun, lange nicht mehr gesehen.« Ihm blieb förmlich der Mund offen stehen. Da standen wirklich gerade seine Ex-Freunde vor ihm. Oder wenigstens ein paar davon. Jungkook, sein ehemals bester Freund, schwarze Haare fielen ihm schlaff ins Gesicht, die braunen Augen des Koreaners sahen ihn kalt an. Er war gut einen Kopf kleiner als er selber. Doch seine Haltung zeigte alles auf. Es gab Probleme und er selber war daran beteiligt. Ob er wollte oder nicht. Neben ihm stand Chang, blonde, gefärbte Haare, Undercut gestylt. Braune Augen, mit einem kleinen Muttermal auf der Nase und einem ausgefallenen Style. Und die letzte Person, ein recht hübsches braunhaariges Mädchen mit warmen braunen Augen und ganz von Adidas gesponsert: Lisa. Seine erste große Liebe. Sie war auch die einzige von den Dreien, die ihn noch recht nett ansah. Von den anderen beiden konnte man es nicht erwarten, war ja auch klar. Nach diesem Streit, den sie hatten. »Jungkook, Chang... was habt ihr hier verloren?!« Wortlos starrte er die beiden an, versuchte, nicht auszurasten, um Nikes willen. »Mit dir reden, bitte lass uns rein.« Wortlos schaute er die beiden an, spürte dann eine kleine Hand auf seinem Arm. Blinzelnd sah er Lisa an. »Bitte Jun-« wortlos riss er den Arm weg. »Ich will den Namen nicht hören. Hier bin ich Zelo, ganz einfach Zelo, okay?« Ein verächtliches Schnaufen kam von Chang, wobei dieser dann einen Boxer von Jungkook bekam. Kopfschüttelnd sah er Lisa wieder an. »Tut mir leid, Zelo. Bitte, es ist wirklich wichtig. Es geht um Bang.« Bei dem Spitznamen seines großen Bruders stockte Zelo. Wie, was war mit ihm? Wortlos starrte er beide an. »Ich... okay, kommt rein.«

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